

Läuft bei: Netflix (Mini-Seri, 6 Episoden à 50 Min.)
Was ist dieser Vincent (Benedict Cumberbatch) für eine gewaltige Nervensäge. Säuft wie ein Loch, beleidigt grundlos jeden und jede um ihn herum, streitet sich dauernd mit seiner Frau und hält sich für ein kreatives Genie, dem niemand dreinzureden hat.
Was andere denken oder fühlen, kümmert ihn einen Dreck. Das gilt auch für seinen Sohn Edgar (Ivan Morris Howe). Jedes Mal, wenn Vincent ihn von der Schule abholt, fordert er ihn zu einem Wettrennen nach Hause heraus. Und jedes Mal verliert Edgar. Es käme Vincent nie in den Sinn, ihn gewinnen zu lassen.
Mehr als nur ein Entführungskrimi
Dass ihm doch etwas an seinem Sohn liegt, merkt man erst, als Edgar auf Weg zur Schule spurlos verschwindet. Vincent stürzt sich in eine verzweifelte Suche nach Edgar, bei der ihm seine Alkoholsucht und seine Kratzbürstigkeit nicht gerade weiterhelfen.

Aber «Eric» ist mehr als ein Entführungskrimi und Vater-Sohn-Drama. Showrunnerin Abi Morgan, die unter anderem das Drehbuch schrieb für «The Iron Lady» (2011), packt einen ganzen Strauss von Themen in ihre Geschichte, die in New York in den 80er-Jahren spielt: Homophobie, Rassismus, Korruption, Spekulation, Obdachlosigkeit.
Rassismus und Homophobie erlebt Detective Ledroit (McKinley Belcher III) jeden Tag als Cop im NYPD. Er ist schwarz und schwul. Das eine lässt sich nicht verbergen, das andere hält er geheim. Als Schwarzer hat er es schon schwierig genug im mehrheitlich weissen Polizeikorps.
Polizei und Behörden – bis auf die Knochen korrupt
Ledroit übernimmt die Suche nach Edgar. Der Fall geniesst hohe mediale Aufmerksamkeit. Denn Vater und Grossvater sind prominente New Yorker. Vincent ist der Schöpfer einer beliebten Puppensendung für Kinder. Grossvater Robert ist ein schwerreicher Immobilienspekulant.

Als Ledroit eine mögliche Verbindung zu einem früheren Fall findet, verbietet ihm sein Chef, das weiterzuverfolgen. Der verschwundene Junge war schwarz und sei, so sein Chef, höchstwahrscheinlich tot. Lohnt also keinen weiteren Aufwand. Dass die Mutter wissen möchte, was mit ihrem Sohn passiert ist, kümmert den Chef nicht.
Ledroit aber schon. Seine Ermittlungen führen ihn am Schluss zu korrupten Kollegen und hohen Stadtbeamten, die mit Deals auf Kosten der Obdachlosen der Stadt Geld machen wollen.
Eric, der pelzige Troll
Bleibt noch Eric. Eric ist ein Monster. Edgar hat es gezeichnet. Eric begleitet Vincent auf der Suche nach Edgar. Der pelzige Troll ist für Vincent der imaginäre Freund, der ihn unterstützt, ihm aber oft auch den Spiegel vorhält, was für ein Versager er ist als Ehemann, Vater und Freund.

«Eric» ist intensiv. Die Figur von Vincent ist kaum auszuhalten. Bevor er irgendetwas tut, kippt er erstmal eine halbe Flasche Vodka rein. Unerträglich auch dieses unterschwellige Selbstmitleid, dass seine schwere Kindheit mit einer gefühllosen Mutter und einem abwesenden Vater ihn in den Alkoholismus getrieben hat.
Auf der anderen Seite Edgars Mutter Cassie (Gaby Hoffmann): Sie durchlebt die Hölle gleich zweifach. Die grenzenlose Verzweiflung über das Verschwinden des Sohnes und die Ohnmacht gegenüber Vincents Unfähigkeit ihr zur Seite zu stehen.
Und plötzlich scheint die Sonne
Dazu das Umfeld von New York, bevor die Stadt zur trendigen Touristenmetropole wurde. In den 80ern verrottete der Big Apple noch im Sumpf von Kriminalität und Korruption. «Eric» ist düster.
Bis zu den beiden letzten Episoden. Da herrscht plötzlich eitel Sonnenschein, wohl angelehnt an den Titel von Vincents Puppenshow «Good Day Sunshine». An dieser Wende scheiden sich die Geister.

Für die einen ein so banales Happy End, wie es sich nicht einmal die «Sesamstrasse» einfallen lassen würde. Die anderen lassen sich gerne ein bisschen Eskapismus gefallen und erfreuen sich daran, dass hier ganz altmodisch das Gute gewinnt und das Böse bestraft wird. Ich schwanke zwar, tendiere aber eher zum Eskapismus.
Nicht nur Cumberbatch überzeugt
Zugutehalten muss man «Eric» zudem zwei weitere Punkte: die hervorragenden Schauspieler:innen. Auch wenn Cumberbatch natürlich der Name ist, der zieht, die anderen – allen voran Gaby Hoffmann und McKinley Belcher – spielen auf Augenhöhe.
Zum zweiten hat Abi Morgan die nur sechsteilige Mini-Serie mit Themen völlig überladen. Aber sie erzählt jeden Strang der Geschichte konsistent zu Ende. Nicht besonders originell zwar, aber andere haben sich auch schon in solchen Geschichten heillos verzettelt.
Besetzung: Benedict Cumberbatch | Gaby Hoffmann | McKinley Belcher III | Dan Fogler | Ivan Morris Howe | Bamar Kane | José Pimentão | Wade Allain-Marcus | David Denman
Serie entwickelt von: Abi Morgan
Genre: Krimi | Drama | Thriller
USA, 2024











Schreibe einen Kommentar