Adolescence (Mini-Serie) – Ist die Serie wirklich so beeindruckend? Ja, aber …

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Serienposter mit Schriftzug. Ein Junge schaut finster zu einem Erwachsenen, der unscharf im Vordergrund zu sehen ist.
5 von 5 Sternen

Netflix (Mini-Serie, 4 Episoden à 60 Min.)

Es ist eine Weile her, seit eine Netflix-Serie so viel Aufmerksamkeit erregte wie «Adolescence». Die Macher der Serie wurden sogar vom britischen Premierminister Keir Starmer in die Downing Street eingeladen.

Starmer sprach mit Jack Thorne, der zusammen mit Hauptdarsteller Stephen Graham die Serie schrieb, über Möglichkeiten, Teenager vor den Gefahren sozialer Medien zu schützen.

Gefahr ist fast zu harmlos. Tödlich trifft es besser. Denn es geht um Mobbing, Frauenhass und toxische Männlichkeit, die einen 13-Jährigen dazu treiben, eine Mitschülerin zu töten.

Aussergewöhnliche Produktionstechnik

«Adolescence» wählt eine besondere Form, diese Geschichte zu erzählen. Die Serie besteht aus vier Episoden, die jeweils in einer einzigen Einstellung – ohne Schnitt – einen Teil der Handlung zeigen. Dieser «One Shot» stellt eine enorme Herausforderung für Schauspieler und Produktionsteam dar.

Richtig eingesetzt, schafft ein «One Shot» Nähe, Authentizität und zieht einen tief in die Gefühlswelt der Figuren, wie es klassische Schnitttechniken kaum vermögen. Dass «Adolescence» beim Publikum so nachhaltig wirkt, liegt auch an dieser Technik.

Das Leben wird zum Albtraum

Dabei sind nicht alle Episoden gleich gut gelungen. Die erste ist stark. Die Polizei stürmt das Haus der Familie Miller und verhaftet Jamie (Owen Cooper), der sich aus Angst die Hosen nässt.

Von einer Sekunde auf die andere ist das normale Leben für ihn, seine Eltern (Stephen Graham, Christine Tremarco) und die Schwester (Amelie Pease) vorbei. Man leidet mit, als die Mühlen der Justiz langsam und unerbittlich zu mahlen beginnen.

Fingerabdrücke, Fotos, der Gang in die Zelle, die erste Befragung, in der Jamie alles abstreitet. Dann der Schock, als die Bilder einer Überwachungskamera die Wahrheit zeigen.

Eindrücklich ist auch die dritte Episode. Sie schildert das Gespräch zwischen Jamie und der Psychologin Briony (Erin Doherty), in dem sich Jamies Gedankenwelt offenbart. Wie Briony Jamie dazu bringt, sich der Wahrheit zu stellen, wird dank der «One Shot»-Technik intensiv nachvollziehbar.

Ein Junge und eine Frau an einem Tisch gegenüber. Sie schauen sich wortlos an.
Briony Ariston (Erin Doherty) konfrontiert Jamie (Owen Cooper) mit Fragen, deren Antworten er nicht wahrhaben will. © Netflix

Weniger sinnvoll und zwingend ist der Einsatz des «One Shots» in den anderen beiden Episoden. Die Befragungen an der Schule und der Morgen bei den Millers kurz vor Jamies Prozess evozieren kein intensiveres emotionales Erlebnis. Hier lenkt die Technik eher vom Inhalt ab. Ein immanentes Risiko des «One Shots».

Geballte Ladung grossartiger Schauspielkunst

Was in allen vier Episoden aber restlos überzeugt, sind die schauspielerischen Leistungen. Sie sind schlicht umwerfend. Allen voran der 16-jährige Owen Cooper in seiner ersten Rolle. Grossartig auch Stephen Graham und Erin Doherty.

Graham als Jamies Vater muss sich fragen, ob er für die Tat seines Sohnes mitverantwortlich ist, und ist dabei völlig überfordert. Doherty als Psychologin stellt Jamie geduldig, aber unerbittlich die Fragen, deren Antworten er nicht hören will.

Eine Frau mit Tränen in den Augen. Ein Mann sitzt neben ihr und sieht sie traurig an.
Haben sie als Eltern versagt? Manda (Christine Tremarco) und Eddie Miller (Stephen Graham). © Netflix

Nicht zuletzt ist da Ashley Walters als DI Bascombe, der überzeugt seinen Job macht. Gleichzeitig weiss er, dass er zwar den Fall lösen kann, nicht aber die Probleme, die dahinterstecken.

Diese geballte Ladung von grossartigem Können und aussergewöhnlicher Inszenierung ist beeindruckend und lässt einen tief betroffen der Geschichte folgen.

Ein Weckruf? Nur für jene, die bisher geschlafen haben

Mich überrascht dennoch, welche Resonanz die Serie inhaltlich auslöst. Als ob man diesen Themen zum ersten Mal begegnen würde.

Social Media als Mobbingmaschine unter Jugendlichen wird seit Jahren thematisiert. Der Begriff «Incel» war schon in den 10er-Jahren aktuell im Zusammenhang mit Amokläufen in den USA. Und toxische Männlichkeit wird so inflationär verwendet, dass der Begriff an Relevanz verliert.

Zwei Polizist:innen in zivil in einem Gang in einem Schulhaus. Um sie herum Schüler:innen in Schuluniform.
DI Bascombe (Ashley Walters) und DS Frank (Faye Marsay) tauchen ein in den depressiven Alltag einer britischen Mittelschule. © Netflix

Ein Fall wie in «Adolescence» ist schrecklich und aufwühlend. Warum wird das erst jetzt als Weckruf verstanden? Das Probleme existieren schon lange. Wer erst jetzt reagiert, hat wohl einfach nicht hingeschaut. Wie einige Figuren in «Adolescence» auch.

Wie viele Sterne gibst du «Adolescence»?
2 Stimmen

Besetzung: Owen Cooper | Stephen Graham | Ashley Walters | Fay Marsay | Christine Tremarco | Amelie Pease | Bidi Iredale | Austin Haynes | Erin Doherty | Jo Hartley
Serie entwickelt von: Stephen Graham | Jack Thorne
Genre: Drama | Krimi
GB, 2025

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