Wenn auf der Verpackung steht «Von den Machern von ‹Line of Duty› und ‹Bodyguard›» und zudem Vicky McClure aus «Line of Duty» mitspielt, dann ist die Erwartung an eine Serie ziemlich hoch. Wohl zu hoch, denn «Trigger Point» kommt nicht an diese anderen Serien heran.
Das liegt weniger an der Krimihandlung, wo es um terroristische Bombenanschläge in London geht, als mehr am Drumherum. Figuren, die mit Beziehungsproblemen und persönlichen Traumata überladen werden. Und ein paar Plottwists, die wenig originell und leicht vorhersehbar sind.
Schweisstreibende Polizeiarbeit
Spannend ist dafür die Arbeit der EXPOs, der Explosives Officers. Wenn man denen bei der Arbeit zuschaut, gerät man tatsächlich selber leicht ins Schwitzen.
Lana Washington (Vicky McClure) arbeitet als EXPO bei der Metropolitan Police. Sie und Joel Nutkins (Adrian Lester) werden zu einer Wohnsiedlung beordert, wo die Polizei einen Bombenbastler vermutet. Die beiden entdecken und entschärfen eine Bombe, die sich aber als harmlos herausstellt: eine bessere Feuerwerksrakete.
Damit ist der Einsatz aber noch nicht vorbei. Im Kofferraum eines Autos finden sie einen Mann, der unfreiwillig einen Sprenggürtel trägt. Diese Bombe ist tatsächlich gefährlich und knifflig konstruiert. Lana kann sie erst in letzter Sekunde entschärfen.
Ein heimtückischer Bombenleger
Der Einsatz scheint vorüber, die Evakuation der Wohnsiedlung wird beendet. Da entdeckt Joel einen verdächtigen Lieferwagen – zu spät. Die Explosion tötet ihn und knapp zwei Dutzend Anwohner:innen.
Es bleibt nicht bei dieser einen Bombe. Die Täter, die sich als rechtsextreme Gruppierung namens «The Crusaders» zu erkennen geben, haben bewiesen, dass sie gewieft und heimtückisch vorgehen. Schnell wird klar, dass hier jemand dahintersteckt mit militärischer Erfahrung.
Die haben natürlich auch die EXPOs. Fast alle sind Kriegsveteran:innen, die wie Lana in Afghanistan im Einsatz waren. Auch wenn sie im Gegensatz zu den üblichen US-Veteran:innen nicht gerade unter PTSD leiden, hat der Krieg Spuren hinterlassen.
Lana hat zwar eine Beziehung mit einem Polizeikollegen, doch ihre Seelenverwandten findet sie unter Kriegskameraden. Bei der Trauerfeier für Joel lernt sie Karl (Warren Brown) kennen, der mit Joel in Afghanistan war. Es dauert nicht lange, bis sich Lana mit ihm einlässt.
Doch die Crusaders lassen ihr kaum Zeit für ihr Beziehungsleben. Joel bleibt nicht das einzige Opfer, das Lana nahesteht. Genau hier liegt die Schwäche der Serie. Den Crusaders auf die Spur zu kommen, wird für Lana zum persönlichen Kreuzzug. Das hätte es absolut nicht gebraucht.
Lanas langweiliges Leiden
Sowohl ihre Motivation als professionelle Bombenentschärferin als auch die politischen Beweggründe der Crusaders hätten vollkommen ausgereicht, um die Story voranzutreiben und zu einem spannenden Showdown zu führen. Das hätte uns all die Szenen erspart, in denen Lana ihr Leiden ausbreitet, was meist etwas langweilig, manchmal auch ein bisschen peinlich wirkt.
«Trigger Point» kann in einer allfälligen zweiten Staffel nur dann in die Fussstapfen von «Line of Duty» treten, wenn sich die Serie mehr auf die Arbeit der EXPOs fokussiert und das persönliche Drama runterschraubt.
Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 8 Episoden à 45 Min.)
Orthodoxe Religionsgemeinschaften wirken manchmal faszinierend, oft seltsam, meist aber schlicht befremdend in einer mehrheitlich säkularisierten Welt. Die Netflix-Serie «Unorthodox», die die Flucht einer jungen Frau aus einer chassidischen Gemeinschaft erzählt, kontrastierte vor allem das streng gläubige gegen das freie säkularisierte Leben.
Orthodoxer Alltag
Ganz anders schildert die belgische Serie «Rough Diamonds» das Leben der orthodoxen Familie Wolfson, die in Antwerpen seit Generationen Diamantenhandel betreibt. Der jüdische Glaube, die alltäglichen Rituale und die Festtage sind Alltag.
Nicht, dass das ganz ohne Reibungen ginge. Noah Wolfson (Kevin Janssens) hat die Familie und damit die jüdische Gemeinschaft vor Jahren verlassen und zog nach London. Noahs Vater Ezra (Dudu Fisher) hat ihm das nie verziehen.
Die Familienfirma vor dem Konkurs
Deshalb würdigt Ezra seinen Sohn auch keines Blickes, als dieser zur Beerdigung seines Bruders wieder auftaucht. Yanki hat sich das Leben genommen, weil er dubiose Geschäfte mit der albanischen Drogenmafia betrieb, um seine Spielsucht zu finanzieren. Als Folge davon ist jetzt die Existenz der Familienfirma bedroht.
Noahs Schwester Adina (Ini Massez) und sein anderer Bruder Eli (Robbie Cleiren) sind deshalb auf seine Hilfe angewiesen, um die Probleme mit den Albanern in den Griff zu bekommen. Noah bringt dafür gute Voraussetzungen mit. In London arbeitet er für die Mutter seiner verstorbenen Frau, die auch mit Drogen dealt.
Aber die Probleme lassen sich nicht so einfach lösen und die Wolfsons geraten zudem ins Visier der Staatsanwältin Jo Smets (Els Dottermans).
«Rough Diamonds» nutzt das Umfeld des jüdischen Diamantenhandels in Antwerpen geschickt, um persönliche Dramen und einen Wirtschaftskrimi zu erzählen. Allerdings gelingt es der Serie nicht, die Spannung konstant hochzuhalten. Sie hat gewisse Längen und dreht sich zwischendurch etwas im Kreis. Aber als Krimi zwischendurch eignet sich die Show durchaus.
Läuft bei: SkyShow (2 Staffeln, 16 Episoden à 50 Min.)
«Perry Mason» ist ein Stück TV-Seriengeschichte. Neun Staffeln flimmerten von 1957 bis 1966 über die Bildschirme in den USA, in denen Raymond Burr als erfolgreicher Strafverteidiger in den 1930er-Jahren Unschuldige davor bewahrte, in der Todeszelle zu landen.
Im deutschsprachigen Raum war die Serie weniger erfolgreich. Nur ein paar wenige Episoden liefen Anfang der 60er-Jahre im Deutschen Fernsehen. Erst in den 90ern wurden alle Staffeln im Privatfernsehen gezeigt.
Mason damals und heute
Das erklärt, weshalb der ursprüngliche Perry Mason an mir vorbeigegangen ist. In den 60ern war selbst ich noch zu jung und deutsches Privatfernsehen habe ich mir nie angetan. Deshalb kann ich jetzt keinen Vergleich ziehen zwischen der Schwarzweiss-Ausgabe und der Neuauflage mit Matthew Rhys als Perry Mason, die 2020 startete und jetzt in die zweite Staffel geht.
Ob das fruchtbar gewesen wäre, scheint mir eh zweifelhaft. Immerhin sind seither 60 Jahre vergangen und die Art, Serien zu produzieren, hat sich grundlegend verändert. (Aber ich habe ChatGPT gebeten, die Darstellung der Figur durch die beiden Schauspieler zu vergleichen. Die Antwort am Ende des Artikels 😉).
Es war denn auch weniger die Figur als vielmehr der Schauspieler, der mich veranlasst hat, «Perry Mason» einzuschalten. Matthew Rhys spionierte mit Keri Russell (momentan bei Netflix zu sehen in «The Diplomat») für den KGB in der sehr empfehlenswerten Thrillerserie «The Americans» (auf Disney+).
Mason will nicht mehr und kanns doch nicht lassen
Zu Beginn der zweiten Staffel hat Perry Mason mit dem Kapitel Strafverteidigung abgeschlossen. Zu sehr hat ihn der Fall Emily Dodson (Staffel 1) mitgenommen. In seiner Praxis, die er gemeinsam mit seiner Kollegin Della Street (Juliet Rylance) führt, nimmt er nur noch zivilrechtliche Fälle an. Doch es dauert nicht lange, bis ein Fall in seinem Büro landet, dem Mason dann doch nicht widerstehen kann.
Zwei junge Brüder werden des Mordes an Brooks McCutcheon (Tommy Dewey) angeklagt. Mateo und Rafael (Peter Mendoza und Fabrizio Guido) sind schon vor dem Prozess so gut wie verurteilt. Sie sind als Angehörige der hispanischen Minderheit, die im Armenviertel leben, die perfekten Sündenböcke für den Staatsanwalt.
Kein unschuldiges Opfer
Um ihre Unschuld zu beweisen, nehmen Mason und Street mit der Unterstützung des ehemaligen Cops Paul Drake (Chris Chalk) das Mordopfer genauer unter die Lupe. McCutcheon war der Sohn eines einflussreichen Ölbarons in L.A., der selber aber dubiose und meist erfolglose Geschäfte betrieb. Zudem pflegte er ausgefallene Sexpraktiken, die dazu führten, dass die Schwester eines Stadtabgeordneten zum Pflegefall wurde.
McCutcheon hatte sich genug Feinde gemacht, die ebenfalls als Täter für den Mord in Frage kämen. Der Fall nimmt allerdings eine dramatische Wende, als Drake die Tatwaffe findet. Mason steht vor einem moralischen Dilemma.
Obwohl «Perry Mason» als Anwaltsserie daherkommt, spielt sie extrem wenig im Gerichtssaal. Die Serie lebt von ihren Figuren. Allen voran Perry Mason. Er wird nicht als brillanter Strafverteidiger geschildert, der die Geschworenen mit überwältigenden Plädoyers mitreisst.
Mason ist ein Idealist, innerlich zerrissen und traumatisiert vom Krieg (dem 1. Weltkrieg). Daran scheiterte unter anderem auch seine Ehe. Kein strahlender Held, sondern ein introvertierter, düsterer Charakter, der sich schwertut im Leben.
Deshalb ist Mason auch auf Della Street angewiesen. Wenn er wieder mal in ein tiefes Loch fällt, holt sie ihn nicht nur raus, sondern sorgt auch dafür, dass in der Zwischenzeit der Laden weiterläuft. Dabei hat Della ihre eigenen Probleme: Sie muss ihre Homosexualität geheim halten und steht unter Dauerstress. Der Angst, dass das jemand herausfinden könnte.
Della findet in Anita St. Pierre (Jen Tullock) eine neue Liebe, von der aber niemand erfahren darf.
Die 30er-Jahre in L.A. – ganz anders als heute
Das Leben der Schwulen und Lesben im Schatten ist nur ein Aspekt, mit dem die Serie die Atmosphäre der 30er-Jahre in L.A. zeichnet. Die alltägliche Diskriminierung der Schwarzen Bevölkerung erlebt Paul Drake.
Er muss den Eingang für Bedienstete nehmen oder wird von seiner Frau daran erinnert, dass er im vornehmen Viertel besser nicht aus dem Auto steigt, weil sonst jemand die Polizei ruft. Und wie schon erwähnt sind in dieser Zeit der grossen Depression die Zuwandernden aus dem Süden die perfekte Zielscheibe für den Frust der Weissen – nicht ganz unähnlich der heutigen Zeit.
Vor diesem Hintergrund und dank des fantastischen Setdesigns nehmen die 30er-Jahre faszinierend Gestalt an in einem Los Angeles, das damals noch alles andere war als die blühende Metropole an der Westküste von heute. Deshalb verzeiht man der Serie auch, dass sie doch eher träge ihre Geschichte erzählt. Denn fast jede Einstellung, fast jede Szene bietet genug Stoff und Anreize fürs Auge, um dranzubleiben.
Rhys und Burr als Perry Mason im Vergleich – das sagt ChatGPT
Matthew Rhys und Raymond Burr sind beide herausragende Darsteller, die die Rolle des berühmten fiktiven Anwalts Perry Mason verkörpert haben. Obwohl sie den gleichen Charakter gespielt haben, gibt es einige Unterschiede in ihren Interpretationen und Darstellungsstilen.
Raymond Burr spielte Perry Mason von 1957 bis 1966 in der ursprünglichen Fernsehserie «Perry Mason». Burr verkörperte den Charakter als seriösen und geradlinigen Anwalt. Seine Darstellung von Mason war von ruhiger Autorität und Integrität geprägt. Burr brachte eine gewisse Würde und Präsenz in die Rolle, die ihm viele Fans einbrachte. Seine Ausstrahlung und seine starke Präsenz auf dem Bildschirm machten ihn zu einer Ikone und einem beliebten Anwalt der Fernsehwelt.
Raymond Burr als Perry Mason: ruhige Autorität und integer.
Auf der anderen Seite haben wir Matthew Rhys, der Perry Mason in der gleichnamigen HBO-Miniserie von 2020 verkörperte. Rhys‘ Interpretation von Perry Mason war eine Neuinterpretation des Charakters in einem anderen Kontext. Die Serie zeigt Perry Mason als einen jungen und unerfahrenen Privatdetektiv und späteren Anwalt.
Rhys brachte eine düstere und komplexe Nuance in die Rolle, indem er die inneren Kämpfe und persönlichen Dämonen des Charakters erforschte. Seine Darstellung war intensiv und emotional, und er brachte eine gewisse Verletzlichkeit in die Rolle, die das Publikum in seine Geschichte hineinzog.
Sowohl Burr als auch Rhys haben auf ihre eigene Art und Weise die Essenz des Charakters Perry Mason eingefangen. Burr war der klassische Perry Mason, der für Gerechtigkeit kämpfte und die Wahrheit ans Licht brachte, während Rhys eine modernere und komplexere Version des Charakters darstellte. Beide Darsteller haben ihre eigenen Stärken und haben den Charakter auf einzigartige Weise interpretiert.
Es ist wichtig anzumerken, dass die beiden Darsteller in unterschiedlichen Zeiten und Kontexten agierten, was ihre Darstellungen natürlich beeinflusste. Raymond Burr spielte Perry Mason in den 1950er und 1960er Jahren, als Fernsehserien und die Darstellung von Charakteren noch ganz anders waren als heute. Matthew Rhys hingegen spielte Perry Mason in einer modernen Miniserie, die von den heutigen Erzähltechniken und Produktionsstandards geprägt ist.
Insgesamt kann man sagen, dass sowohl Raymond Burr als auch Matthew Rhys talentierte Darsteller sind, die Perry Mason auf ihre eigene Art und Weise zum Leben erweckt haben. Jeder von ihnen hat dem Charakter eine einzigartige Note verliehen und ihre eigene Interpretation hinterlassen, die von den Zuschauern geschätzt wurde.
Läuft bei: Sky Show (1 Staffel, 11 Episoden à 55 Min.)
Ob es ein Vorteil oder ein Nachteil ist, muss jede:r für sich entscheiden: Aber «Poker Face» ist eine Serie, die sich eher nicht zum Bingen eignet. Jede Episode ist nach demselben Muster gestrickt, was beim Bingen zu einer gewissen Ermüdung führen kann.
Diese Erzählweise stammt aus vergangenen Tagen, als Detektiv:innen wie «Columbo» oder Jessica Fletcher in «Murder, She Wrote» einmal pro Woche über den Bildschirm flimmerten.
Was sich von Woche zu Woche änderte, waren die Leichen. Was gleich blieb, war die Methode, wie Columbo und Fletcher die Morde aufklärten. Einen Erzählbogen über die Staffeln hinweg gab es nicht. Genau so funktioniert auch «Poker Face».
Abgesehen von der ersten und der letzten Episode ist es auch egal, in welcher Reihenfolge man die Serie schaut. Jede Episode steht für sich. Auch das eher ungewöhnlich für das Streamingzeitalter.
Solche Serien leben heute wie damals von ihren Hauptfiguren. Die müssen überzeugen und die Geschichten tragen. Bei Natascha Lyonne ist das schon fast keine Frage, dass ihr das gelingt. Bei ihr besteht eher die Gefahr, dass neben ihr alle anderen Figuren verblassen, wie das in «Russian Doll» der Fall war.
Aber auch da liess sich Show-Creator Rian Johnson, der mit den Mysterythrillern «Knives Out» und «Glass Onion» Erfolge feierte, was einfallen. Jede Episode ist mit Stars besetzt, die erfolgreich gegen Lyonne anspielen können.
In der ersten Episode ist es Adrien Brody. Er spielt Sterling Frost, den Sohn eines Casino-Magnaten, der sich die besondere Eigenschaft von Charlie Cale (Natascha Lyonne) zunutze machen will. Charlie ist eine Art menschlicher Lügendetektor. Intuitiv spürt sie zuverlässig, ob jemand die Wahrheit sagt oder «bullshit» erzählt.
Sterling will mit Charlies Fähigkeiten einen grossen Gambler ausnehmen. Doch dazu kommt es nicht. Denn Charlie findet heraus, dass Sterling verantwortlich ist für den Mord an ihrer Freundin. Die Ereignisse überstürzen sich und Charlie muss vor Sterlings Vater fliehen, den sie schon früher einmal gewaltig verärgert hat.
Von jetzt an ist sie auf der Flucht. An jeder ihrer Stationen wird sie in die Aufklärung eines Mordes verwickelt. Vorab sehen wir jeweils, wie der Mord geschah. Dann beginnt die Geschichte nochmal von vorn, diesmal mit Charlie Cale im Bild, die immer irgendwie involviert ist.
Schon allein die Parade von Stars, die als Täter:innen oder Opfer fungieren, lohnt die Serie anzuschauen: Joseph Gordon-Levitt, Ellen Barkin, Ron Perlman, Chloë Sevigny, Nick Nolte und viele andere geben sich in «Poker Face» die Ehre.
Besonders freute mich das Wiedersehen mit Simon Helberg. Er macht hier als FBI-Agent eine gute Figur mit viel Witz und Schalk. Ganz so, wie wir ihn als Howard Wolowitz aus «Big Bang Theory» in Erinnerung haben.
Und dann ist da natürlich Natascha Lyonne. Sie ist als exaltierte Charlie eine ähnlich skurrile Figur wie Columbo, wenn auch viel temperamentvoller. Statt im schäbigen Regenmantel stiefelt sie mit Sonnebrille und in Hotpants herum und stellt eher beiläufig die entscheidenden Fragen, die den/die Täter:in entlarvt.
Dass sie auch ein treibender Faktor für die komödiantische Seite ist, versteht sich fast schon von selbst. Man könnte sich am Schluss einzig fragen, ob sie eigentlich auch mehr kann, als auf dem Bildschirm kauzigen Schabernack zu treiben. Aber letztlich egal. «Poker Face» ist Lyonne wie auf den Leib geschrieben und grossartige Unterhaltung.
Läuft bei: Disney+ (1 Staffel, 11 Episoden à 45 Min.)
Eigentlich erstaunlich, dass Journalist:innen immer noch als Held:innen für Filme oder wie in «Alaska Daily» für Serien taugen. Grosses Ansehen geniesst diese Berufsgattung im Zeitalter von Social Media und dem Vorwurf der «Lügenpresse» ja kaum mehr.
Aber es funktioniert wahrscheinlich deshalb, weil die Reporter:innen oft mehr als Kriminalist:innen agieren. Sie jagen einem Verbrechen hinterher und decken es gegen den Widerstand der Mächtigen auf.
Das war bei «All the President’s Men» (1976) so, wo Carl Bernstein und Bob Woodward den Watergate-Skandal enthüllten. Oder beim Oscar-gekrönten Film «Spotlight» (2015), in dem Journalist:innen des «Boston Globe» sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche aufdeckten.
Die wahre Geschichte hinter der Serie
Zu «Spotlight» hat «Alaska Daily» eine personelle Verbindung. Tom McCarthy, der die Serie entwickelt hat, war Regisseur und Drehbuchautor von «Spotlight». Eine weitere Analogie: Der Film wie auch die Serie beruhen auf wahren Recherchen.
Die Enthüllungen des «Boston Globe» sorgten weltweit für Schlagzeilen. Die andere Recherche, die jetzt als Grundlage für «Alaska Daily» dient, erhielt weniger Aufmerksamkeit.
In «Alaska Daily» ist diese Geschichte der Anlass für Eileen Fitzgerald (Hilary Swank) in den hohen Norden zu ziehen. Die New Yorker Topjournalistin hat gerade harte Zeiten hinter sich. Ihre letzte grosse Story zerstörte ihre Karriere, weil Zweifel an ihrer Quelle auftauchten und ihr herablassender Umgang mit Kolleg:innen publik gemacht wird.
Dennoch ist Eileen zuerst wenig begeistert, als Stanley Cornik (Jeff Perry), Chefredakteur des «Alaska Daily», bei ihr auftaucht und ihr einen Job anbietet. Lokaljournalismus bei einem serbelnden Blatt in der Tundra ist doch ein paar Nummern zu klein für sie. Aber die Story beginnt sie zu faszinieren.
Frisch angekommen in Anchorage gibt sie ihren neuen Kolleg:innen gleich den Tarif durch. Sie ist die versierte Journalistin, die weiss, wie der Hase läuft, und sie arbeitet alleine. Doch mit ihrer New Yorker Hotshot-Attitüde kommt sie nicht weit.
Die Mutter einer jungen Frau, die ermordet wurde, will nicht mit der Fremden reden. Eileen muss widerwillig die Hilfe ihrer indigenen Kollegin Roz Friendly (Grace Dove) in Anspruch nehmen. Von nun an arbeiten die beiden gemeinsam an der Geschichte, auch wenn sie sich (noch) nicht leiden mögen.
Kleine Geschichten aus dem Alltag
Sie decken auf, wie rassistische Polizist:innen, schlampige Behörden und korrupte Politiker:innen dafür verantwortlich sind, dass sexuelle Gewalt gegen Frauen nicht nur an der Tagesordnung ist, sondern meist auch nicht aufgeklärt, geschweige denn bestraft wird.
Neben dieser spannenden Story werden in «Alaska Daily» auch kleine Geschichten erzählt aus dem Alltag der Reporter:innen. Das soll die Bedeutung des Lokaljournalismus für eine funktionierende Gemeinschaft untermauern. Dieses hohe Lied singt die Serie zwar etwas aufdringlich. Aber was soll man dagegen sagen? Die Aussage stimmt.
Die nervige Journalistin überschattet den Kern der Geschichte
Am faszinierendsten an der Serie ist der Ort. Nicht nur wegen der atemberaubenden Landschaftsaufnahmen. Alaska, so zeigt die Serie, ist eine gespaltene Gesellschaft, in der Indigene massiv diskriminiert werden. Eine Tatsache, die nicht weitherum bekannt sein dürfte.
Nervig, vor allem zu Beginn, ist dagegen die Hauptfigur. Da hilft es auch nichts, wenn Hilary Swank die Journalistin mit dem gewaltigen Ego spielt. Aber natürlich lernt sie mit der Zeit nicht nur die Gegend zu schätzen, sondern auch ihre Kolleg:innen. Das macht Eileen etwas erträglicher und lenkt weniger vom Kern der Geschichte ab.
Wäre «Alaska Daily» mit etwas weniger Schema-F-Elementen inszeniert, wäre es eine sehr gelungene Serie. So gehört sie zum guten Durchschnitt.
Üblicherweise bespreche ich nur Serien. Aber bei diesem Film ist eine Ausnahme mehr als gerechtfertigt. John Luther (Idris Elba) ist ein Serienheld erster Güte. Nach fünf gelungenen Staffeln, die von 2010 bis 2019 liefen, kehrt der Londoner Copper in einem Film zurück.
Luther landet hinter Gittern
Wer Luther noch nicht kennt, der:m sei die Serie auf Netflix unbedingt empfohlen. Aber man kann den Film auch ohne Vorkenntnisse schauen. Nur geht schon etwas verloren, wenn einem die Figur des eigenwilligen Detective Chief Inspector Luther wenig vertraut ist.
Luther hält nicht viel von Vorschriften und Regeln. Das trieb seine Vorgesetzten schon immer zur Verzweiflung. Jetzt aber bringt es den Polizisten ins Gefängnis. Statt die Spur eines Serienmörders weiterzuverfolgen, landet Luther wegen diverser Vergehen selber hinter Gittern.
Was Luther nicht weiss: Der Mann, der die Ermittlungen gegen ihn ins Laufen brachte, ist genau jener Serienmörder, auf dessen Spur Luther war und der ihn deshalb aus dem Weg räumt.
Diabolischer Plan: Morde im Livestream
Dieser David Robey (Andy Serkis) will seinen Erfolg auskosten und schickt Luther eine Nachricht ins Gefängnis. Die Provokation erweist sich als schlechte Idee. Luther bricht aus und heftet sich ihm an die Fersen.
Natürlich ist das nicht einfach für einen entflohenen Sträfling. Aber Luthers ehemaliger Chef, Martin Schenk (Dermot Crowley), überzeugt die Ermittlerin Odette Raine (Cynthia Erivo) davon, Luther vorerst freie Bahn zu lassen und ihn nicht gleich wieder wegzusperren.
Tatsächlich gelingt es Luther, Robey auf dem Piccadilly Circus in einer Menschenmenge aufzuspüren. Aber er entkommt und kann seinen diabolischen Plan weiterverfolgen, für ein ausgewähltes Publikum die Ermordung von mehreren Menschen, die er entführt hat, live im Internet zu streamen.
Atemberaubender Showdown
Die perverse Veranstaltung soll an einem abgelegenen Ort im tief verschneiten Estland stattfinden und wird zum Schauplatz des Showdowns zwischen Robey und Luther und Raine.
Dieser Showdown in den letzten 20 Minuten des Films ist spannend und im wahrsten Sinne des Wortes am Schluss auch atemberaubend. Aber gleichzeitig zeigt sich hier auch die grosse Schwäche des Films.
Überzogener Bösewicht und eine durchgepeitschte Story
Auch wenn Andy Serkis als Bösewicht durchaus überzeugt, ist seine Figur doch völlig überzogen. Ein Monster, das Leute erpresst und reihenweise in den Suizid treibt, ein halbes Dutzend Opfer gleichzeitig an Tatorten hinterlässt und am Schluss im See vor seinem estnischen Anwesen nochmal Dutzende, wenn nicht 100 Leichen unter dem Eis gebunkert hat – da ist definitiv die Fantasie mit dem Drehbuchschreiber durchgegangen.
Dafür, dass Robey unvorstellbar bestialisch ist, erhält er nur marginal Motivation und Hintergrund. Seine Figur ist sehr grob geschnitzt, es fehlt an Finesse. Generell wird die ganze Geschichte zu schnell durchgepeitscht.
Der Figur von Luther tut das keinen Abbruch, aber auch nur, weil – oder wenn – man ihn schon kennt. Dann kann man sich daran erfreuen, wenn ihm Schenk am Schluss seinen geliebten Tweedmantel überreicht mit der Bemerkung, dass die Blutflecken rausgegangen sind beim Waschen.
Der Grundstein für eine neue Filmreihe – ohne Martinis
Ja, Luther überlebt. Und nicht nur das. Luther muss nicht zurück ins Gefängnis. Ein «chief», Mann oder Frau, bittet ihn in der letzten Einstellung zum Gespräch in eine schwarze Limousine. MI5, eine geheime Polizeitruppe? Wir wissen es (noch) nicht.
Aber hier wird eindeutig der Grundstein gelegt für einen Fortsetzungsfilm. Könnte also sein, dass eine neue Filmreihe entsteht à la James Bond, wenn auch in einem anderen Milieu.
Wäre passend für Idris Elba, der immer wieder als Bond-Darsteller gehandelt wurde, aber seit Jahren solche Gerüchte dementiert. So wie er im jetzigen Film auch an der Bar den charakteristischen Bond-Drink, einen Martini, ablehnt und lieber ein Glas Wasser bestellt.
Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 6 Episoden à 45 Min.)
Eigentlich ist Lidia Poët (Matilda De Angelis) Anwältin. Eigentlich, denn sie hat zwar als erste Frau in Italien das Jus-Studium absolviert, aber dann wird sie aus der Anwaltskammer von Turin rausgeworfen.
Die Szene vor Gericht, als ihr Rauswurf verkündet wird, ist zum Schreien: wahlweise aus Empörung oder mit ungläubigem Gelächter. Fünf alte Richter geben der jungen Frau den Tarif durch.
Frauen sind biologisch nicht geeignet
Die Justiz würde an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn Frauen in ihren bizarren Kleidern vor Gericht aufträten. Und überhaupt: Für diesen Beruf seien Frauen rein biologisch nicht geeignet und würden von ihrer eigentlichen Aufgabe abgehalten – nämlich zu gebären.
Der Rauswurf ist tatsächlich passiert. Lidia Poët ist eine historische Figur. Allerdings ist die Netflix-Show keine Biografie, sondern vor allem eine Krimiserie, die in Kostümen und dem Dekor des ausklingenden 19. Jahrhunderts schwelgt. Mit wenigen Ausnahmen wie eben dem Berufsverbot sind die Ereignisse frei erfunden.
Spitze Bemerkungen gegen überholte Vorstellungen
Die Ereignisse, das sind dann die Kriminalfälle, die Lidia aufklärt, obwohl sie nicht vor Gericht auftreten kann. Sie tut das als Assistentin ihres Bruders Enrico (Pier Luigi Pasino), der ebenfalls Anwalt ist.
In jeder Episode löst sie einen Fall und stellt unter Beweis, dass das Problem nicht Frauen in bizarren Kleidern sind, sondern die selbstzufriedenen Machos, die trotz mangelnder Kompetenz in hohen Ämtern landen.
Die Mordfälle und deren Aufklärung sind ungewohnt gemächlich inszeniert. Eher vornehm und gediegen, passend zur Kleidung, die die Beteiligten tragen. Dennoch ist das unterhaltsam und vor allem auch witzig. Denn Lidia bringt immer wieder die eine oder andere spitze Bemerkung gegen überholte gesellschaftliche Vorstellung unter.
Die Emanzipationsgeschichte wird verschenkt
Von einer Emanzipationsgeschichte ist allerdings kaum etwas zu spüren. Lidias Bemühungen um ihre Zulassung begleiten uns zwar über alle Episoden hinweg. Aber dieser Erzählstrang wirkt sehr zweitrangig. So richtig als Kämpferin für Frauenrechte gibt sich Lidia nie. Im Gegenteil: Ihre beiden Liebhaber Andrea (Dario Aita) und Jacipo (Eduardo Scarpetta) scheinen ihr fast wichtiger.
Hier verschenkt sich die Serie eine interessantere Charakterisierung und fällt selber etwas in überholte Rollenklischees zurück. Trotz allem bietet «La Legge di Lidia Poët» vergnüglichen Seriengenuss und vor allem viel fürs Auge für Freund:innen von Kostümdramen.
Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 6 Episoden à 50 Min.)
Seit der Schweizer Krimiserie «Wilder» wissen wir, dass es in den Alpen keineswegs nur friedlich und harmonisch zu und hergeht. Die «Totenfrau» hievt das Ausmass an Gewalt und Mord vor der Kulisse der Tiroler Bergwelt aber auf ein neues Level.
Leichen pflastern die Alpen
«In drei Wochen hatten wir jetzt mehr Tote als in den letzten 20 Jahren», stellt ein Polizist im scheinbar friedlichen Dorf Bad Annenhof konsterniert fest. Und dabei weiss er nicht mal von allen, denn einige Leichen hat die Polizei noch gar nicht gefunden – und wird sie wohl auch nie.
Der erste Tote ist aber ein klarer Fall und liegt schon nach wenigen Minuten der ersten Episode auf der Strasse. Der Polizist Mark Thaler (Maximilian Kraus) verabschiedet sich noch liebevoll von seiner Frau (Anna Maria Mühe), steigt aufs Motorrad und kollidiert Sekunden später mit einem schwarze Range-Rover.
Ein schrecklicher Unfall mit Fahrerflucht, so sieht zuerst aus. Doch allmählich verdichten sich die Anzeichen, dass es ein Mord war. Marks Frau Blum, die sich nur mit ihrem Nachnamen ansprechen lässt, weil sie ihren Vornamen Brünhilde hasst, entdeckt auf dem Handy ihres Mannes Mitteilungen, die sie zu einer jungen Frau führen.
Die Handwerkskunst der Bestatterin zahlt sich aus
Dunja (Romina Küper) hat Schreckliches erlebt. Sie wurde mit zwei weiteren Frauen von vier Männern brutal gequält und misshandelt. Die anderen beiden sind tot, sie konnte fliehen. Mark hatte Dunja versteckt, da die Täter offenbar ziemlich mächtig sind und viel Einfluss haben.
Weil diese Männer wohl auch für Marks Tod verantwortlich sind, begibt sich Blum auf einen Rachefeldzug. Den ersten findet sie schnell. Edwin Schönborn (Shenja Lacher), Spross der einflussreichsten Familie des Orts.
Blum kidnappt ihn, um die Namen der anderen aus ihm herauszupressen. Dummerweise stirbt Edwin dabei. Da kommt Blum ihr Beruf sehr gelegen. Sie ist Bestatterin und hat deshalb keine Schwierigkeiten, die Leiche verschwinden zu lassen. Es wird nicht die letzte sein.
Mit dem Setting in den Bergen und dem Beruf der Protagonistin könnte man meinen, da habe sich jemand bei den beiden Schweizer Krimis «Wilder» und «Der Bestatter» bedient. Aber der Roman von Bernhard Aichner, auf dem die Serie beruht, ist schon vor den beiden Serien erschienen.
Es gibt auch sonst wenig Gemeinsamkeiten. Aichners «Totenfrau» ist schwerere Kost. Die Verbrechen sind grausamer, aber zum Glück nur andeutungsweise zu sehen. Die menschlichen Abgründe, die zu Tage treten, einiges tiefer. Das geht unter die Haut, vor allem dank der hervorragenden Anna Maria Mühe.
Ihr kauft man alles ab. Ihre Wut über den Tod ihres Mannes, ihr Hartnäckigkeit, mit der sie den Mördern nachstellt, ihre Kaltblütigkeit, wie sie die Leichen zerstückelt.
Ein bisschen konstruiert, aber dennoch sehr gelungen
Das macht ein wenig vergessen, dass anderes konstruiert wirkt und wenig originell. Die Famile der Schönborns etwa, die ihre Macht als Freipass verstehen, sich nur an ihre eigenen Regeln halten zu müssen. Oder der kauzige Bauer, der den Schönborns Paroli bot und dafür einen hohen Preis bezahlte.
Über allem ragen irgendwie die Berggipfel, zu denen sich eine Passstrasse hoch schlängelt, die man immer wieder sieht. Das soll vielleicht die verschlungenen Wege der menschlichen Seele symbolisieren, bleibt aber letztlich nur eine, wenn auch schöne, Kulisse.
Zu viel zu mäkeln, wäre aber ungerecht. Die «Totenfrau» ist ein gelungener Krimi mit einigen unerwarteten Wendungen. Spannend ist jetzt die Frage, ob die angedeutete Fortsetzung realisiert wird. In Buchform liegt sie schon vor: «Totenhaus» ist der zweite Teil von Aichners Trilogie über die Bestatterin Blum.
Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 8 Episoden à 50 Min.)
Eigentlich hatte ich nicht vor, mir «Wednesday» anzuschauen. Zu viel kommt da zusammen, was mich wenig interessiert. Ich bin bei allem Respekt kein grosser Fan von Tim Burton, der in vier Folgen Regie führte und quasi der geistige Vater der Serie ist. Seine Ästhetik ist mir zu gekünstelt und zugleich wenig originell.
Abstruse Dating-Rituale? Nein, danke
Mit der Addams Family konnte ich auch noch nie viel anfangen. Die bleichen Gesichter und das eiskalte Händchen sind zwar ganz amüsant. Aber wenn schon Grusel, dann lieber richtig Gänsehaut.
Zu guter Letzt halte ich US-amerikanische Teenie- und Highschoolserien für absolute Zeitverschwendung. Weniger oder zumindest nicht nur, weil ich zu alt dafür bin. Diese abstrusen Rituale, die da in der Schule und beim Daten zelebriert werden, entspringen einer Geisteshaltung, die ich höchst irritierend finde (wie erfrischend anders ist da «Sex Education»).
Viel sprach also gegen «Wednesday». Aber immer wieder waren begeisterte Wortmeldungen zu lesen, so dass ich mich fast genötigt sah, mindestens mal den Trailer anzuschauen. Und da ist’s passiert.
Wednesday Addams (Jenna Ortega) spaziert ins Schulschwimmbad und setzt Piranhas im Becken aus, in dem die Wasserballer trainieren, die ihren Bruder piesackten. Was für eine gloriose Perfidie. Das Sahnehäubchen dann ihr Kommentar, dass gewisse Menschen – konkret einer dieser All-American-Boys – sich besser nicht fortpflanzten. Diesen Humor mag ich 😜.
Es gibt zwar nicht mehr allzu viele Szenen, bei denen man mit so einem breiten Grinsen vor dem Schirm sitzt. Aber die misanthropische Wednesday lässt einen immer wieder Schmunzeln mit ihrem triefenden Sarkasmus.
Nach dem Piranha-Vorfall fliegt sie logischerweise von der Schule. Ihre Eltern (Catherine Zeta-Jones und Luis Guzmán) schicken sie deshalb auf die Nevermore Academy, die schon ihre Mutter besuchte. Auch Edgar Allen Poe firmiert unter den prominenten Absolvent:innen, wie die Website stolz verkündet.
Nevermore ist spezialisiert auf Schüler:innen mit aussergewöhnlichen Eigenschaften. Werwölfe, Sirenen und Vampire sind die neuen Klassenkamerad:innen von Wednesday. Obwohl sie jetzt mehr unter Ihresgleichen ist, legt sie ihre asoziale Grundhaltung nicht ab. Sie gibt allen zu verstehen, dass sie besser ohne zwischenmonstrigen Kontakt zurechtkommt.
Wednesday gedenkt auch nicht zu bleiben. Sie will gleich wieder abhauen. Das stellt sie aber erst mal hinten an, als ein Monster auftaucht, das einen ihrer Mitschüler tötet. Auf der Spur dieses Monsters, das sich als Hyde entpuppt, taucht Wednesday tief ein in ihre eigene Familiengeschichte.
Die sarkastische, tief pessimistische Grundhaltung der Hauptfigur macht Highschool-Elemente wie Prom oder Sportanlässe nicht nur erträglich, sondern sogar amüsant. Wenn Blut auf die Tanzfläche regnet oder Fairness beim Wettbewerb per Reglement ausgeschlossen ist, konterkariert das die gewohnten Schulgeschichten vorzüglich.
Selbst die BFF-Geschichte mit ihrer Zimmergenossin, die auch nicht fehlen darf, ist unterhaltsam und passend inszeniert. Die beiden trennen ihr Zimmer strikt in einen knallbunten und einen grauschwarzen, düsteren Teil.
«Wednesday» widerlegt meine Skepsis gegenüber Burton und den Addams als unbegründet. Die Serie beweist sogar, dass man den Highschool-Topos intelligent oder zumindest unterhaltsam gestalten kann.
Läuft bei: Amazon (1 Staffel, 6 Episoden à 60 Min.)
«The Devil’s Hour» macht so ziemlich alles richtig, um Spannung, Verwirrung, Schaudern und Gänsehaut zu erzeugen. Da ist zuerst die Besetzung: Jessica Raine (u.a. «Call the Midwife») und Peter Capaldi (u.a. der zwölfte Dr. Who) sind hervorragend. Sie, die rastlos nach Antworten sucht. Er, der diese Antworten kennt und das finstere Geheimnis, mit dem sie verbunden sind.
Alpträume zur Teufelsstunde
Dann der Aufbau: Mit der ersten Szene werden wir auf das Mysteriöse eingestimmt. Lucy Chambers (Jessica Raine) sitzt einem Mann gegenüber. Sein Gesicht sehen wir nie. Eindringlich redet er auf sie ein. Er scheint das Innerste seines Gegenübers bestens zu kennen. Ihre Sorgen, ihre Fragen, ihre Ängste, vor allem ihre Alpträume.
Jede Nacht um 3.33 Uhr – zur Teufelsstunde – wacht Lucy Chambers auf. Nicht 3.32 Uhr, nicht 3.34 Uhr – exakt um 3.33 Uhr schreckt Lucy aus einem ihrem Schlaf auf. Hat sie auch die Begegnung mit diesem Mann nur geträumt?
Lucy ist jetzt wach. Sie geht in die Küche. Tee machen oder doch lieber ein Schluck Whisky? Die Frage erübrigt sich. Die Tasse zerschellt am Boden. Ihr Sohn Isaac (Benjamin Chivers) steht plötzlich in der Tür und jagt ihr den nächsten Schrecken ein.
Isaac ist ähnlich unheimlich wie Lucys Alpträume. Der Junge redet kaum ein Wort, zeigt keinerlei Emotionen und redet mit Menschen, die nur er sieht. Natürlich würde Lucy ihren Sohn nie als unheimlich bezeichnen. Aber den Zuschauenden jagt er Schaudern über den Rücken.
Klar, dass der Mann am Anfang, die Alpträume und Isaac irgendwie zusammenhängen. «The Devil’s Hour» ist schliesslich ein Mystery-Krimi. Diese Zusammenhänge enthüllt die Serie geschickt Schritt für Schritt und gibt noch ein paar Mordfälle plus die zwei ermittelnden Polizisten in den Mix.
Schon bald zeigt sich: Ein Teil von Lucys Alpträumen sind Ereignisse aus der Zukunft. Oder um die Sache zu komplizieren: aus einer Zukunft. So kommt sie dem Mörder auf die Spur, hinter dem DI Dhillon (Nikesh Patel) und DS Holness (Alex Ferns) her sind.
Am Schluss führt das zum Anfang zurück. Die Szene – so stellt sich heraus – im Verhörraum. Ob und wer Morde begangen hat, ist dabei aber fast nur Nebensache. Es geht darum: Wer ist Lucy Chambers? Ist sie wirklich die Sozialarbeiterin mit einem gestörten Sohn?
So eindringlich das Gespräch zwischen Gideon (Peter Capaldi) und Lucy ist, die Erklärung, mit welchem Mysterium sie und er konfrontiert sind, strapaziert die Nachvollziehbarkeit ziemlich. Wie immer, wenn es um Phänomene geht, die grob gesagt etwas mit dem Zeitkontinuum zu tun haben.
Dem Gesamteindruck von der Serie schadet das aber wenig. «The Devil’s Hour» ist ein sehr gut gemachter Mystery-Krimi und bereitet den Boden gut vor für weitere Staffeln.
Mindestens zwei werden es sein, denn die hat Amazon schon bestellt. In den letzten Einstellungen der Serie zeichnet sich ab, wie es weitergehen wird. Dieser Auftritt von Lucy Chambers in einer ganz anderen Rolle sieht vielversprechend aus.