Citadel (Staffel 1) – Durchgeknallter B-Serienthriller, der Spass macht

Serienposter mit Schriftzug. Ein Mann und eine Frau im roten Kleid stehen Rücken an Rücken mit gezückten Pistolen.
3 von 5 Sternen

Läuft bei: Prime Video (1 Staffel, 6 Episoden à 45 Min.)

Eines darf man von «Citadel» nicht erwarten: einen raffinierten Thriller mit ausgeklügelten Figuren und pfiffigen Dialogen. Auch wenn die Russo Brothers als Produzenten fungieren, die mit «Community» zumindest in Sachen Figuren und Dialogen Witz und Raffinesse bewiesen haben.

Ein Drehbuch mit der Kettensäge gezimmert

In «Citadel» stellen sie eine andere Fähigkeit unter Beweis, die sie als Regisseure von Marvel-Filmen gezeigt haben: Sie können Action. Davon hat die Serie reichlich. Bei der Story hat allerdings kein Feinmechaniker gewirkt, sondern eher ein Ungelernter mit der Kettensäge die Hand angelegt.

Aber wenn man sich darauf einstellt und die grauenvollen Plots einfach grinsend zur Kenntnis nimmt – dann kann man der Serie sogar einen gewissen Unterhaltungswert abgewinnen.

Zentral gesteuerte Gedächtnisauslöschung

Am Anfang steht der Untergang. Die Spionageorganisation Citadel, die unabhängig von Nationalstaaten für das Wohl der Menschheit mordet, wird ausgelöscht. Auch die Citadel-Agenten Mason Kane (Richard Madden) und Nadia Sinh (Priyanka Chopra Jonas) geraten in einen Hinterhalt.

Eine Frau in rotem Kleid sitzt im Speisewagen eines Zugs mit gezückter Waffe.
Der letzte Einsatz für Nadia Sinh (Priyanka Chopra Jonas) bevor Citadel zerstört wird. © Amazon Studios

Im Gegensatz zu ihren vielen Kolleg:innen überleben die beiden aber die konzertierte Aktion des Schurkenvereins Manticore, ein weltweiter Zusammenschluss von reichen und mächtigen Unternehmerfamilien. Allerdings verlieren Kane und Sinh ihr Gedächtnis. Das wird zentral vom Hauptquartier aus gelöscht, um die letzten Geheimnisse von Citadel zu bewahren.

Acht Jahre später: Mason Kane lebt unter anderem Namen ein friedliches Leben mit Frau und Tochter ohne Erinnerung an seine Agentenvergangenheit. Bernard Orlick (Stanley Tucci), einer der letzten Citadel-Agenten, reaktiviert Kane. Er braucht Hilfe im Kampf gegen Manticore.

Zwei Männer vor einem durchsichtigen Bildschirm.
Bernard Orlick (Stanley Tucci) eröffnet Mason Kane (Richard Madden), dass er ein Citadel-Agent war. © Amazon Studios
Agenten- und Liebespaar

Der Versuch, Kanes Gedächtnis wiederherzustellen, läuft allerdings schief. Die einzige Ampulle mit dem Serum wird zerstört (wirklich die einzige 😉?). Anders bei Nadia Sinh, die Kane zwischenzeitlich aufgespürt hat. Sie bekommt ihre Erinnerungen zurück.

Deshalb weiss sie, dass Kane und sie zu Zeiten ihrer Agententätigkeit eine intensive und komplizierte Beziehung hatten. Davon erzählt sie Kane selbstverständlich nichts. Aber wir sehen das Paar in Rückblenden in Paris, der Stadt der Liebe 🥰. Und wie sie sich bei der Arbeit in die Haare geraten.

Eine Frau und ein Mann in Kampfanzügen vor einem verschmutzten Offroader.
Wer sich so in die Augen schaut, hat nicht nur beruflich miteinander zu tun. © Amazon Studios
Haarsträubende Plottwists

Die Gegenspielerin von Citadel ist Dahlia Archer (Lesley Manville), eigentlich britische Botschafterin in den USA. Aber das nur als Nebenbeschäftigung. Hauptsächlich verwendet sie ihre Zeit darauf, für Manticore die letzten Reste von Citadel zu beseitigen.

Mit ihrer Figur wie auch mit Kanes neuer Frau Abby (Ashleigh Cummings) hat es etwas Besonderes auf sich. Da gibt es Verbindungen in der Vergangenheit. Wenn das enthüllt wird, schüttelt man ungläubig den Kopf und verlegt sich dann wieder aufs Weggrinsen dieser haarsträubenden Plottwists.

Eine Frau sitzt auf einem Sofa. Auf dem Tisch ein edles Teeservice.
Dahlia Archer (Lesley Manville) ist zwar Botschafterin, gibt aber nicht viel auf Diplomatie, sondern greift lieber zu handfesteren Methoden. © Amazon Studios
James Bond trifft Mr. & Mrs. Smith

Aber eben: Es passiert was in den gut vier Stunden Laufzeit der Serie. Viel Geballer und Nahkampfakrobatik, ab und zu ein bisschen Folter, Fallschirmspinger- und andere Action und ein paar gestelzte Liebesdialoge, die einen doch etwas zweifeln lassen an Richard Maddens schauspielerischen Qualitäten.

Hochstehende Unterhaltung bietet «Citadel» definitiv nicht. Aber es flimmert auch viel Öderes über die Bildschirme als diese Mischung aus James Bond und «Mr. & Mrs. Smith».

Wie viele Sterne gibst du «Citadel» (Staffel 1)?
0 Stimmen

Besetzung: Richard Madden | Priyanka Chopra Jonas | Ashleigh Cummings | Roland Møller | Osy Ikhile | Lesley Manville | Stanley Tucci | Moira Kelly
Serie entwickelt von: Josh Appelbaum | Bryan Oh | David Weil
Genre: Action | Thriller
USA, 2023

Star Trek: Picard (Staffel 3) – Das letzte Abenteuer der «Next Generation»

Serienposter mit Schriftzug. Die Hauptfiguren der Serie in Porträts. Picard darüber grösser. Im Hintergrund ein Raumschiff.
4 von 5 Sternen

Läuft bei: Prime Video / Paramount+ (3 Staffeln, 30 Episoden à 50 Min.)

Star Trek: Picard (Staffel 2) – Jean-Luc auf Zeitreise (ins Ich)

In der dritten und finalen Staffel findet «Star Trek: Picard» endlich seine Bestimmung. Sie wird zur gelungenen Nostalgieveranstaltung für die Fans von «Star Trek: Next Generation» (TNG).

Die beiden ersten Staffeln von Picard waren zwar unterhaltsam. Aber wirklich überzeugend darzulegen vermochten sie nicht, weshalb man Admiral Picard 20 Jahre nach seinem Austritt aus der Sternenflotte aus dem Ruhestand holt.

Auf zum letzten Familientreffen

Vielleicht war das auch die Erkenntnis des Studios. Mit dem mittlerweile über 90-jährigen Picard (in der Storytimeline, Darsteller Patrick Stewart ist aber auch schon 82) liess sich keine langfristige Serie aufbauen. «Star Trek: Picard» kam bei den alten TNG-Fans gut an. Aber gleichzeitig eine neue, jüngere Fangemeinde aufzubauen, funktionierte wohl weniger.

Die alte TNG-Crew ergänzt um drei Neulinge auf der Kommandobrücke eines Raumschiffs.
Die ganze TNG-Crew versammelt sich für die letzte Staffel. Ergänzt um Seven of Nine (Jeri Ryan) und Raffi Musiker (Michelle Hurd), die schon in den ersten beiden Picard-Staffeln zu sehen waren. Neu dabei Jack Crusher (Ed Speelers), der sich als Picards Sohn entpuppt. © Paramount+

Weshalb es Sinn macht, die Serie abzuschliessen mit einem Finale, in dem das gesamte Brückenpersonal der Enterprise D sich zu einem letzten grossen Abenteuer zusammenfindet. Das beschert den TNG-Fans einen emotionalen und befriedigenden Abschied.

Picard und Riker auf Rettungsmission

Es geht dieses Mal um nichts Geringeres, als die gesamte Sternenflotte und die Föderation der Planeten vor dem Untergang zu retten. Jean-Luc Picard erhält einen Notruf von Beverly Crusher (Gates McFadden), der ehemaligen Schiffsärztin der Enterprise.

Eine Frau und ein junger Mann vor einer Türe auf einem Raumschiff.
Beverly Crusher (Gates McFadden) verschwieg Picard jahrzehntelang, dass er einen Sohn hat. © Paramount+

Gemeinsam mit William Riker (Jonathan Frakes, der auch wieder bei ein paar Episoden Regie führte) macht sich Picard auf. Sie retten Crusher und deren Sohn Jack, nachdem sie die USS Titan unter falschem Vorwand zu einer Kursänderung veranlasst haben.

Die Titan wird von einem anderen Schiff angegriffen. Die Shrike unter dem Kommando von Captain Vadic verlangt die Auslieferung von Jack Crusher. Da sich mittlerweile herausgestellt hat, dass Jack Picards Sohn ist, weigert sich der Admiral.

Changelings wollen Rache

Mit Mühe und Not entkommt die Titan. Damit ist das Abenteuer aber noch nicht vorbei. Picard hat entdeckt, dass Changelings die ganze Starfleet unterwandert haben und anlässlich einer grossen Feier, bei der die ganze Flotte zusammentrifft, die Starfleet und damit auch die Föderation zerstören wollen.

Eine Frau in schwarzer Kleidung umgeben von düsteren schwarzen Figuren mit ausserirdischen Gesichtszügen.
Fiese Bösewichtin: Die Changeling Vadic mit ihrer unfreundlichen Besatzung will Jack Crusher entführen. © Paramount+

Um das zu verhindern, braucht Picard die Hilfe seiner ehemaligen TNG-Crew. Neben Riker und Crusher stossen der Klingone Worf (Michael Dorn), Rikers Ehefrau Deanna Troi (Marina Sirtis), Geordi La Forge (LeVar Burton) und Data (Brent Spiner) dazu.

Man kann sich ausmalen, wie das ausgehen wird. Es dürfte aber wenig überraschen, dass das Ende der Starfleet und der Föderation noch nicht gekommen ist. Natürlich sind viele Hindernisse zu überwinden mit der Rettung in letzter Sekunde.

Ein würdiges Ende – und ein Neuanfang?

Aber weil die Staffel auch so was ist wie ein Familientreffen, wird oft und gerne über die Familie sinniert. Über die richtige Familie, die Picard so unerwartet gefunden hat. Und über die Sternenflotte, die immer wieder als Familie angeführt wird. Egal, feiern können am Ende alle.

Eine junge Frau und ein junger Mann vor einer Anzeigetafel. Sie tragen das Abzeichen der Sternenflotte.
Family-Business: An Bord der USS Titan ist nicht nur Picards Sohn Jack, sondern auch die Pilotin Sidney La Forge, Tochter von Gordi La Forge. © Paramount+

Die Geschichte der TNG-Crew findet damit einen gelungenen und würdigen Abschluss. Allerdings lässt eine der allerletzten Szenen eine Hintertür offen für weitere Star Trek Abenteuer mit anderen Hauptfiguren. Ich bin aber skeptisch, ob das angetönte Spin-Off wirklich auf grosses Interesse stossen würde.

Wie viele Sterne gibst du «Star Trek: Picard» (Staffel 3)?
0 Stimmen

Besetzung: Patrick Stewart | Michelle Hurd | Jeri Ryan | Brent Spiner | Jonathan Frakes | Ed Speleers | Gates McFadden | Todd Stashwick | Ashlei Sharpe Chestnut | Joseph Lee | Michael Dorn | Marina Sirtis | Amanda Plummer | LeVar Burton | Orla Brady
Serie entwickelt von: Kirsten Beyer | Michael Chabon | Akiva Goldsman
Genre: Science-Fiction | Abenteuer
USA, 2023

Daisy Jones & The Six (Mini-Serie) – Glamouröse Rockgeschichte, aber die Musik enttäuscht

Serienposter mit Schriftzug. Ein Mann und eine Frau umringt von Fans, die Platten und Poster hochhalten. Im Hintergrund ein Privatjet und Palmen.
4 von 5 Sternen

Läuft bei: Amazon (Mini-Serie, 10 Episoden à 45 Min.)

Die Welt der Rockmusik in den 1970er-Jahren mit viel Glamour und noch mehr Drogen, als harte Riffs von Gitarren in der Musik den Ton angaben. Die Bands schwitzten auf der Bühne wie Schwerstarbeiter:innen und die Charts waren ein Gradmesser für Können und Erfolg. Nostalgie pur (für meine Generation).

Songs, die es kaum in die Top Ten geschafft hätten

Vieles davon ist in «Daisy Jones & The Six» zu sehen und bringt das Lebensgefühl – den Groove 😉– der Musikwelt in den 70ern gut rüber. Aber es ist eine Geschichte, wie sie schon oft zu sehen war: der kometenhafte Aufstieg von Musiker:innen und ihr tiefer Fall.

Bedauerlich vor allem, dass der Soundtrack nicht wirklich mitreisst. Ich behaupte, damit hätte es eine Band damals nicht in die Top Ten geschafft.

Die sechs Musiker:innen lachend auf der Bühne vor dem Bandlogo. Jubelnde Fans strecken ihre Hände entgegen.
Eine Band, die nur kurz den grossen Erfolg geniessen konnte. © Amazon Studios

Auch die Originalsongs aus der Zeit, die die Serie verwendet, werden lieblos in 15-Sekunden-Schnipseln ziemlich beliebig eingestreut. Das alles schmälert das musikalische Vergnügen, das ebenso zentral sein müsste wie die Story.

Das grosse Drama beginnt im Kleinen

Was «Daisy Jones & The Six» dafür bietet, ist grosses Drama. Es beginnt zwar alles im Kleinen. Zwei Brüder, Billy (Sam Claflin) und Graham Dunne (Will Harrison) gründen in Pittsburgh eine Band, um den Stahlhütten der Stadt zu entgehen. Sie spielen auf Hochzeiten, Schulfesten und in Bars, bis sie den Sprung nach Kalifornien wagen.

In Los Angeles lebt Daisy Jones (Riley Keough), die von einer Karriere als Singer/Songwriter träumt. Sie heisst eigentlich Margaret. Weil sie aber ihre Eltern, insbesondere ihre Mutter, hasst, legt sie sich einen neuen Namen zu.

Rückblick in dokumentarischen Interviews

Die Wege von Daisy und der Band aus Pittsburgh werden sich kreuzen. Als «Daisy Jones & The Six» werden sie mit ihrem Album «Aurora»zu Superstars, die 1977 auf dem Höhepunkt des Erfolgs in Chicago vor 50’000 Fans spielen. Es wird ihr letztes Konzert.

Zwei Frauen und ein Mann sitzen am Boden vor Lautsprechern und einem Schlagzeug. Er in der Mitte, die eine Frau liegt auf seinem Schoss, die andere hat ihren Arm auf seine Schultern gelegt.
Ein Grund für den Absturz: die komplizierte Dreiecksbeziehung zwischen Camila (Camila Morrone), Billy (Sam Claflin) und Daisy (Riley Keough). © Amazon Studios

Vom Ende erfahren wir gleich am Anfang. Die Geschichte ist als dokumentarischer Rückblick aufgebaut. 20 Jahre später erzählen Daisy und die Mitglieder der Band «The Six» in separaten Interviews, wie die Band aufstieg und über Nacht auseinanderbrach.

Für den Erfolg sind zwei Faktoren verantwortlich. Zum einen der Produzent Teddy Price (Tom Wright), der Daisy mit der Band zusammenbringt. Zum andern die Chemie zwischen Daisy und Billy, die sich gegenseitig zu musikalischen Höchstleistungen antreiben.

Zwei Männer stehen vor Bühnenausrüstung.
Tourmanager Rod (Timothy Olyphant) und Produzent Teddy (Tom Wright) tragen erheblich zum Erfolg der Band bei. © Amazon Studios
Die Funken sprühen zwischen Daisy und Billy

Das verläuft zu Beginn alles andere als harmonisch. Billy hat einen Song geschrieben, den die Plattenfirma nicht will. Teddy gibt ihn Daisy, um ihn zu einem Duett umzuschreiben. Als Daisy mit ihrer Version im Studio auftaucht, wird Billy fuchsteufelswild. Aber der Song «Look at Us Now (Honeycomb)» wird zum Hit (und ist auch der beste Song, den wir von der Band zu hören bekommen).

Der Song wird zum Erfolg, weil zwischen Daisy und Billy nicht nur musikalisch die Funken sprühen. Aber diese Beziehung, die durch die beiden Fleetwood Mac-Stars Stevie Nicks und Lindsey Buckingham inspiriert sein soll, ist nicht nur kompliziert, sondern zerstörerisch.

Ein Mann mit Gitarre auf der Bühne, eine Frau neben ihm. Sie singen, die Köpfe nah zueinander gesteckt.
Wenn Daisy und Billy auf der Bühne stehen, spürt man das Knistern in ihrer Beziehung. © Amazon Studios

Da begegnen sich zwei, die zusammen viel mehr sind, als nur zwei Hälften. Es sind aber auch zwei kaputte Figuren aus einem gestörten Elternhaus, selbstsüchtig und mit massiven Drogenproblemen.

Die Band spielt nicht nur zweite Geige

Wobei Billy seine Sucht bekämpft. Er hat einen Entzug hinter sich, als Daisy zur Band stösst. Dann ist da noch das Problem, dass Billy mit Camila (Camila Morrone) verheiratet ist und eine kleine Tochter hat.

Ein Mann und eine Frau stehen in einem Wohnzimmer, das weihnachtlich dekoriert ist.
Graham (Will Harrison) und Karen (Suki Waterhouse) verheimlichen ihre Beziehung lange vor der Band. © Amazon Studios

Nicht nur diese Dreiecksbeziehung von Daisy, Billy und Camila liefert intensives Drama. Graham und Keyboarderin Karen (Suki Waterhouse) sind heimlich ein Paar, das sich einer schwierigen Entscheidung stellen muss. Bassist Eddie (Josh Whitehouse) ist in Camila verliebt und fühlt sich nicht nur deshalb dauernd in die zweite Reihe verbannt.

Einzig Schlagzeuger Warren (Sebstian Chacon) scheint die ganze Zeit zufrieden. Er erinnert an Ringo Starr, der selbst im grössten Beatles-Trubel unbekümmert seine Beats trommelte, wie vor kurzem im Dokumentarfilm «The Beatles: Get Back» zu sehen war. Dass Warren am Schluss eine Schauspielerin heiratet, ist ein weiterer Wink in diese Richtung.

Ein Mann mit krausem Haar, der lacht. Daneben ein zweiter Mann mit einem Getränk in der Hand und dunkler Sonnenbrille.
Schlagzeuger Warren (Sebastian Chacon) und Bassist Eddie (Josh Whitehouse) stehen weniger im Zentrum, aber geben der Story einen weiteren Farbtupfer. © Amazon Studios
Der Kniff am Schluss, den man lieben oder hassen wird

Obwohl wie gesagt der Handlungsbogen vertraut ist und etwas zu breit ausgewalzt wird, schafft es «Daisy Jones & The Six», dass man für die Figuren Empathie entwickelt.

Dann ist da noch dieser Kniff in der letzten Episode, der wahrscheinlich nicht bei jedem:r gleich wirkt. Entweder wischt man ihn als billiges Pathos beiseite oder man wird zu Tränen gerührt sein. Emotionen weckt dieser Storytwist auf jeden Fall.

Wie viele Sterne gibst du «Daisy Jones & The Six»?
9 Stimmen

Besetzung: Riley Keough | Sam Claflin | Camila Morrone | Suki Waterhouse | Will Harrison | Josh Whitehouse | Sebastian Chagon | Nabiyah Be | Tom Wright | Timothy Olyphant | Gavin Drea
Serie entwickelt von: Scott Neustadter | Michael H. Weber
Genre: Musik | Drama
USA, 2023

Night Sky (Staffel 1) – Liebe, Tod, Trauer und ein fremder Planet

Serienposter mit Schriftzug. Eine Frau und ein Mann (Spacek und Simmons) im Halbkörperprofil. In der Bildmitte: Eine dunkle Landschaft. Aus einer Hütte strahlt Licht. Zwei Menschen gehen darauf zu. Am Sternenhimmel rote Wolken.
3 von 5 Sternen

Läuft bei: Amazon (1 Staffel, 8 Episoden à 50 Min.)

Es gibt zwei gute Gründe, sich «Night Sky» anzuschauen: Sissy Spacek und J.K. Simmons. Beide mit einem Oscar ausgezeichnet und seit Jahrzehnten bekannte Namen im Showbusiness.

Dass man auf diese beiden Namen etwas geben kann, beweisen sie in der Serie. Ihre Präsenz macht die Stärke aus von «Night Sky». Sie spielen ein alterndes Ehepaar, das sich immer mehr damit auseinandersetzen muss, dass ihre Zweisamkeit bald zu Ende geht.

Das Geheimnis unter dem Gartenhaus

Irene ist gebrechlich. Nach einem Sturz muss Franklin sie im Rollstuhl rumfahren. Er ist noch gut zu Fuss, aber ziemlich vergesslich. Sie hatten wohl ein gutes Leben, wenn auch nicht ohne Tragödien. Die schlimmste: Ihr Sohn hat sich in jungen Jahren das Leben genommen.

Ein Mann und eine Frau stehen in der Küche eines Hauses.
Franklin (J.K. Simmons) und Irene (Sissy Spacek) sind sich auch nach Jahrzehnten noch immer tief verbunden. © Amazon Studios

Dann ist da noch etwas ganz anderes. Irene und Franklin hüten ein Geheimnis. Unter ihrem Gartenhaus verbirgt sich ein Portal, das zu einer anderen Welt führt. Sie haben es kurz nach dem Tod ihres Sohnes entdeckt und seither über 800-mal diesen fremden Planeten besucht.

Ein Zimmer mit Blick auf einen fremden Planeten

Viel zu erleben gibt es da allerdings nicht. Sie sitzen in einem Zimmer und blicken aus dem Fenster auf eine felsige Landschaft. Es gäbe zwar eine Tür, die auf die Oberfläche des Planeten führt. Aber sie haben sie nie benutzt, es scheint ihnen zu gefährlich.

Irene liebt diese Ausflüge. Sie ist überzeugt, dass sich ihnen irgendwann offenbart, was es mit diesem Planeten auf sich hat. Franklin dagegen geht nur noch ihretwegen mit. Für ihn hat das Portal jeden Reiz verloren.

Als sich Irenes Krankheit verschlechtert, entschliesst sie sich, ein letztes Mal den Planeten zu besuchen. Sie schreibt Franklin einen Abschiedsbrief und geht alleine zum Portal.

Eine Frau und ein Mann stehen in einem kuppelartigen Raum in dem zwei Sessel stehen. Ein ovales Fenster gibt den Blick frei auf einen fremden Planeten.
Ihr grosses Geheimnis: Ein Zimmer mit Blick auf einen fremden Planeten. © Amazon Studios
Die Serie wird zum Thriller – leider

Es hätte eine Geschichte werden können, wie das Leben dieser beiden liebenswürdigen, etwas kauzigen Alten noch einmal eine ganz andere Wendung nimmt. Stattdessen wird «Night Sky» zum Thriller, in dem es um eine Art Kult geht, der Abtrünnige erbarmungslos jagt.

Jude (Chai Hansen) ist ein Abtrünniger, was wir aber erst viel später erfahren. Irene findet ihn bei ihrem Besuch im Portal blutverschmiert am Boden liegend. Sie bricht ihr ursprüngliches Vorhaben ab, lässt den Abschiedsbrief verschwinden und bringt Jude zurück ins Haus.

Ein junger Mann sitzt auf einem Sofa und hält ein Buch in den Händen.
Aus dem nichts taucht Jude (Chai Hansen) auf. Er ist vor einem Kult geflohen und sucht seinen Vater. © Amazon Studios

Franklin ist über den Gast überhaupt nicht begeistert. Er misstraut dem jungen Mann und befürchtet, dass er Irene nur ausnützt und sie enttäuschen wird.

Die Wächterin des Portals

Jetzt wird eine zweite Handlungsebene eingeführt. Irgendwo in Südamerika leben Stella (Julieta Zylberberg) und ihre Tochter Toni (Rocío Hernández). Stella ist die Wächterin eines anderen Portals, was sie bislang ihrer Tochter verschwiegen hat.

Sie bekommt von einem Mitglied dieses ominösen Kults, das irgendwie mit den Portalen zu tun hat, den Auftrag, einen Abtrünnigen zu finden. Jetzt weiht sie ihre Tochter in das Geheimnis des Portals ein und nimmt sie mit auf die Suche nach dem Abtrünnigen.

Eine junge Frau und ihre Mutter stehen in einer Stahlkonstruktion - ein Portal.
Toni (Rocío Hernández) wird von ihrer Mutter (Julieta Zylberberg) in das Familiengeheimnis eingeweiht. Sie sind Hüterinnen eines Portals. © Amazon Studios
Wo die Serie an Kraft verliert

Erst ganz am Schluss kommen diese Handlungsebenen zusammen. Dass sich die Serie Zeit lässt, ist weniger das Problem. Das gemächliche Erzähltempo nimmt man in Kauf, ja geniesst es sogar, solange Irene und Franklin im Fokus stehen.

Sobald es aber um Jude, seine Geschichte oder diesen ominösen Kult geht, verliert die Serie an Kraft. Das liegt sicher an den Schauspieler:innen. Neben Spacek und Simmons hat so manche:r einen schweren Stand.

Es liegt auch daran, dass das Mysterium dieser Portale vielleicht ein bisschen Neugier weckt. Aber die wirklich emotionale Geschichte, die einen berührt und packt, ist die Gefühlswelt von Irene und Franklin. Fremde Planeten und Portalanbeter:innen braucht es da eigentlich nicht mehr.

Eine junge Frau steht mit verschränkten Armen vor dem Eingang zu einem Haus.
Denise (Kiah McKirnan) ist die Enkelin von Irene und Franklin. Sie ist besorgt und fragt sich, ob ihre Grosseltern noch ohne Hilfe auskommen können. © Amazon Studios
Ein Cliffhanger, der nie aufgelöst wird

Aber leider ist das nicht der Weg, den «Night Sky» einschlägt. Der Cliffhanger am Schluss spielt einerseits ausserhalb des Zimmers auf dem Planeten und führt eine neue Gruppierung ein, die offenbar im Zwist mit dem Kult steht.

Wohin das führt, werden wir allerdings nicht erfahren. Die Serie wurde von Amazon nach der ersten Staffel abgesetzt. Das ist vielleicht gut so, wenn sich die Geschichte immer weiter von Irene und Franklin entfernt hätte. So bleibt einem von «Night Sky» zumindest der starke Auftritt von Sissy Spacek und J.K. Simmons in Erinnerung.

Wie viele Sterne gibst du «Night Sky» (Staffel 1)?
0 Stimmen

Besetzung: Sissy Spacek | J.K. Simmons | Chai Hansen | Kiah McKirnan | Adam Bartley | Julieta Zylberberg | Rocío Hernández | Sonya Walger
Serie entwickelt von: Holden Miller
Genre: Drama | Mystery | Science-Fiction
USA, 2022

The Boys (Staffel 3) – Homelander dreht und startet völlig durch

Serienposter mit Schriftzug. Im Schriftzug sind die Gesichter von vier Hauptfiguren zu sehen, tw. mit verzerrten Gesichtern.
3 von 5 Sternen

Läuft bei: Amazon (3 Staffeln, 24 Episoden à 60 Min.)

=> The Boys (Staffel 2) – Die Rückkehr der korrupten Superhelden

Die zweite Staffel fühlte sich ja eher an wie eine etwas uninspirierte Fortsetzung einer guten Idee, die aber schon ziemlich ausgelutscht ist. In Staffel 3 erfindet sich «The Boys» jetzt nicht vollständig neu. Aber immerhin findet die Serie einen Dreh, der sie wieder interessanter macht.

«Tötet Homelander» lautete das Motto von Butcher (Karl Urban) und seinen Kumpan:innen zwar schon seit jeher. Aber jetzt wird es wirklich langsam höchste Zeit dafür.

Zwei Männer stehen vor einer Hauswand. Einer zieht eine grüne Flüssigkeit in eine Spritze ein. Der andere schaut kritisch zu.
Butcher (Karl Urban) besorgt sich das Mittel, das aus ihm einen temporären Superhelden macht. Hughie (Jack Quaid) findet das zu Beginn keine gute Idee. © Amazon Studios
Homelander wird zum Trump mit Superkräften

Denn der dauerdämlichgrinsende Anführer der Superheld:innen-Truppe gerät ausser Rand und Band. Auslöser ist, als Homelander merkt, dass er sich gar nicht verstellen muss vor seinen Anhänger:innen. Die erwarten gar nicht, dass er «gut» ist. Sie wollen einen Helden, der aufräumt mit allem Unamerikanischen. Dafür muss er sich nicht an komische Moralvorstellungen halten.

Es sagt’s zwar niemand explizit, aber es schreit einem überall entgegen: Make America great again! Das passt zu Homelander, der wie Trump ein gestörter Narzisst ist. Und wie der Orangeköpfige aus Florida beginnt er von den Lügen der Mainstreammedien zu schwafeln, um seine Wahrheiten zu verbreiten, die tatsächlich Lügen sind.

Ein Mann und eine Frau in Superheldenkostümen sitzen in einem Fernsehstudio. Sie halten sich die Hände und schauen sich lächelnd an.
Starlight (Erin Moriarty) muss gute Miene zum bösen Spiel machen, das Homelander (Antony Starr) treibt. © Amazon Studios
Starlights kurzer Auftritt als Co-Chefin

Schliesslich gelingt es Homelander sogar, den Mann auszubooten, der ihn noch einigermassen im Griff hatte. Stan Edgar (Giancarlo Esposito) muss seinen Platz an der Spitze des Vought-Konzerns an Homelander abtreten.

Darunter leidet vor allem Starlight (Erin Moriarty), die kurz zuvor zur Co-Chefin der Superheldenriege berufen worden war, aber jetzt wieder völlig unter Homelanders Knute steht. Umso dringlicher wird es für ihren Freund Hughie (Jack Quaid) und Butcher endlich einen Weg zu finden, wie man Homelander beseitigen kann.

Ein Mann in Superheldenkostüm, er hält einen metallenen Schild.
Hughie (l.) und Butcher treiben einen Superhelden (Jensen Ackles) auf, der Homelander das Wasser reicht und ihn erledigen soll. © Amazon Studios
Staffel 4 und Deckel drauf?

Dieser Weg ist wie üblich bei «The Boys» gepflastert mit aufgeschlitzten Gehirnen, explodierten Unterleibern und anderen grauslichen Bildern und der einen oder anderen zusätzlichen Spitze gegen eine dysfunktionale Gesellschaft.

Das alles hat überraschender Weise mehr Spass gemacht, als zu erwarten war. Dennoch: Viel länger lässt sich die durchaus witzige Grundidee nicht mehr auswalzen. Die angekündigte vierte Staffel sollte also den Deckel drauf setzen und abschliessen. Doch ist der Publikumserfolg laut Amazon so gross, dass das nicht garantiert scheint.

Wie viele Sterne gibst du «The Boys» (Staffel 3)?
1 Stimme

Besetzung: Karl Urban | Jack Quaid | Antony Starr | Erin Moriarty | Laz Alonso | Tomer Capone | Karen Fukuhara | Claudia Doumit | Chace Crawford
Serie entwickelt von: Eric Kripke
Genre: Superhelden | Action
USA, 2022

The English (Mini-Serie) – Ein Western-Juwel räumt mit dem amerikanischen Ur-Mythos auf

Serienposter mit Schriftzug. Eine Frau mit Hut hält einen Pfeilbogen in der Hand. Hinter ihr das Profilbild eines Mannes. Beide verdecken die weisslich leuchtende Sonne.

Läuft bei: Sky Show / Amazon US (Mini-Serie, 6 Episoden à 50 Min.)

Der Western sollte doch langsam vom Aussterben bedroht sein. Ein Genre, das in seiner DNA den starken Weissen Mann abfeiert, Frauen ignoriert, Selbstjustiz und die Unterjochung der indigenen Bevölkerung glorifiziert, das sollte heute so was von aus der Zeit gefallen sein.

Denkste. Westernserien erleben so was wie ein Revival. Paramounts «Yellowstone» mit Kevin Costner ist ein grosser Hit, läuft seit 2018 und hat bereits zwei Ableger: «1883» (mit Sam Elliott und den Country-Stars Tim McGraw und Faith Hill) und «1923» (mit Harrison Ford und Helen Mirren). Ein viertes Spin-Off ist angekündigt.

Ein Brite zeigt, wie moderner Western wirklich geht

Klar, neue Westernserien sind meist mit der Zeit gegangen. Sie verherrlichen nicht mehr hemmungslos die Besiedelung des Westens. Oft schwingt die Verehrung dieses ur-amerikanischen Mythos aber noch mit.

Ein Gebäude aus Holz angeschrieben als Hotel steht einsam in der Prärie. Davor eine Kutsche und ein paar Menschen.
Faszinierende Bildwelt: So ein Hotel hat man noch kaum in einem Western gesehen. © Drama Republic

Mit Ausnahmen – wie jetzt beispielsweise «The English». Das liegt nicht zuletzt daran, dass diese Mini-Serie eigentlich eine britische Produktion ist. Dahinter stehen die BBC und der Autor und Regisseur Hugo Blick.

Blick zeichnete bereits für zwei andere hervorragende Serien verantwortlich: «The Honorable Woman» (2014), ein Spionage-Thriller vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts, und «Black Earth Rising» (2018), die Geschichte einer jungen Frau, die bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen ihren Wurzeln in Ruanda nachspürt.

Ein ungleiches Paar – die Engländerin und der Pawnee

Und auch diesmal liefert Blick ein kleines Meisterwerk ab. Ein Western, der in wunderschönen Bildern eine deprimierende Welt zeigt, in der ein ungleiches Paar eine Reise antritt, um jeder auf seine Weise mit der Vergangenheit abzuschliessen.

Sie ist die Engländerin Lady Cornelia Locke (Emily Blunt), die nach Amerika reist, um dort den Mann zu finden und zu töten, den sie für den Tod ihres Sohnes verantwortlich macht.

Ein gefesselter Mann mit blutigem Gesicht. Eine Frau in vornehmen Kleidern nähert sich ihm.
Die erste Begegnung zwischen der englischen Lady (Emily Blunt) und dem Pawnee (Chaske Spencer). © Drama Republic

Er ist Eli Whipp (Chaske Spencer), ein Pawnee, der eigentlich Ckirirahpiks (Wounded Wolf) heisst und jahrelang in der Armee als Scout diente. Jetzt will er das versprochene Stück Land beanspruchen, das Veteranen zusteht.

Als sie sich begegnen, hängt Eli gefesselt an einem Holzbalken vor einem Hotel, das einsam in der Prärie steht. Cornelia kommt in einer Kutsche an. Sie versucht, den Hotelbesitzer Richard Watts (Ciarán Hinds) dazu zu bewegen, Eli freizulassen.

Das Land der Gier und der falschen Versprechen

Doch Watts hat andere Pläne. Im Auftrag des Mannes, den Cornelia aufspüren will, soll er sie umbringen. Den Mord will er Eli in die Schuhe schieben. Eli kann sich aber befreien und tötet Watts. Von nun an reiten Eli und Cornelia gemeinsam nach Norden.

Watts und seine Helfer bleiben nicht die einzigen Leichen, die ihren Weg säumen werden. Der Westen im Jahr 1890 ist ein gesetzloses Land, in dem Gewalt und Gier vorherrschen. Das Versprechen von einem neuen Leben, das allen winkt, die fleissig sind und arbeiten wollen, ist eine grosse Lüge.

Eine Frau hat einen Fuss auf einem toten Pferd abgestützt und hält einen gespannten Pfeilbogen in der Hand.
Schnell zeigt sich, dass die vornehme Lady Cornelia geeignete Fertigkeiten besitzt für das raue Leben im Wilden Westen. © Drama Republic

Deshalb wird Eli sein Stück Land nie bekommen. Die Weissen haben seinen Stamm vor Jahren vetrieben, seine Familie getötet und das Land gestohlen. Sie werden einem Pawnee sicher keinen Quadratmeter zurückgeben.

Der Banalität widerstanden

Das ist ein Teil seiner Geschichte, die er nach einiger Zeit Cornelia erzählt. Auch sie vertraut ihm an, wie ihr Sohn gestorben ist und weshalb sein Vater dafür den Tod verdient.

Es sind die Gespräche, in denen sie sich näher kommen. Zwei Aussenseiter, die nicht in diese Welt passen und sich doch bestens darin zurechtfinden. Auch mit der Gewalt, die herrscht.

Ein Mann sitzt an einem Tisch. Neben ihn der Wirt, einen Teller in der Hand hält.
Sheriff Robert Marshall (Stephen Rea, l.) wäre eigentlich für Recht und Gesetz zuständig. Aber er weiss, dass hier andere Regeln gelten. © Drama Republic

Ein Paar werden sie nie. Das wäre viel zu banal für die Geschichte, die «The English» erzählt. Nicht nur darin unterscheidet sich die Serie von einem Durchschnittswestern, der der Versuchung einer Romanze zwischen den beiden sicher nicht hätte widerstehen können.

Der Western-Mythos glaubhaft geschildert

«The English» erzeugt über sechs Episoden eine fesselnde Stimmung von Hoffnung und Verzweiflung. Die Serie inszeniert diese Welt in faszinierenden Bildern und einem gemächlichen Erzähltempo, das einen eintauchen lässt in die Seele eines Mythos, der hier so viel glaubhafter erscheint als in vielen anderen Erzählungen.

Und nicht zuletzt glänzt «The English» mit zwei überragenden Hauptdarsteller:innen, an deren Seite weitere Schauspieler:innen agieren, die ihnen kaum nachstehen.

Wie viele Sterne gibst du «The English»?
9 Stimmen

Besetzung: Emily Blunt | Chaske Spencer | Tom Hughes | Stephen Rea | Steve Wall | Valerie Pachner | Rafe Spall | Ciarán Hinds | Tonantzin Carmelo | Toby Jones
Serie entwickelt von: Hugo Blick
Genre: Western | Drama
GB / USA, 2022

The Consultant (Staffel 1) – Der Teufel im Chefsessel

Serienposter mit Schriftzug. Ein Mann im Anzug, die Hälfte des Porträts ist durch Streifen verfremdet. Im Hintergrund Bildschirme und ein Firmenlogo.
3 von 5 Sternen

Läuft bei: Amazon (1 Staffel, 8 Episoden à 30 Min.)

Jetzt also auch Christoph Waltz. Genau genommen ist «The Consultant» zwar schon sein zweiter Auftritt in einer Streamingserie. Aber sein erster dürfte an den meisten vorbeigegangen sein. «Most Dangerous Game» (2020) war nur beim äusserst kurzlebigen Anbieter «Quibi» zu sehen (mittlerweile gibt es eine Filmversion bei Amazon).

Christoph Waltz in seiner Standardrolle

Damals musste er das Scheinwerferlicht noch mit dem jüngsten Hemsworth-Bruder Liam teilen. In «The Consultant» ist Waltz der unbestrittene Star der Serie. Die Hauptfigur Regus Patoff ist ihm auf dem Leib geschrieben.

Aber das ist nicht nur ein Pluspunkt. Waltz als vordergründig sanften, tatsächlich aber äusserst bösartigen Charakter haben wir mittlerweile ein paar Mal gesehen. Seit seinem Auftritt als Standartenführer Hans Landa in Tarantinos «Inglourious Basterds» wird er gerne in solchen Rollen besetzt.

Ein Mann steht hinter einem Bürostuhl, die Hände darauf gefaltet.
Freundlich lächelnd verkündet Regus Patoff (Christoph Waltz) den Angestellten, dass jetzt ein kälterer Wind weht. © Amazon Studios

Waltz spielt den lächelnden Soziopathen perfekt, wie er in «The Consultant» erneut beweist. Nur reicht das allein nicht, wenn das Drumherum nicht stimmt. Und da ist einiges nicht so gelungen in dieser Workplace-Thriller-Komödie.

Der Boss ist eiskalt und ein übergriffiger Schnüffler

Regus Patoff übernimmt das Ruder in einer Firma, die mobile Games entwickelt, nachdem der Gründer von einem Schüler, der mit seiner Klasse die Firma besuchte, erschossen worden ist. Patoff taucht aus dem Nichts auf. Niemand hat je von ihm gehört, keiner weiss, woher er kommt. Aber er hat einen unterschriebenen Beratervertrag, den er den beiden Angestellten Elaine (Brittany O’Grady) und Craig (Nat Wolff) zeigt, als er eines Abends reinspaziert und das Chefbüro bezieht.

Eine Frau und ein Mann sitzen an einem Tisch vor einem Foodtruck und essen.
Elaine (Brittany O’Gray) und Craig (Nat Wolff) möchten ihren neuen Chef loswerden, fallen aber gleichzeitig auf seine manipulativen Manöver herein. © Amazon Studios

Patoff lächelt zwar, wenn er seine Anordnungen verkündet. Aber schnell zeigt sich, dass er ein eiskalter, empathieloser Chef ist. Den Angestellten im Homeoffice gibt er eine Stunde Zeit, um in der Firma zu erscheinen. Der Rollstuhlfahrerin, die ein paar Sekunden zu spät ist, schlägt er die Tür vor der Nase zu.

Patoff ist auch übergriffig. Weil ihn ein Geruch stört, lässt er die Angestellten antanzen und beschnüffelt sie, bis er den Übelriecher identifiziert hat. Er schnüffelt auch sonst gerne im Privatleben seiner Angestellten rum. Was er dabei herausfindet, nutzt er hemmungslos für seine Zwecke.

Auf den Spuren von «Severance»?

Elaine und Craig finden ihren neuen Boss zwar schrecklich. Dennoch lassen sie sich auf seine Machtspielchen ein, in der Hoffnung, ihre Karrieren voranzutreiben.

Man hat es schnell geschnallt, dass Patoff ein toxisches Arbeitsklima schafft, die niedrigsten Instinkte seiner Angestellten befeuert, damit jeder für sich und gegen alle anderen arbeitet, um so Höchstleistungen herauszupressen.

Ein Mann und eine Frau liegen im Bett. Er schläft. Sie hält ein Smartphone in der Hand und schaut auf den Bildschirm.
Übergriffig bis ins Privatleben. Patoff sät Zwietracht zwischen Craig und seiner Verlobten (Aimee Carrero). © Amazon Studios

Man könnte also eine Art Kapitalismuskritik in die Serie reinlesen, die unmenschliche Arbeitsbedingungen anprangern will, wie das die Workplace-Dystopie «Severance» hervorragend geleistet hat.

Im Hintergrund wabert ein grosses Mysterium

Aber «The Consultant» verschenkt sich diesen Ansatz, indem die Serie die Frage ins Zentrum rückt: Wer ist Regus Patoff, dessen Name offensichtlich die Abkürzung ist von «Registered with the United States Patent Office»? Da spielen ein geheimnisvoller Aktenraum im Keller eine Rolle, goldene Knochen, eine Toi-Toi-Toilette und eine junge Frau mit diversen Prothesen.

Ein Mann steht in einer Werkstatt und hält Papiere in der Hand, die er liest.
In der Werkstatt eines Goldschmieds stösst Craig auf verstörende Hinweise, welches Geheimnis Patoff verbirgt. © Amazon Studios

Man kann sich zusammenreimen, wohin das alles führen soll – irgendwas mit einem teuflischen Pakt. Aber diese Spurensuche nach der wahren Identität von Patoff wirkt allzu konstruiert. Man verliert mit der Zeit das Interesse an den vielen kleinen Hinweisen auf das grosse Mysterium, das da mitwabert.

«The Consultant» hätte sich entscheiden sollen, ob es die absurde Arbeitswelt als komisches Drama thematisieren will oder als Mysterythriller die unheimliche Figur eines faustischen Firmenchefs. Der Versuch, beides zusammen aufzutischen, ist nicht zufriedenstellend gelungen.

Wie viele Sterne gibst du «The Consultant» (Staffel 1)?
12 Stimmen

Besetzung: Christoph Waltz | Brittany O’Grady | Nat Wolff | Aimee Carrero
Serie entwickelt von: Tony Basgallop
Genre: Drama | Mystery | Komödie
USA, 2023

Jack Ryan (Staffel 3) – Der Mann, der den Atomkrieg verhindert

Serienposter mit Schriftzug. Ein Mann steht auf dem Bahnsteig, im Hintergrund ein Zug.
3 von 5 Sternen

Läuft bei: Amazon (3 Staffeln, 24 Episoden à 50 Min.)

Wenn’s spukt, holt man die Ghostbusters. Und wen holt man bei einer internationalen Krise, die zu einem Atomkrieg ausufern könnte? Jack Ryan! Der CIA-Mann, der alle Probleme im Alleingang löst. Wobei man ihn selten rufen muss. Er ist meist vor allen anderen da, weil er den Riecher hat für brenzlige Situationen.

Russische Hardliner planen den Krieg

Diesmal ist Jack (John Krasinski) auf der Spur eines russischen Geheimprojekts namens Sokol. Ursprünglich war das ein Projekt aus den 60er-Jahren zur Entwicklung einer kleinen Atombombe. Sokol wurde aber terminiert, wie auch die Wissenschaftler, die daran arbeiteten.

Ein Mann mit Rucksack zu Fuss unterwegs.
Jack Ryan (John Krasinski) muss sich oft im Alleingang durchkämpfen, weil er nicht in offizieller Mission unterwegs ist. © Amazon Studios

Jetzt holt eine abtrünnige Fraktion innerhalb der russischen Regierung das Projekt wieder aus der Schublade. Ihr Ziel: Auf Nato-Gebiet eine kleine Atombombe zu zünden, das der Nato in die Schuhe zu schieben, um so einen Krieg anzuzetteln, bei dem die Russen in sieben Tagen an den Rhein vorstossen wollen (eine historisch belegte Strategieüberlegung des Warschauer Pakts). Am Ende soll das alte Sowjetreich aus der Asche auferstehen.

Gejagt von allen Seiten

Aber eben: Jack Ryan ist ihnen auf den Fersen. Allerdings unter erschwerten Bedingungen. Der CIA-Chef in Langley ist ein typischer Bürokraten-Hasenfuss, der keine Ahnung hat, und Jack deshalb zurückpfeift. Was dieser geflissentlich ignoriert und deshalb von den eigenen Leuten gejagt wird.

Ganz alleine muss es Jack aber doch nicht mit den bösen Russen aufnehmen. James Greer (Wendell Pierce) und Mike November (Michael Kelly), zwei alte CIA-Kumpels, halten zu ihm. Auch seine neue Vorgesetzte Elizabeth Wright (Betty Gabriel) schlägt sich nach einigem Zögern auf seine Seite.

Zwei Männer in Kampfmontur und mit Waffen in den Händen vor einem Hubschrauber.
Mike (Michael Kelly) und Jack räumen schwer bewaffnet die Bösen aus dem Weg. © Amazon Studios

Wie es ausgeht, kann man sich denken. Aber man muss der Serie zugestehen, dass der Weg dahin spannend ist: reichlich Action und einige Rettungsaktionen in letzter Sekunde.

Ohne Amerika wäre die Welt verloren

Warnen muss man allerdings vor dem Weltbild, das der Serie zugrunde liegt, falls jemand Tom Clancy nicht kennt, auf dessen Büchern die Jack Ryan-Serie basiert. Die ist simpel und kennt keine Schattierungen: Die Vereinigten Staaten sind das beste Land der Welt und sie wissen, was für den Rest der Welt gut ist.

Deshalb macht auch die tschechische Präsidentin Kovac (Nina Hoss) keine besonders gute Figur. Nur dank der Hilfe der Amis kann sie ihre Verwicklungen in den ganzen Plot einigermassen unbeschadet überstehen.

Ein Mann und eine Frau geben sich die Hand. Im Hintergrund ein Sicherheitsbeamter und die tschechische Flagge.
Ohne die Unterstützung von Jack Greer (Wendell Pierce) wäre Präsidentin Kovac (Nina Hoss) aufgeschmissen. © Amazon Studios
Das Muster wiederholt sich – wie lange noch?

Wer sich also am völlig selbstverständlichen imperialistischen Gehabe der US-Amerikaner stört, den wird die Serie von A bis Z nerven. Wenn man das ausblenden kann, gibt’s gute Unterhaltung.

Ob das Muster dieser Serie noch lange funktioniert, scheint aber zweifelhaft. Nur den Schauplatz zu wechseln, wie das in den drei vorliegenden Staffeln passierte, reicht irgendwann nicht mehr, wenn am Ende doch immer dieselbe Geschichte erzählt wird. Aber die Figur des Jack Ryan weiterzuentwickeln, ist wohl auch keine Option. Er ist so simpel gestrickt wie das Weltbild, das er vertritt …

Die Umfrage ist beendet

Wie viele Sterne gibst du «Jack Ryan» Staffel 3?
12 Stimmen

Besetzung: John Krasinski | Wendell Pierce | Michael Kelly | Nina Hoss | Peter Guinness | Alexej Manvelov | James Cosmo | Betty Gabriel
Serie entwickelt von: Carlton Cuse | Graham Roland
Genre: Thriller | Action
USA, 2022

The Peripheral (Staffel 1) – Gute Science-Fiction, aber nervig reaktionär

Serienposter mit Schriftzug. Porträt einer Frau. Ihre Augenpartie ist überlagert von zwei Landschaftspanoramen.
3 von 5 Sternen

Läuft bei: Amazon (1 Staffel, 8 Episoden à 60 Min.)

Wenn «Von den Macher:innen von ‹Westworld›» draufsteht, dann klingt das vielversprechend. Es tönt an, worauf wir uns einstellen dürfen. «The Peripheral» erfüllt diese Erwartungen: etwas Science-Fiction, humanoide Hightech-Roboter, Action und dann noch so was wie Zeitreisen.

Neuanfang nach «Westworld»-Absetzung

Damit bewegen sich Produzent:in Jonathan Nolan und Lisa Joy in ähnlichen Gefilden wie bei «Westworld», wo sie dieses Jahr einen herben Rückschlag hinnehmen mussten. HBO hat die Serie nach der eher schwachen vierten Staffel abgesetzt. Dabei hatten Nolan/Joy noch eine fünfte und letzte geplant.

William Gibson – Erfinder des Cyberspace
Die Vorlage zu «The Peripheral» stammt aus der Feder von William Gibson. Er ist vor allem bekannt als Autor von «Neuromancer», sein Debütroman von 1984, der das Sci-Fi-Subgenre des Cyberpunks begründete. Zudem wird ihm die Erfindung des Begriffs «Cyberspace» zugeschrieben. «The Peripheral» erschien 2014 und ist der erste Teil einer Trilogie. 2020 erschien der zweite Band «Agency». Ein Termin für Band 3 ist noch nicht bekannt.

Von daher bedeutet «The Peripheral» für die beiden wohl eine Art Neuanfang. Was – richtigerweise – vermuten lässt, dass die Serie nicht nur auf eine Staffel angelegt ist. Nach den ersten acht Episoden ist die Geschichte an einem Wendepunkt angekommen, aber noch lange nicht zu Ende erzählt.

Science-Fiction in den Blue Ridge Mountains

Ich bin allerdings noch unschlüssig, ob ich mir eine allfällige zweite Staffel anschauen würde. Das ganze Setting von «The Peripheral» ist zwar recht ansprechend, aber nicht wirklich berauschend.

Interessant ist die Ausgangslage der Geschichte. Lynne Fisher (Chloë Grace Moretz) lebt im Jahr 2032 in einem Kaff in den Blue Ridge Mountains, wo sich schon die Waltons eine gute Nacht wünschten. Lynne arbeitet in einem 3D-Druckershop, ist aber vor allem eine herausragende VR-Gamerin.

Per Headset ins Zukunftsabenteuer

Sie springt öfters für ihren Bruder Burton (Jack Reynor) ein, der mit Games Geld zu verdienen versucht. Burton bekommt ein äusserst lukratives Angebot, eine neuartige Simulation zu testen. Das Geld könnten die beiden sehr gut brauchen für die Medikamente, die ihre kranke Mutter braucht.

Eine Frau trägt ein futuristisches Headset auf dem Kopf.
Das Headset, das Lynne (Chloë Grace Moretz) in die Zukunft bringt, erinnert ein wenig an den «Facehugger» aus «Alien», einfach verkehrt herum aufgesetzt. © Amazon Studios

Lynne setzt sich das neuartige Headset auf und landet in London im Jahr 2099. Ihr Auftrag: Bei einer Firma einbrechen und Technologie klauen. Das läuft einigermassen erfolgreich. Der Diebstahl gelingt, aber ihre Spielfigur stirbt am Schluss.

Die Simulation fühlt sich völlig realistisch an, berichtet Lynne begeistert ihrem Bruder. Sie spürt sogar die Schmerzen ihrer Spielfigur. Ist es wirklich eine Simulation?

Keine Simulation, sondern eine Zeitreise

Nein. Lynne ist tatsächlich virtuell in die Zukunft gereist in einen hoch entwickelten Humanoiden, «Peripheral» genannt. Weil diese Zukunft mit Lynnes Gegenwart kommunizieren kann, verursacht das für Lynne und ihren Bruder Probleme. Die beklaute Firmenchefin (T’Nia Miller) reagiert ziemlich brachial. Sie schickt Söldner, die die beiden umbringen sollen.

Gleichzeitig meldet sich Wilf Netherton (Gary Carr) aus der Zukunft bei Lynne, weil die Auftraggeberin des Diebstahls verschwunden ist und Wilf sie finden will. Dafür braucht er Lynne wieder in ihrem «Peripheral».

Ein Mann und eine Frau sitzen in einer noblen Umgebung auf zwei Thronartigen Stühlen.
Milf (Gary Carr) betreut Lynnes Peripheral in der Zukunft. Dass es zwischen den beiden knistert, ist auch wenig originelles Storytelling. © Amazon Studios

Zeitreisen sind immer heikel für die Logik einer Story. Das ist bei «Peripheral» aber nur mässig verwirrend. Der Kontakt aus der Zukunft durch irgendwelche Quantentunnels tönt logisch. Komplizierter wird es, wenn durch diese Kontakte immer neue Zeitachsen abzweigen. Wenn man dem aber nicht allzu fest nachhängt, stört das auch nicht gross.

Wildwest-Mentalität feiert Urstände

Die grosse Schwäche der Serie liegt in der Gegenwart. Hier schlägt das reaktionäre amerikanische Wertesystem mal wieder völlig unreflektiert zu. Burton umgibt sich mit Freunden, mit denen er im Krieg gekämpft hat.

Unter diesen heroischen Veteranen, einer davon schwer behindert, herrscht strikte Marines-Mentalität und die alte Wildwest-Losung zuerst schiessen, dann fragen. Dieses martialische Gehabe nervt, auch wenn es im Plot sehr gelegen kommt, um die Killerkommandos zu beseitigen.

Zwei Männer in einer Bar. Auf dem Tisch stehen zwei Biergläser. Einer der Männer hat sein Glas erhoben.
Wie im Saloon im Wilden Westen: Lynnes Bruder Burton (Jack Reynor) mit einem seiner Militärkumpels. © Amazon Studios
Die Welt geht unter, aber Hauptsache Mama wird gesund

Einigermassen absurd und ziemlich klischiert kommt der Bösewicht der Kleinstadt daher. Corbell Pickett (Louis Herthum) hat das Kaff im Sack und ist unantastbar. Er verdient sein Geld mit Drogen und ist der grösste Arbeitgeber. Quasi ein Walter White («Breaking Bad»), der es geschafft hat.

Es reicht dann allerdings, dass einer der Polizisten einen moralischen Anfall bekommt. Plötzlich sind die Machtverhältnisse, die jahrelang unverrückbar waren, in Frage gestellt. Ziemlich lächerlich.

Auch dass die Familie über alles geht, treibt die Serie auf die Spitze. In der Londoner Zukunft bekommt Lynne eine Mission, die die ganze Welt retten soll. Ob sie dafür Bedingungen stelle, wird sie gefragt. Ja, sagt Lynne: «Macht meine Mama gesund». Weil ein Familienmitglied ja mindestens die ganze Weltbevölkerung aufwiegt, oder so.

Zum Glück gibt’s die Londoner Zukunft

Von dieser hinterwäldnerischen Welt hebt sich die Londoner Zukunft wohltuend ab. Nicht nur, dass sie Englisch sprechen ohne diese hässlichen zerquetschten Vokale.

Eine Frau steht auf einer Terrasse hoch über einer Stadt. Sie trägt ein futuristisches, wehendes schwarzes Kleid.
Brutale Bösewichtin mit exquisitem Modegeschmack: T’Nia Miller als Cherise Nuland.

Der Machtkampf, den es hier auch gibt, wird zwar nicht weniger gewalttätig, aber viel gepflegter ausgetragen. Das überspitzt die Serie zwar auch mit exaltierten Figuren in extravaganter Kleidung. Aber irgendwie ist das erträglicher, ja sogar ziemlich amüsant.

Wenn man die reaktionäre Ideologie ausblendet, kann «The Peripheral» aber zugutehalten, dass sie einen unterhaltsamen Plot mit reichlich Action bietet. Das ist zumindest vergnüglich. Vielleicht erhält die zweite Staffel dann doch eine Chance bei mir – falls sie kommt.

Die Umfrage ist beendet

Wie viele Sterne gibst du «The Peripheral» Staffel 1?
2 Stimmen

Besetzung: Chloë Grace Moretz | Gary Carr | Jack Reynor | JJ Feild | T’Nia Miller | Louis Herthum | Katie Leung | Melinda Page Hamilton | Eli Goree | Charlotte Riley
Serie entwickelt von: Scott B. Smith
Genre: Science-Fiction | Action | Thriller
USA, 2022

The Devil’s Hour (Staffel 1) – Alpträume aus der Zukunft

Serienposter mit Schriftzug. Ein Mann und eine Frau sitzen sich gegenüber an einem Tisch. Er trägt Handfesseln. Ihre Umrisse sind mehrfach im Spiegel im Hintergrund zu sehen.

Läuft bei: Amazon (1 Staffel, 6 Episoden à 60 Min.)

«The Devil’s Hour» macht so ziemlich alles richtig, um Spannung, Verwirrung, Schaudern und Gänsehaut zu erzeugen. Da ist zuerst die Besetzung: Jessica Raine (u.a. «Call the Midwife») und Peter Capaldi (u.a. der zwölfte Dr. Who) sind hervorragend. Sie, die rastlos nach Antworten sucht. Er, der diese Antworten kennt und das finstere Geheimnis, mit dem sie verbunden sind.

Alpträume zur Teufelsstunde

Dann der Aufbau: Mit der ersten Szene werden wir auf das Mysteriöse eingestimmt. Lucy Chambers (Jessica Raine) sitzt einem Mann gegenüber. Sein Gesicht sehen wir nie. Eindringlich redet er auf sie ein. Er scheint das Innerste seines Gegenübers bestens zu kennen. Ihre Sorgen, ihre Fragen, ihre Ängste, vor allem ihre Alpträume.

Jede Nacht um 3.33 Uhr – zur Teufelsstunde – wacht Lucy Chambers auf. Nicht 3.32 Uhr, nicht 3.34 Uhr – exakt um 3.33 Uhr schreckt Lucy aus einem ihrem Schlaf auf. Hat sie auch die Begegnung mit diesem Mann nur geträumt?

Eine Frau liegt wach im Bett. Der Wecker auf dem Nachttisch zeigt 3.33 Uhr an.
Wie jede Nacht: Lucy Chambers (Jessica Raine) schreckt um 3.33 Uhr aus ihren Träumen auf. © Amazon Studios
Der Junge ohne Gefühle

Lucy ist jetzt wach. Sie geht in die Küche. Tee machen oder doch lieber ein Schluck Whisky? Die Frage erübrigt sich. Die Tasse zerschellt am Boden. Ihr Sohn Isaac (Benjamin Chivers) steht plötzlich in der Tür und jagt ihr den nächsten Schrecken ein.

Isaac ist ähnlich unheimlich wie Lucys Alpträume. Der Junge redet kaum ein Wort, zeigt keinerlei Emotionen und redet mit Menschen, die nur er sieht. Natürlich würde Lucy ihren Sohn nie als unheimlich bezeichnen. Aber den Zuschauenden jagt er Schaudern über den Rücken.

Ein Junge starrt ins Leere. Im Hintergrund eine Frau, die ihn anschaut.
Alle Therapien nützen nichts: Isaac (Benjamin Chivers) bleibt verstockt und unheimlich. Er weiss weshalb. © Amazon Studios
Lucy erinnert sich an die Zukunft

Klar, dass der Mann am Anfang, die Alpträume und Isaac irgendwie zusammenhängen. «The Devil’s Hour» ist schliesslich ein Mystery-Krimi. Diese Zusammenhänge enthüllt die Serie geschickt Schritt für Schritt und gibt noch ein paar Mordfälle plus die zwei ermittelnden Polizisten in den Mix.

Schon bald zeigt sich: Ein Teil von Lucys Alpträumen sind Ereignisse aus der Zukunft. Oder um die Sache zu komplizieren: aus einer Zukunft. So kommt sie dem Mörder auf die Spur, hinter dem DI Dhillon (Nikesh Patel) und DS Holness (Alex Ferns) her sind.

Ein Mann sitzt im Büro vor einem Computer. Ein zweiter Mann steht neben ihm und schaut auf den Bildschirm.
DS Holness (Alex Ferns) und DI Dhillon (Nikesh Patel) stossen im Verlauf ihrer Ermittlungen auf den Namen Lucy Chambers. © Amazon Studios
Wer ist Lucy wirklich?

Am Schluss führt das zum Anfang zurück. Die Szene – so stellt sich heraus – im Verhörraum. Ob und wer Morde begangen hat, ist dabei aber fast nur Nebensache. Es geht darum: Wer ist Lucy Chambers? Ist sie wirklich die Sozialarbeiterin mit einem gestörten Sohn?

So eindringlich das Gespräch zwischen Gideon (Peter Capaldi) und Lucy ist, die Erklärung, mit welchem Mysterium sie und er konfrontiert sind, strapaziert die Nachvollziehbarkeit ziemlich. Wie immer, wenn es um Phänomene geht, die grob gesagt etwas mit dem Zeitkontinuum zu tun haben.

Eine Frau sitzt an einem Holztisch. Ihr gegenüber sitzt ein Mann von dem nur die seitlichen Umrisse erkennbar sind. Vor ihm steht ein Glas Wasser.
Erst ganz am Schluss wird Lucy Chambers (Jessica Raine) Gideon (Peter Capaldi) gegenüber sitzen. Aber schon zu Beginn werden wir auf dieses entscheidende Treffen eingestimmt. © Amazon Studios
Fortsetzungen folgen

Dem Gesamteindruck von der Serie schadet das aber wenig. «The Devil’s Hour» ist ein sehr gut gemachter Mystery-Krimi und bereitet den Boden gut vor für weitere Staffeln.

Mindestens zwei werden es sein, denn die hat Amazon schon bestellt. In den letzten Einstellungen der Serie zeichnet sich ab, wie es weitergehen wird. Dieser Auftritt von Lucy Chambers in einer ganz anderen Rolle sieht vielversprechend aus.

Die Umfrage ist beendet

Wie viele Sterne gibst du «The Devil's Hour» Staffel 1?
7 Stimmen

Besetzung: Jessica Raine | Peter Capaldi | Nikesh Patel | Benjamin Chivers | Alex Ferns | Meera Syal | Phil Dunster | Talia Walker Bassols | Rhiannon Harper-Rafferty | Thomas Dominique
Serie entwickelt von: Tom Moran
Genre: Mystery | Krimi
GB, 2022

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