Perry Mason (Staffel 2) – Ein Anwalt im moralischen Dilemma

Serienposter mit Schriftzug. Ein Mann mit braunem Hut und Mantel auf der Treppe vor einem Gebäude mit Säulen.
4 von 5 Sternen

Läuft bei: SkyShow (2 Staffeln, 16 Episoden à 50 Min.)

«Perry Mason» ist ein Stück TV-Seriengeschichte. Neun Staffeln flimmerten von 1957 bis 1966 über die Bildschirme in den USA, in denen Raymond Burr als erfolgreicher Strafverteidiger in den 1930er-Jahren Unschuldige davor bewahrte, in der Todeszelle zu landen.

Im deutschsprachigen Raum war die Serie weniger erfolgreich. Nur ein paar wenige Episoden liefen Anfang der 60er-Jahre im Deutschen Fernsehen. Erst in den 90ern wurden alle Staffeln im Privatfernsehen gezeigt.

Mason damals und heute

Das erklärt, weshalb der ursprüngliche Perry Mason an mir vorbeigegangen ist. In den 60ern war selbst ich noch zu jung und deutsches Privatfernsehen habe ich mir nie angetan. Deshalb kann ich jetzt keinen Vergleich ziehen zwischen der Schwarzweiss-Ausgabe und der Neuauflage mit Matthew Rhys als Perry Mason, die 2020 startete und jetzt in die zweite Staffel geht.

Ein Mann in seitlichem Porträt mit schattigem Gesicht und vor dunklem Hintergrund. Er blickt ernst in die Ferne.
Kein strahlender Held im Gerichtssaal: Matthew Rhys verleiht Perry Mason eine eher düstere Note. © HBO / Sky Show

Ob das fruchtbar gewesen wäre, scheint mir eh zweifelhaft. Immerhin sind seither 60 Jahre vergangen und die Art, Serien zu produzieren, hat sich grundlegend verändert. (Aber ich habe ChatGPT gebeten, die Darstellung der Figur durch die beiden Schauspieler zu vergleichen. Die Antwort am Ende des Artikels 😉).

Es war denn auch weniger die Figur als vielmehr der Schauspieler, der mich veranlasst hat, «Perry Mason» einzuschalten. Matthew Rhys spionierte mit Keri Russell (momentan bei Netflix zu sehen in «The Diplomat») für den KGB in der sehr empfehlenswerten Thrillerserie «The Americans» (auf Disney+).

Mason will nicht mehr und kanns doch nicht lassen

Zu Beginn der zweiten Staffel hat Perry Mason mit dem Kapitel Strafverteidigung abgeschlossen. Zu sehr hat ihn der Fall Emily Dodson (Staffel 1) mitgenommen. In seiner Praxis, die er gemeinsam mit seiner Kollegin Della Street (Juliet Rylance) führt, nimmt er nur noch zivilrechtliche Fälle an. Doch es dauert nicht lange, bis ein Fall in seinem Büro landet, dem Mason dann doch nicht widerstehen kann.

Blick in den Gerichtssaal. Die beiden Angeklagten jungen Brüder stehen neben einer Frau und einem Mann, die sie verteidigen.
Obwohl sie keine Strafverfahren mehr führen wollten, stehen Della Street (Juliet Rylance) und Perry Mason bald wieder vor Gericht als Verteidiger von zwei Brüdern, die des Mordes angeklagt sind. © HBO / Sky Show

Zwei junge Brüder werden des Mordes an Brooks McCutcheon (Tommy Dewey) angeklagt. Mateo und Rafael (Peter Mendoza und Fabrizio Guido) sind schon vor dem Prozess so gut wie verurteilt. Sie sind als Angehörige der hispanischen Minderheit, die im Armenviertel leben, die perfekten Sündenböcke für den Staatsanwalt.

Kein unschuldiges Opfer

Um ihre Unschuld zu beweisen, nehmen Mason und Street mit der Unterstützung des ehemaligen Cops Paul Drake (Chris Chalk) das Mordopfer genauer unter die Lupe. McCutcheon war der Sohn eines einflussreichen Ölbarons in L.A., der selber aber dubiose und meist erfolglose Geschäfte betrieb. Zudem pflegte er ausgefallene Sexpraktiken, die dazu führten, dass die Schwester eines Stadtabgeordneten zum Pflegefall wurde.

McCutcheon hatte sich genug Feinde gemacht, die ebenfalls als Täter für den Mord in Frage kämen. Der Fall nimmt allerdings eine dramatische Wende, als Drake die Tatwaffe findet. Mason steht vor einem moralischen Dilemma.

Ein Mann sitzt in einem Sessel in einem Garten. Ein älterer Mann steht hinter ihm, die Hand auf seine Schulter gelegt.
Das Mordopfer Brooks McCutcheon (Tommy Dewey) hatte viele Feinde und eine komplizierte Beziehung zu seinem Vater (Paul Raci). © HBO / Sky Show
Anwaltsserie mit wenig Gerichtsszenen

Obwohl «Perry Mason» als Anwaltsserie daherkommt, spielt sie extrem wenig im Gerichtssaal. Die Serie lebt von ihren Figuren. Allen voran Perry Mason. Er wird nicht als brillanter Strafverteidiger geschildert, der die Geschworenen mit überwältigenden Plädoyers mitreisst.

Mason ist ein Idealist, innerlich zerrissen und traumatisiert vom Krieg (dem 1. Weltkrieg). Daran scheiterte unter anderem auch seine Ehe. Kein strahlender Held, sondern ein introvertierter, düsterer Charakter, der sich schwertut im Leben.

Deshalb ist Mason auch auf Della Street angewiesen. Wenn er wieder mal in ein tiefes Loch fällt, holt sie ihn nicht nur raus, sondern sorgt auch dafür, dass in der Zwischenzeit der Laden weiterläuft. Dabei hat Della ihre eigenen Probleme: Sie muss ihre Homosexualität geheim halten und steht unter Dauerstress. Der Angst, dass das jemand herausfinden könnte.

Zwei Frauen tanzen eng aneinander. Um sie herum weitere tanzende Paare.
Della findet in Anita St. Pierre (Jen Tullock) eine neue Liebe, von der aber niemand erfahren darf.
Die 30er-Jahre in L.A. – ganz anders als heute

Das Leben der Schwulen und Lesben im Schatten ist nur ein Aspekt, mit dem die Serie die Atmosphäre der 30er-Jahre in L.A. zeichnet. Die alltägliche Diskriminierung der Schwarzen Bevölkerung erlebt Paul Drake.

Er muss den Eingang für Bedienstete nehmen oder wird von seiner Frau daran erinnert, dass er im vornehmen Viertel besser nicht aus dem Auto steigt, weil sonst jemand die Polizei ruft. Und wie schon erwähnt sind in dieser Zeit der grossen Depression die Zuwandernden aus dem Süden die perfekte Zielscheibe für den Frust der Weissen – nicht ganz unähnlich der heutigen Zeit.

Ein Mann mit grauem Jackett und grauer Mütze steht vor einem Schild.
Paul Drake (Chris Chalk) lässt sich ein letztes Mal mit Perry Mason ein. Danach will er sich um die Anliegen der Schwarzen Gemeinschaft kümmern. © HBO / Sky Show

Vor diesem Hintergrund und dank des fantastischen Setdesigns nehmen die 30er-Jahre faszinierend Gestalt an in einem Los Angeles, das damals noch alles andere war als die blühende Metropole an der Westküste von heute. Deshalb verzeiht man der Serie auch, dass sie doch eher träge ihre Geschichte erzählt. Denn fast jede Einstellung, fast jede Szene bietet genug Stoff und Anreize fürs Auge, um dranzubleiben.

Rhys und Burr als Perry Mason im Vergleich – das sagt ChatGPT

Matthew Rhys und Raymond Burr sind beide herausragende Darsteller, die die Rolle des berühmten fiktiven Anwalts Perry Mason verkörpert haben. Obwohl sie den gleichen Charakter gespielt haben, gibt es einige Unterschiede in ihren Interpretationen und Darstellungsstilen.

Raymond Burr spielte Perry Mason von 1957 bis 1966 in der ursprünglichen Fernsehserie «Perry Mason». Burr verkörperte den Charakter als seriösen und geradlinigen Anwalt. Seine Darstellung von Mason war von ruhiger Autorität und Integrität geprägt. Burr brachte eine gewisse Würde und Präsenz in die Rolle, die ihm viele Fans einbrachte. Seine Ausstrahlung und seine starke Präsenz auf dem Bildschirm machten ihn zu einer Ikone und einem beliebten Anwalt der Fernsehwelt.


Raymond Burr als Perry Mason: ruhige Autorität und integer.

Auf der anderen Seite haben wir Matthew Rhys, der Perry Mason in der gleichnamigen HBO-Miniserie von 2020 verkörperte. Rhys‘ Interpretation von Perry Mason war eine Neuinterpretation des Charakters in einem anderen Kontext. Die Serie zeigt Perry Mason als einen jungen und unerfahrenen Privatdetektiv und späteren Anwalt.

Rhys brachte eine düstere und komplexe Nuance in die Rolle, indem er die inneren Kämpfe und persönlichen Dämonen des Charakters erforschte. Seine Darstellung war intensiv und emotional, und er brachte eine gewisse Verletzlichkeit in die Rolle, die das Publikum in seine Geschichte hineinzog.

Sowohl Burr als auch Rhys haben auf ihre eigene Art und Weise die Essenz des Charakters Perry Mason eingefangen. Burr war der klassische Perry Mason, der für Gerechtigkeit kämpfte und die Wahrheit ans Licht brachte, während Rhys eine modernere und komplexere Version des Charakters darstellte. Beide Darsteller haben ihre eigenen Stärken und haben den Charakter auf einzigartige Weise interpretiert.

Ein Mann in Anzug und Krawatte. Im Hintergrund unscharf Personen.
Matthew Rhys als Perry Mason: moderne und komplexe Figur. © HBO / Sky Show

Es ist wichtig anzumerken, dass die beiden Darsteller in unterschiedlichen Zeiten und Kontexten agierten, was ihre Darstellungen natürlich beeinflusste. Raymond Burr spielte Perry Mason in den 1950er und 1960er Jahren, als Fernsehserien und die Darstellung von Charakteren noch ganz anders waren als heute. Matthew Rhys hingegen spielte Perry Mason in einer modernen Miniserie, die von den heutigen Erzähltechniken und Produktionsstandards geprägt ist.

Insgesamt kann man sagen, dass sowohl Raymond Burr als auch Matthew Rhys talentierte Darsteller sind, die Perry Mason auf ihre eigene Art und Weise zum Leben erweckt haben. Jeder von ihnen hat dem Charakter eine einzigartige Note verliehen und ihre eigene Interpretation hinterlassen, die von den Zuschauern geschätzt wurde.

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Besetzung: Matthew Rhys | Juliet Rylance | Chris Chalk | Shea Whigham | Eric Lange | Justin Kirk | Katherine Waterston | Paul Raci | Jen Tullock | Peter Menzdoza | Fabrizio Guido | Hope Davis
Serie entwickelt von: Ron Fitzgerald | Rolin Jones
Genre: Krimi | Drama | Historie
USA, 2023

 

Poker Face (Staffel 1) – Ein Krimi wie aus den 80ern mit grossem Staraufgebot

Serienposter mit Schriftzug. Eine Frau mit einer Sonnenbrille und einem Zahnstocher im Mund. In der Sonnenbrille spiegelt sich eine Landstrasse und ein Auto.
4 von 5 Sternen

Läuft bei: Sky Show (1 Staffel, 11 Episoden à 55 Min.)

Ob es ein Vorteil oder ein Nachteil ist, muss jede:r für sich entscheiden: Aber «Poker Face» ist eine Serie, die sich eher nicht zum Bingen eignet. Jede Episode ist nach demselben Muster gestrickt, was beim Bingen zu einer gewissen Ermüdung führen kann.

Diese Erzählweise stammt aus vergangenen Tagen, als Detektiv:innen wie «Columbo» oder Jessica Fletcher in «Murder, She Wrote» einmal pro Woche über den Bildschirm flimmerten.

Eine Frau mit langen Haaren, Baseballmütze und einer Lederjacke über die Schulter gehängt.
Natasha Lyonne wandelt in «Poker Face» auf den Spuren alter TV-Detektiv:innen. © Evans Vestal Ward /Peacock / Sky Show
Ungewöhnliches Konzept für eine Streamingserie

Was sich von Woche zu Woche änderte, waren die Leichen. Was gleich blieb, war die Methode, wie Columbo und Fletcher die Morde aufklärten. Einen Erzählbogen über die Staffeln hinweg gab es nicht. Genau so funktioniert auch «Poker Face».

Abgesehen von der ersten und der letzten Episode ist es auch egal, in welcher Reihenfolge man die Serie schaut. Jede Episode steht für sich. Auch das eher ungewöhnlich für das Streamingzeitalter.

Solche Serien leben heute wie damals von ihren Hauptfiguren. Die müssen überzeugen und die Geschichten tragen. Bei Natascha Lyonne ist das schon fast keine Frage, dass ihr das gelingt. Bei ihr besteht eher die Gefahr, dass neben ihr alle anderen Figuren verblassen, wie das in «Russian Doll» der Fall war.

Zwei junge Männer und eine Frau an einem Stand.
In jeder Episode wird Charlie Cale (Natascha Lyonne) in ein Verbrechen involviert, wie etwa Sabotage beim Autorennen. © Phillip Caruso / Peacock / Sky Show
Charlie, der menschliche Lügendetektor

Aber auch da liess sich Show-Creator Rian Johnson, der mit den Mysterythrillern «Knives Out» und «Glass Onion» Erfolge feierte, was einfallen. Jede Episode ist mit Stars besetzt, die erfolgreich gegen Lyonne anspielen können.

In der ersten Episode ist es Adrien Brody. Er spielt Sterling Frost, den Sohn eines Casino-Magnaten, der sich die besondere Eigenschaft von Charlie Cale (Natascha Lyonne) zunutze machen will. Charlie ist eine Art menschlicher Lügendetektor. Intuitiv spürt sie zuverlässig, ob jemand die Wahrheit sagt oder «bullshit» erzählt.

Sterling will mit Charlies Fähigkeiten einen grossen Gambler ausnehmen. Doch dazu kommt es nicht. Denn Charlie findet heraus, dass Sterling verantwortlich ist für den Mord an ihrer Freundin. Die Ereignisse überstürzen sich und Charlie muss vor Sterlings Vater fliehen, den sie schon früher einmal gewaltig verärgert hat.

Eine Sängerin mit rotem Lederoberteil vor einem Schlagzeug. Links und rechts zwei Männer sitzend mit Gitarren.
Chloë Sevigny spielt die Sängerin einer Heavy Metal Band, deren Schlagzeuger auf der Bühne ermordet wird. © Sara Shatz / Peacock / Sky Show
Parade der Stars

Von jetzt an ist sie auf der Flucht. An jeder ihrer Stationen wird sie in die Aufklärung eines Mordes verwickelt. Vorab sehen wir jeweils, wie der Mord geschah. Dann beginnt die Geschichte nochmal von vorn, diesmal mit Charlie Cale im Bild, die immer irgendwie involviert ist.

Schon allein die Parade von Stars, die als Täter:innen oder Opfer fungieren, lohnt die Serie anzuschauen: Joseph Gordon-Levitt, Ellen Barkin, Ron Perlman, Chloë Sevigny, Nick Nolte und viele andere geben sich in «Poker Face» die Ehre.

Besonders freute mich das Wiedersehen mit Simon Helberg. Er macht hier als FBI-Agent eine gute Figur mit viel Witz und Schalk. Ganz so, wie wir ihn als Howard Wolowitz aus «Big Bang Theory» in Erinnerung haben.

Ein Mann in Anzug und Krawatte schaut mit grossen Augen.
Nur wenige Figuren sind in mehreren Episoden zu sehen. FBI-Agent Luca Clark (Simon Helberg) ist eine davon und wird zum wichtigen Verbündeten von Charlie. © Peacock / Sky Show
Kann sie mehr als kauzigen Schabernack?

Und dann ist da natürlich Natascha Lyonne. Sie ist als exaltierte Charlie eine ähnlich skurrile Figur wie Columbo, wenn auch viel temperamentvoller. Statt im schäbigen Regenmantel stiefelt sie mit Sonnebrille und in Hotpants herum und stellt eher beiläufig die entscheidenden Fragen, die den/die Täter:in entlarvt.

Dass sie auch ein treibender Faktor für die komödiantische Seite ist, versteht sich fast schon von selbst. Man könnte sich am Schluss einzig fragen, ob sie eigentlich auch mehr kann, als auf dem Bildschirm kauzigen Schabernack zu treiben. Aber letztlich egal. «Poker Face» ist Lyonne wie auf den Leib geschrieben und grossartige Unterhaltung.

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Besetzung: Natasha Lyonne | Benjamin Bratt | Simon Helberg | Pedro Hollywood | Adrien Brody | Hong Chau | Joseph Gordon-Levitt | Chloë Sevigny | Ellen Barkin | Ron Perlman | Nick Nolte | Cherry Jones | Luis Guzmán | Jameela Jamil
Serie entwickelt von: Rian Johnson
Genre: Krimi | Komödie
USA, 2023

The Last of Us (Staffel 1) – Wenn schon Postapokalypse, dann bitte genau so

Serienposter mit Schriftzug. Ein Mann und eine junge Frau vor der Kulisse einer zerstörten Stadt. Schwarze Wolken am Himmel.
5 von 5 Sternen

Läuft bei: Sky Show (1 Staffel, 9 Episoden à 50 Min.)

Der Hype um die postapokalyptische HBO-Show «The Last of Us» ist riesig. Vor allem, weil die Geschichte eine grosse Fangemeinde hat, die bereits das Videogame gespielt hat.

Das Augenmerk der Kritik liegt deshalb oft darauf, wie gut die Serie das hochgelobte Game auf den TV-Bildschirm bringt. Damit kann ich nicht dienen. Habe das Game nie gespielt, weil es nicht als PC-Game erhältlich ist.

Nichts Neues, aber dafür sehr gut

Eigentlich ist das auch egal. Der Vergleich mit einer Vorlage, ob Game oder Buch, sagt wenig bis nichts darüber aus, wie gut die Serie ist. Das ist aber das einzige, was uns als Zuschauer:innen interessiert. Und da muss man sagen: «The Last of Us» überzeugt durchgehend.

Eine Frau und ein Teenager sitzen am Boden und reden miteinander.
Marlene (Merle Dandridge), die Anführerin der Fireflies, hat Ellies (Bella Ramsey) spezielle Eigenschaft als erste entdeckt. © HBO / Sky

Das überrascht etwas, denn originell ist die Serie sicher nicht. Geschichten von postapokalyptische Welten und Menschen, die darin ihren Weg suchen, haben wir schon viele gesehen. Da braucht es schon etwas mehr, um wirklich zu überzeugen.

Wohltuend wenig Monster

Bei «The Last of Us» ist das in aller Kürze zusammengefasst: Wohltuend wenig Monster. Die Serie setzt nicht auf billigen Horror. Dafür menschelt es sehr. Es werden rührende Geschichten erzählt und spannende Abenteuer inszeniert in einem fantastischen Setdesign. Nicht zuletzt lebt die Serie vom hervorragenden Duo Pedro Pascal und Bella Ramsey.

Sie sind Joel und Ellie und eher unfreiwillig gemeinsam unterwegs durch ein zerstörtes Land. Die Apokalypse hat ein Pilz herbeigeführt, der bislang nur Insekten befiel. Eine mutierte Form griff auf Menschen über und machte aus ihnen willenlose Zombies, die den Pilz weiterverbreiten.

Die Pilz-Pandemie – eine echte Gefahr?
Der «Killer-Pilz» Ophiocordyceps unilateralis (Wikipedia)
So realistisch ist die Serie «The Last of Us» (NZZ)
Den Zombiepilz aus «The Last of Us» gibt es wirklich (20min)

Joel schlägt sich bereits seit 20 Jahren durch in dieser kaputten Welt. Das Militär hat die Macht übernommen hat. Rebellen, die sich «Fireflies» nennen, bekämpfen wiederum diesen totalitären Staat.

Zwei Menschen mit Taschenlampen. An der Wand die Umrisse eine Menschen, der von dem Pilz getötet wurde.
Das letzte Stadium der Pilzinfektion. © HBO / Sky
Ellie ist der Schlüssel für ein Heilmittel

Joel hält sich aus diesen Kämpfen raus, schlägt sich als Schmuggler durch. Er ist desillusioniert, hat eigentlich den Willen zu leben verloren, als gleich zu Beginn der Katastrophe seine Tochter ums Leben kam. Ihm bleibt nur sein Bruder als Familie. Den sucht er jetzt.

Nur deshalb lässt er sich auf einen Deal mit den Fireflies ein. Joel soll eine junge Frau aus Boston rausschmuggeln und zu einem Treffpunkt der Rebellen bringen. Dieser Teenager, Ellie, könnte der Schlüssel dazu sein, ein Heilmittel zu finden. Sie ist immun gegen den Pilz.

Vom Frachtgut zum Lebensinhalt

Auch wenn Joel klar ist, wie bedeutend das sein könnte, geht es ihm vor allem um seinen Lohn für den Job. Eine Batterie für sein Auto, damit er seinen Bruder suchen kann. Ellie, so sagt er ihr, ist für ihn nur Frachtgut.

Klar, dass die Reise der beiden nicht am vereinbarten Treffpunkt endet, sondern erst beginnt. Und ebenso klar, dass Joel und Ellie bald alles füreinander tun, um sich gegenseitig zu beschützen.

Eine junge Frau und ein Mann sehen in der Ferne auf einem Hügel ein abgestürztes Flugzeug.
Ellie hat keine Vorstellung, wie das ist, in einem Flugzeug zu fliegen. © HBO / Sky

Allein dieser Plot macht «The Last of Us» sehenswert. Wie der störrische Teenager und der depressive Mittfünfziger sich gegenseitig einen Lebenssinn geben, ist berührend. Eine der Szenen gegen Schluss, in der die beiden im trostlosen Salt Lake City einer Giraffenherde begegnen, wird man nicht vergessen.

Eine fast surreale Liebesgeschichte

Dazu kommen weitere Geschichten, die der von Joel und Ellie nicht nachstehen. Am meisten sticht die Begegnung eines Preppers mit einem Künstler heraus, der in eine Falle des Preppers fällt.

Daraus entwickelt sich eine schon fast surreale Liebesgeschichte, die man so nicht kommen sieht. «The Last of Us» widmet dem Paar fast eine ganze Episode, die zu den stärksten der Serie gehört.

Ein bärtiger Mann mit einem Gewehr vor einem Maschendrahtzaun.
Bill (Nick Offerman), der Prepper, hat sich abgeschottet von der Welt, bis eines Tages ein Fremder in eine seiner Fallen fällt. © HBO / Sky
Hervorragend in allen Belangen

Auch produktionstechnisch schöpft die Serie aus dem Vollen und scheut keinen Aufwand. Mit grosser Akribie werden die zerfallenen Städte und Gebäude bis ins Detail in Szene gesetzt. Anna Torv, in der Serie Joels Freundin, schildert im «Making of», wie sie durch einen Tunnel lief und am Boden kleine Punkte bemerkte, die als Mäusekacke verstreut worden waren.

Nicht, dass «The Last of Us» das Genre der postapokalyptischen Serien jetzt gerade neu definieren würde. Aber die Show ist in allen Belangen sicher eine der qualitativ besten des Genres, die es in den letzten Jahren zu sehen gab.

Wie viele Sterne gibst du «The Last of Us» (Staffel 1)?
14 Stimmen

Besetzung: Pedro Pascal | Bella Ramsey | Anna Torv | Merle Dandridge | Gabriel Luna | Nick Offerman | Murray Bartlett | Melanie Lynskey | Lamar Johnson
Serie entwickelt von: Neil Druckman | Craig Mazin
Genre: Action | Abenteuer | Drama
USA, 2023

The English (Mini-Serie) – Ein Western-Juwel räumt mit dem amerikanischen Ur-Mythos auf

Serienposter mit Schriftzug. Eine Frau mit Hut hält einen Pfeilbogen in der Hand. Hinter ihr das Profilbild eines Mannes. Beide verdecken die weisslich leuchtende Sonne.

Läuft bei: Sky Show / Amazon US (Mini-Serie, 6 Episoden à 50 Min.)

Der Western sollte doch langsam vom Aussterben bedroht sein. Ein Genre, das in seiner DNA den starken Weissen Mann abfeiert, Frauen ignoriert, Selbstjustiz und die Unterjochung der indigenen Bevölkerung glorifiziert, das sollte heute so was von aus der Zeit gefallen sein.

Denkste. Westernserien erleben so was wie ein Revival. Paramounts «Yellowstone» mit Kevin Costner ist ein grosser Hit, läuft seit 2018 und hat bereits zwei Ableger: «1883» (mit Sam Elliott und den Country-Stars Tim McGraw und Faith Hill) und «1923» (mit Harrison Ford und Helen Mirren). Ein viertes Spin-Off ist angekündigt.

Ein Brite zeigt, wie moderner Western wirklich geht

Klar, neue Westernserien sind meist mit der Zeit gegangen. Sie verherrlichen nicht mehr hemmungslos die Besiedelung des Westens. Oft schwingt die Verehrung dieses ur-amerikanischen Mythos aber noch mit.

Ein Gebäude aus Holz angeschrieben als Hotel steht einsam in der Prärie. Davor eine Kutsche und ein paar Menschen.
Faszinierende Bildwelt: So ein Hotel hat man noch kaum in einem Western gesehen. © Drama Republic

Mit Ausnahmen – wie jetzt beispielsweise «The English». Das liegt nicht zuletzt daran, dass diese Mini-Serie eigentlich eine britische Produktion ist. Dahinter stehen die BBC und der Autor und Regisseur Hugo Blick.

Blick zeichnete bereits für zwei andere hervorragende Serien verantwortlich: «The Honorable Woman» (2014), ein Spionage-Thriller vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts, und «Black Earth Rising» (2018), die Geschichte einer jungen Frau, die bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen ihren Wurzeln in Ruanda nachspürt.

Ein ungleiches Paar – die Engländerin und der Pawnee

Und auch diesmal liefert Blick ein kleines Meisterwerk ab. Ein Western, der in wunderschönen Bildern eine deprimierende Welt zeigt, in der ein ungleiches Paar eine Reise antritt, um jeder auf seine Weise mit der Vergangenheit abzuschliessen.

Sie ist die Engländerin Lady Cornelia Locke (Emily Blunt), die nach Amerika reist, um dort den Mann zu finden und zu töten, den sie für den Tod ihres Sohnes verantwortlich macht.

Ein gefesselter Mann mit blutigem Gesicht. Eine Frau in vornehmen Kleidern nähert sich ihm.
Die erste Begegnung zwischen der englischen Lady (Emily Blunt) und dem Pawnee (Chaske Spencer). © Drama Republic

Er ist Eli Whipp (Chaske Spencer), ein Pawnee, der eigentlich Ckirirahpiks (Wounded Wolf) heisst und jahrelang in der Armee als Scout diente. Jetzt will er das versprochene Stück Land beanspruchen, das Veteranen zusteht.

Als sie sich begegnen, hängt Eli gefesselt an einem Holzbalken vor einem Hotel, das einsam in der Prärie steht. Cornelia kommt in einer Kutsche an. Sie versucht, den Hotelbesitzer Richard Watts (Ciarán Hinds) dazu zu bewegen, Eli freizulassen.

Das Land der Gier und der falschen Versprechen

Doch Watts hat andere Pläne. Im Auftrag des Mannes, den Cornelia aufspüren will, soll er sie umbringen. Den Mord will er Eli in die Schuhe schieben. Eli kann sich aber befreien und tötet Watts. Von nun an reiten Eli und Cornelia gemeinsam nach Norden.

Watts und seine Helfer bleiben nicht die einzigen Leichen, die ihren Weg säumen werden. Der Westen im Jahr 1890 ist ein gesetzloses Land, in dem Gewalt und Gier vorherrschen. Das Versprechen von einem neuen Leben, das allen winkt, die fleissig sind und arbeiten wollen, ist eine grosse Lüge.

Eine Frau hat einen Fuss auf einem toten Pferd abgestützt und hält einen gespannten Pfeilbogen in der Hand.
Schnell zeigt sich, dass die vornehme Lady Cornelia geeignete Fertigkeiten besitzt für das raue Leben im Wilden Westen. © Drama Republic

Deshalb wird Eli sein Stück Land nie bekommen. Die Weissen haben seinen Stamm vor Jahren vetrieben, seine Familie getötet und das Land gestohlen. Sie werden einem Pawnee sicher keinen Quadratmeter zurückgeben.

Der Banalität widerstanden

Das ist ein Teil seiner Geschichte, die er nach einiger Zeit Cornelia erzählt. Auch sie vertraut ihm an, wie ihr Sohn gestorben ist und weshalb sein Vater dafür den Tod verdient.

Es sind die Gespräche, in denen sie sich näher kommen. Zwei Aussenseiter, die nicht in diese Welt passen und sich doch bestens darin zurechtfinden. Auch mit der Gewalt, die herrscht.

Ein Mann sitzt an einem Tisch. Neben ihn der Wirt, einen Teller in der Hand hält.
Sheriff Robert Marshall (Stephen Rea, l.) wäre eigentlich für Recht und Gesetz zuständig. Aber er weiss, dass hier andere Regeln gelten. © Drama Republic

Ein Paar werden sie nie. Das wäre viel zu banal für die Geschichte, die «The English» erzählt. Nicht nur darin unterscheidet sich die Serie von einem Durchschnittswestern, der der Versuchung einer Romanze zwischen den beiden sicher nicht hätte widerstehen können.

Der Western-Mythos glaubhaft geschildert

«The English» erzeugt über sechs Episoden eine fesselnde Stimmung von Hoffnung und Verzweiflung. Die Serie inszeniert diese Welt in faszinierenden Bildern und einem gemächlichen Erzähltempo, das einen eintauchen lässt in die Seele eines Mythos, der hier so viel glaubhafter erscheint als in vielen anderen Erzählungen.

Und nicht zuletzt glänzt «The English» mit zwei überragenden Hauptdarsteller:innen, an deren Seite weitere Schauspieler:innen agieren, die ihnen kaum nachstehen.

Wie viele Sterne gibst du «The English»?
9 Stimmen

Besetzung: Emily Blunt | Chaske Spencer | Tom Hughes | Stephen Rea | Steve Wall | Valerie Pachner | Rafe Spall | Ciarán Hinds | Tonantzin Carmelo | Toby Jones
Serie entwickelt von: Hugo Blick
Genre: Western | Drama
GB / USA, 2022

Funny Woman (Staffel 1) – Spassige Hommage an die Swinging Sixties

Serienposter mit Schriftzug. Eine Frau in blauem Kostüm schreitet eine Treppe hoch, die aus alten Schwarzweissfernsehgeräten besteht. © Sky Studios
4 von 5 Sternen

Läuft bei: Sky Show (1 Staffel, 6 Episoden à 45 Min.)

Auf der Suche nach leichter Kost? Wohlfühlfernsehen mit ein wenig ernsthaftem Unterton? Dann bist du bei «Funny Woman» genau richtig. Eine relativ seichte, spassige Emanzipationsgeschichte mit viel 60er-Jahre-Groove, passendem Soundtrack und einer Verbeugung vor der Geschichte der britischen TV-Comedy.

«Funny Woman» basiert auf dem Roman «Funny Girl» von Nick Hornby. Ein bekannter Name als Autor von unterhaltsamen Geschichten, von denen es einige auf die Leinwand schafften. In Erinnerung dürften vor allem «High Fidelity» (2000) mit John Cusack und «About a Boy» (2002) mit Hugh Grant sein.

Der Traum vom Showbiz

Die Serie erzählt. wie Barbara Parker (Gemma Arterton) aus Blackpool den Titel der Miss Blackpool Belle gewinnt und unvermittelt realisiert, dass das überhaupt nicht das Leben ist, das sie sich wünscht.

Eine Frau blickt erwartungsvoll aus dem Fenster eines roten Busses.
Von Blackpool nach London: Barbara (Gemma Arterton) hofft auf eine Karriere als Schauspielerin in der vibrierenden Grossstadt. © Sky Studios

Sie verlässt Vater (David Threlfall) und Tante (Rosie Cavaliero), bei denen sie wohnt, kündigt ihren Job in der Zuckerwarenfabrik, lässt ihren Freund, den schönsten Metzger von Blackpool, sitzen und fährt nach London.

Barbara träumt von einer Karriere im Showbusiness. Sie lernt den Theateragenten Brian Debenham (Rupert Everett) kennen, der für sie durchaus Chancen im Business sieht. Allerdings unterscheiden sich die Vorstellungen der beiden, wofür Barbara geeignet ist.

Im Blitzlichtgewitter der Klatschpresse

Barbara sieht sich auf der Bühne als grosse Komödiantin. Brian sieht sie als Blondine mit guter Figur, die besser nicht den Mund aufmacht, weil ihr Akzent ihre Herkunft aus dem Norden und der Unterschicht verrät.

Tatsächlich aber gelingt es Barbara nach einigen Rückschlägen einen TV-Produzenten von ihrem komödiantischen Talent zu überzeugen. Sie bekommt unter ihrem Künstlernamen Sophie Straw die weibliche Hauptrolle für eine Comedy Playhouse-Pilotfolge, die zu einer Hit-Show wird.

Ein Mann und eine Frau verlassen das Büro eines Mannes, der im Hintergrund am Tisch sitzt.
Dennis (Arsher Ali) und Barbara gelingt es, Ted (Alistair Petrie), den «Head of Light Entertainment» des TV-Senders, von ihrer Show zu überzeugen. © Sky Studios

Barbara erobert die Herzen des Publikums und landet schnell im Blitzlichtgewitter der Tabloids, nicht zuletzt wegen der Liaison mit ihrem Co-Star Clive (Tom Bateman).

Die Zeit des Umbruchs

Auch wenn Barbara ein gewisses Selbstbewusstsein als Frau hat und sich beschwert, dass sie keine Witze über ihre «knockers» in der Show will, bleibt sie über weite Strecken die etwas naive Unschuld vom Lande. Nur langsam entwickelt sie eine entschlossene Seite, die nicht mehr zulässt, als Spielzeug für Männer zu dienen.

Ein Mann sitzt an einem Schreibtisch und zeigt das Titelblatt einer Zeitung.
Barbaras Agent Brian (Rupert Everett) ist begeistert von den Schlagzeilen über Barbaras Liaison mit ihrem Co-Star. © Sky Studios

Das ist nur das offensichtlichste Beispiel dafür, dass «Funny Woman» zwar viele Themen aus den Swinging Sixties anspricht, die im Umbruch sind, aber nicht wirklich vertieft.

Barbaras Schwarze Freundin Diane (Clare-Hope Ashitey) etwa bekommt einen Job bei den TV-News. Ein Zuschauer fragt daraufhin, ob es denn keine netten Weissen Frauen für den Job gegeben habe.

Zeitgeist, ja – aber locker und spassig

Ganz selbstverständlich befiehlt der unsympathische TV-Boss Ted (Alistair Petrie) seinem indischstämmigen Produzenten Dennis (Arsher Ali), die Rolle eines Inders in der Comedy-Show mit einem Engländer zu besetzen, der den Akzent nachäfft. Bill und Tony, die beiden Autoren der Show, schliesslich, sind homo-, respektive bisexuell, was sie verbergen müssen, denn bis 1967 war das in England strafbar.

Zwei Frauen in einem poppigen Kleiderladen mit vorwiegend rötlichem Wanddekor.
Rassismus gegen Barbaras Freundin Diane (Clare-Hope Ashitey) ist zwar ein Thema. Aber im Vordergrund stehen die groovy Sixties mit poppigem Design bis in die Kleiderläden. © Sky Studios

Jetzt ist das nicht wirklich eine Schwäche von «Funny Woman», wenn Rassismus, Frauendiskriminierung und Schwulenfeindlichkeit nicht ausgiebig dramatisiert werden. Letztlich will die Serie eine Komödie sein, die den Zeitgeist zwar aufnimmt, aber eher locker und spassig damit umgeht.

Das gelingt wirklich ansprechend. Vor allem dank der Hauptdarstellerin Gemma Arterton, die die Serie mit immenser Energie und Spielfreude trägt. Aber auch dank den Nebenfiguren, die feine Akzente setzen und damit den einen oder anderen zusätzlichen Farbtupfer an die bunte Hommage an die 60er-Jahre beisteuern.

Gezeichnet: Schwarze tanzende Silhoutten vor grosser Silberkugel und orange-rotem Hintergrund.
Soundtrack «Funny Woman»

Golden Oldies aus den 60ern: Hier gibt’s den Soundtrack zur Serie als

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Wie viele Sterne gibst du «Funny Woman» (Staffel 1)?
0 Stimmen

Besetzung: Gemma Arterton | Tom Bateman | David Threlfall | Rosie Cavaliero | Morwenna Banks | Rupert Everett | Leo Bill | Alexa Davies | Arsher Ali | Matthew Beard | Clare-Hope Ashitey | Alistair Petrie
Genre: Komödie | Historie
GB, 2023

Gangs of London (Staffel 2) – Eine Stadt versinkt in Blutbädern

Serienposter mit Schriftzug. Drei Personen stehen hinter einer futuristischen Skyline. Der Himmel mit rötlichen Wolken behangen.
3 von 5 Sternen

Läuft bei: Sky Show (2 Staffeln, 16 Episoden à 50 Min.)

Stellt die Eimer bereit für das Blut, das aus dem Fernseher strömt, wenn ihr die zweite Staffel «Gangs of London» schaut. Was nur bedeutet, dass die Serie sich treu bleibt. Denn schon in der ersten Staffel floss reichlich Blut, allerdings sind es dieses Mal noch ein paar Liter mehr.

Gangs of London – Staffel 1
20 Jahre lang war Finn Wallace der unangefochtene König der Londoner Unterwelt, der ein exorbitantes Vermögen mit seinen kriminellen Machenschaften verdient hat, das die Familie Dumani für ihn verwaltet.
Jetzt ist er tot, ermordet. Es entbrennt ein Machtkampf, den Finns gnadenloser Sohn Sean für seine Familie entscheiden will. Doch ihm machen Albaner, kurdische PKK-Kämpfer und das pakistanische Drogenkartell den Platz streitig. Mittendrin der Undercover-Cop Elliot, der sich in den Wallace-Clan eingeschlichen hat.

Erneut also nichts für empfindliche Gemüter, das muss man deutlich betonen (deshalb ist auch der Trailer unten mit einer Altersbeschränkung versehen). Folter, Misshandlung, Verstümmelung und Mord gehören zur Tagesordnung für die «Gangs of London».

Ein Sadist sorgt für Ordnung

Ein neues Gesicht ist für die übelsten Grausamkeiten zuständig. Koba (Waleed Zuaiter) ist der sadistische Mann fürs äusserst Grobe. Der georgische Mafioso arbeitet für «die Investoren», die jetzt das Sagen haben in der Londoner Unterwelt. Er sorgt dafür, dass keine der Gangs aus der Reihe tanzt.

Ein Mann mit graumeliertem Haar in brauner Lederjacke steht vor einem Gemälde, das unscharf im Hintergrund zu sehen ist.
Kobas (Waleed Zuaiter) Methoden im Umgang mit seinen Feinden als unzimperlich zu beschreiben, ist eine starke Untertreibung. © Sky / GOL Production

Als operativer Chef für die Investoren agiert der pakistanische Drogenbaron Asif Afridi (Asif Raza Mir) und für die Finanzen sind wieder Vater und Sohn Dumani zuständig. Obwohl die Machtverhältnisse geklärt scheinen, verlaufen die Geschäfte der Gangs keineswegs in ruhigen Bahnen.

Die Auferstehung eines Toten

Einige Bandenbosse, wie der Albaner Luan Dushaj (Orli Shuka), versuchen ihre eigenen Deals zu machen. Dann gibt es eine weitere geheimnisvolle Gruppe, die die Investoren entmachten will. Für die arbeitet der ehemalige Undercover-Cop Elliot Carter (Sope Dirisu), der gleichzeitig auch für die Investoren unterwegs ist. Zu guter Letzt taucht ein mysteriöser Killer auf, der für Unruhe sorgt.

Der Killer entpuppt sich als Sean Wallace (Joe Cole), den wir am Ende der ersten Staffel eigentlich tot glaubten. Aber die Kurdin Lale (Narges Rashidi) hat ihn gerettet und macht jetzt gemeinsame Sache mit ihm, um die Investoren auszuschalten und die Wallaces wieder zu den Königen der Unterwelt zu machen.

Ein Mann hält eine Waffe Richtung Kamera gerichtet.
Elliot (Sope Dirisu) will eigentlich raus aus dem ganzen Gangsterbusiness. Doch dafür muss er zuerst ein paar Leute aus dem Weg räumen. © Sky / GOL Production
Exzessive Gewalt in Zeitlupe

Diese Machtkämpfe werden mit ultimativer Brutalität und immer wieder wechselnden Allianzen geführt. Das kann man durchaus gespannt und interessiert mitverfolgen. Doch «Gangs of London» zelebriert dabei die Gewalt in einem Ausmass, das definitiv unnötig und übermässig ist.

Das untrüglichste Zeichen dafür ist der Einsatz von Zeitlupe. Das geschieht etwa bei einem Gangmitglied, dem eine Kugel eine Gesichtshälfte wegreisst. Dagegen sind die Kopfschüsse, bei denen Umstehenden ein halber Liter Blut ins Gesicht spritzt, schon beinahe zurückhaltend inszeniert. Ein bisschen mehr Effort in die Geschichte zu stecken und dafür die Gewalt zurücknehmen, hätte der Serie sehr gutgetan.

Wurde die Polizei abgeschafft?

Kommt dazu, dass einige Wendungen in der Geschichte ziemlich konstruiert sind und viel Wohlwollen verlangen, um sie nicht als absurd zu taxieren. Was man sich schon gar nicht fragen darf: Wo sind eigentlich die Gesetzeshüter:innen?

Die Gangster fahren in auffälligen Konvois unbehelligt mitten durch London. Es ballern Dutzende stundenlang wild durch die Gegend, bis sich die Leichen in den Strassen auftürmen. Und weit und breit kein:e Polizist:in in Sicht.

Ein Mann und eine Frau schiessen mit vollautomatischen Waffen in einem Zimmer.
Vater und Tochter Dumani (Lucian Msamati, Pippa Bennett-Warner) erledigen ein paar Schergen, die Koba auf sie gehetzt hat. © Sky / GOL Production

Nur gerade am Schluss lässt sich erahnen, dass die Metropolitan Police doch nicht abgeschafft worden ist. Am Horizont leuchten ein paar Blaulichter und in weiter Ferne ist der Klang von Sirenen zu hören.

Der Machtkampf wird weitergehen

Selbstverständlich wird aber nicht aufgeräumt in der Londoner Unterwelt. Die übersteht auch die neuerlichen Umwälzungen fast unbeschadet, wenn auch in wiederum ganz anderer Konstellation.

Dass das letzte Wort nicht gesprochen ist, wer König:in des organisierten Verbrechens ist in der britischen Hauptstadt, ist auch schon klar. Sky hat die dritte Staffel von «Gangs of London» bereits bestätigt. London wird erneut in Blutbädern versinken.

Die Umfrage ist beendet

Wie viele Sterne gibst du «Gangs of London» (Staffel 2)?
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Besetzung: Sope Dirisu | Joe Cole | Michelle Fairley | Lucian Msamati | Brian Vernel | Pippa Bennet-Warner | Orli Shuka | Asif Raza Mir | Narges Rashidi | Waleed Zuaiter | Jahz Armando
Serie entwickelt von: Gareth Evans | Matt Flannery
Genre: Action | Thriller
GB, 2022

Superman & Lois (Staffel 1) – Übelster US-Familien-Mief

Serienposter mit Schriftzug. Vier Menschen im Porträt, ein Mann, eine Frau, zwei junge Männer. Im Hintergrund ein ländliches Gebäude umgeben von Feldern.

Läuft bei: Sky Show (1 Staffel, 15 Episoden à 40 Min.)

Wie lässt sich die altbekannte Geschichte von Superman (Tyler Hoechlin) und seiner grossen Liebe Lois Lane (Elizabeth Tulloch) «neu» erzählen, möglichst langweilig und doof? «Superman & Lois» hat die ultimative Antwort gefunden: Man jubelt den beiden zwei pubertierende Söhne unter und steckt sie auf eine Farm in der Pampa. Die «Waltons» und «Little House on the Prairie» lassen grüssen.

Superman als American Dad

Dieser amerikanische Mief von heilem Familien- und Landleben wird von der ersten Minute an zelebriert. Ich habe mich immerhin durch drei Episoden durchgekämpft, bevor ich es endgültig nicht mehr ertragen habe.

Dabei reicht es eigentlich, die ersten vier Minuten anzuschauen. Dann weiss man, was einem droht: Supermans glückliche Kindheit im Kaff Smallville. Er zieht in die grosse Stadt, verliebt sich, Hochzeit, Zwillinge und nebenbei den Job als Superheld, den er aber nur macht, damit die Welt ein sicherer Platz ist für seine Familie.

Ein Mann trägt eine Frau in weissem Brautkleide auf den Armen.
Was fehlt bisher noch im Superman-Universum? Genau, der Kryptonier glücklich verheiratet als Familienvater. © CW / Sky
Mama Kent mahnt den Sohnemann

Das hat Superman von seiner Mama gelernt. Die sagt ihm auch zu Beginn klipp und klar: die Welt retten? Sch… drauf. «Du hast eine grössere Verantwortung – gegenüber deiner Familie und als Vater.»

Bitte, was? Der Mann, der im Alleingang alle Bösewichte der Welt zur Strecke bringen kann, soll besser mit seinen Söhnen ihre Pubertätsproblemchen besprechen? Zum Glück hat Mama Kent nicht mehr viele Gelegenheiten, solchen Stuss abzusondern, sondern segnet bald das Zeitliche.

Landliebe vom schlimmsten

Aber besser wird’s deshalb nicht. Im Gegenteil. Supi entdeckt die Landliebe neu und verfrachtet die ganze Familie aufs elterliche Anwesen in Smallville. Weil, findet auch Lois, aufm Land hat man mehr Zeit für – dreimal darf man raten – die Familie. Denn Supi will ein besserer Vater werden, vor allem für den einen seiner Söhne, der mit sich und der Welt grundsätzlich ein Problem hat.

Ein Mann mit einer Baseballmützer. Im Hintergrund Footballspieler.
Auch dieses Klischee wird bedient: Superman (Tyler Hoechlin) nimmt seine Vaterpflichten ernst und besucht das Footballspiel seines Sohnes. © CW / Sky

Es fehlen dann auch die High-School-Bullies nicht, die die Neuen aus der Stadt nicht mögen. Barbecues mit den ehrlichen, hart arbeitenden Landmenschen. Zudem gibt es den bösen Firmenchef, der nicht nur Lois‘ neuer Boss ist, sondern auch noch Smallville ausbeuten will. Und einen Erzfeind für Superman, der sich Captain Luthor nennt, und völlig erratisch auftaucht.

Superman hätte den Gnadentod verdient

Alles ist so vorhersehbar geplottet, dass einem das Gesicht einschläft. Ausser, man kann sich wieder mal über einen sülzigen Dialog aufregen. Wie es diese Serie zu bisher zwei Staffeln schaffen konnte und eine dritte auf sicher ist, ist mir ein Rätsel.

In der ersten Episode sticht Captain Luthor Superman ein Stück Kryptonit in die Brust. Superman hätte es stecken lassen sollen. Es wäre ein Gnadentod gewesen, der uns Zuschauer:innen viel Elend erspart hätte.

Die Umfrage ist beendet

Wie viele Sterne gibst du «Superman & Lois» Staffel 1?
0 Stimmen

Besetzung: Tyler Hoechlin | Elizabeth Tulloch | Alex Garfin | Jordan Elsass | Dylan Walsh | Emmanuelle Chriqui | Indie Navarrette | Wolé Parks
Serie entwickelt von: Todd Helbing | Greg Berlanti
Genre: Superhelden | Action | Drama
USA, 2021

The White Lotus (Staffel 2) – Unterhaltsam, aber zu brav

Serienposter mit Schriftzug. Neun Personen im Porträt. Fünf Männer und vier Frauen. Eine Frau in pinkem Kleid sitzt auf einer grünen Vespa.
3 von 5 Sternen

Läuft bei: Sky Show (2 Staffeln, 13 Episoden à 55 Min.)

=> The White Lotus (Staffel 1)

Von Hawaii, wo die erste Staffel spielte, einmal um die halbe Welt nach Sizilien. Hier in Taormina steht das nächste Luxushotel der «White Lotus»-Kette, in dem eine Reihe illustrer Gäste ihre Ferien geniessen.

Wobei geniessen wohl das falsche Wort ist. Wie schon am Pazifik, gibt es auch am Mittelmeer Streit und Intrigen unter den Gästen.

Weniger Biss, weniger bösartig

Auch die Leiche zu Beginn fehlt nicht. Sie treibt im herrlich blaugrünen Meer in Strandnähe. Natürlich erfahren wir erst ganz am Schluss, wer hier das Zeitliche gesegnet hat und im Frachtraum statt in der First Class nachhause fliegt.

Die besten Voraussetzungen also, dass wir wieder mit hämischer Freude zuschauen können, wie sich ein paar reiche Urlauber:innen psychisch (und eben auch physisch) gegenseitig zerfleischen. Aber leider ist das Vergnügen nicht mehr ganz so gross wie in der ersten Staffel.

Eine entsetzte Frau schwimmt im Wasser. Sie hat den Mund weit offen.
Daphne (Meghann Fahy) entdeckt die Leiche, die im Wasser treibt. © HBO / Sky Show

Die Sizilien-Ausgabe von «The White Lotus» hat weniger Biss und Bösartigkeit als die vorherige Staffel. Die Konstellationen sind weniger spannungsgeladen, die Figuren teilweise fast sympathisch.

Vor allem vermisst man eine überkandidelte Figur wie Armond, den koksenden Hotelmanager, der die Schnauze so voll hatte von einem Hotelgast, dass er ihm in den Koffer kackte.

Ein Penis ist kein Sonnenuntergang

Am meisten Witz bieten zu Beginn die Di Grassos. Ihre Generationen-Unterhaltungen beim Abendessen sind amüsant. Grossvater Bert (F. Murray Abraham) flirtet mit der jungen Kellnerin trotz seiner 80 Jahre. Sohn Dominic (Michael Imperioli) und Enkel Albie (Adam DiMarco) finden das peinlich und abstossend.

Man würde doch hoffen, meint Albie, dass der Sextrieb bei alten Männern, also Männern über 50, vorbei sei. Deren «Gehänge» sei nur noch eine Zumutung für das andere Geschlecht. Bert hält dem entgegen: «Ein Penis ist eh nicht der schönste Anblick, ist schliesslich kein Sonnenuntergang.»

Drei unterschiedlich alte Männer unterhalten sich mit einer Frau.
Drei Generationen Di Grassos (Michael Imperioli, Adam Di Marco, F. Murray Abraham) wollen auf Sizilien ihre Herkunft erkunden. © HBO / Sky

Dominic sollte seinem Vater allerdings keine Vorhaltungen machen. Seine Frau und Tochter haben auf den Urlaub verzichtet, weil gerade mal wieder eine seiner Affären aufgeflogen ist. Was ihn nicht daran hindert, noch vor dem Abflug eine Prostituierte auf Sizilien zu buchen.

Wieder mit dabei: die schrille Tanya

Albie ist ganz anders als sein Vater und Grossvater. Er ist der Frauenversteher, der nette Kerl. Das bringt ihm aber keine Vorteile beim Dating. Das musste er schon ein paar mal erfahren und erlebt es auch auf Sizilien wieder. Die junge Frau, die er kennenlernt, beäugt lieber den tätowierten Macho im Swimmingpool, als mit Albie einen romantischen Spaziergang im Mondschein zu unternehmen.

Die junge Frau, Portia (Haley Lu Richardson), ist die Assistentin von Tanya (Jennifer Coolidge), die einzige Urlauberin, die schon auf Hawaii dabei war. Tanya schöpft wieder aus dem Vollen: High-Maintenance bis zum Abwinken, völlig ignorant gegenüber Mitmenschen.

Menschen auf einem Boot. Sie prosten sich zu.
Tanya (Jennifer Coolidge, 2. von rechts) findet neue Freunde auf Sizilien. HBO / Sky

Das kennen wir aber schon von Hawaii. Der Spass an ihrer Figur hält sich deshalb in Grenzen. Für neuen Wind sorgen dafür Quentin (Tom Hollander) und seine Freunde – eine Runde von illustren, schwulen Snobs, die sich begeistert um Tanya kümmern, als ihr Mann sie wegen dringenden Geschäfte sitzen lässt. Allerdings verfolgen Quentin und seine Freunde eine wenig selbstlose Agenda.

Blasse Einheimische

Schliesslich wälzen da noch zwei Paare ihre Beziehungsprobleme. Nicht völlig uninteressant, aber zu wenig ausgefallen, um wirklich zu begeistern. Die Einheimischen sind ebenfalls blasser als jene auf Hawaii, mit Ausnahme der beiden Callgirls (Simona Tabasco, letztes Jahr auf Netflix zu sehen in der empfehlenswerten 60er-Jahre Romanze «Luna Park», und Beatrice Grannò), die kräftig absahnen im Luxusresort.

Zwei junge Frauen schauen sich lächelnd an.
Mia (Beatrice Grannó) und Lucia (Simona Tabasco) holen nicht nur in Sachen Geld am meisten heraus aus dieser Woche im Luxusresort. © HBO / Sky

Ergötzen kann man sich aber an den Landschaften, Sehenswürdigkeiten und den Palazzi (eine kleine Übersicht der Drehorte). Und immer wieder beeindruckend am Horizont: der Ätna.

Die künstlerische Titelsequenz als Rätsel

Kunstinteressierten bietet «The White Lotus» ein bisschen Vergnügen abseits der Story. Immer wieder tauchen Vasen auf in der Form von menschlichen Köpfen. Die Legende hinter diesen «Teste di Moro» ist auch ein Storymotiv in der Serie.

Vor allem aber die Titelsequenz lässt einen eintauchen in Renaissance-Fresken des 16. Jahrhunderts. Allerdings sind es keine Originale, sondern für die Show produzierte Bilder, in denen Hinweise auf die Story versteckt sind.

Diese Nebenschauplätze entschädigen etwas dafür, dass die zweite Staffel von «The White Lotus» etwas weniger überzeugend gelungen ist als die Vorgängerin. Da die dritte Staffel bereits in Auftrag gegeben ist, können wir jetzt zu rätseln beginnen, wo sie wohl spielen wird.

Die Umfrage ist beendet

Wie viele Sterne gibst du «The White Lotus» Staffel 2?
3 Stimmen

Besetzung: F. Murray Abraham | Jennifer Coolidge | Adam DiMarco | Meghann Fahy | Beatrice Grannò | Jon Gries | Tom Hollander | Sabrina Impacciatore | Michael Imperioli | Theo James | Aubrey Plaza | Haley Lu Richardson | Will Sharpe | Simona Tabasco
Serie entwickelt von: Mike White
Genre: Drama | Komödie
USA, 2022

Babylon Berlin (Staffel 4) – Morgenröte des Faschismus

Serienposter mit Schriftzug. Ein Mann und eine Frau je mit halber Gesichtshälfte erkennbar. Im Hintergrund eine Tanzhalle. In der Mitte ein roter Streigen mit SA-Leuten.
Fünf goldene Sternen

Läuft bei: Sky Show (4 Staffeln, 40 Episoden à 45 Min.) / ARD ab 2023

Es ist verstörend, wie wir Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) in der Silvesternacht 1930 wieder begegnen. Rath trägt eine SA-Uniform. Zusammen mit ein paar Dutzend Gesinnungsgenossen marodiert er durch die Strassen Berlins. Sie verprügeln jüdische Passanten und zertrümmern die Schaufenster jüdischer Geschäfte.

Der Faschismus unterwandert das System

Auch Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) ist entsetzt, als sie Rath in Uniform sieht. Sie wird erst viel später erfahren, was es mit Raths Mitgliedschaft in der SA auf sich hat. Bis dahin will sie nichts mehr von ihm wissen.

Die vierte Staffel «Babylon Berlin» rückt den aufkommenden Nationalsozialismus ins Rampenlicht. Die Nazis sind politisch zwar immer noch eine Randerscheinung. Es gibt auch einen parteiinternen Putschversuch gegen Hitler, den die Serie thematisiert. Aber der Faschismus gewinnt an Boden und unterwandert langsam das System.

Drei Männer in braunen Uniformen. Einer sitzt am Tisch und raucht.
SA-Mann Walther Stennes (Hanno Koffler, Mitte) plant einen Coup gegen die Münchner Parteizentrale der NSDAP. © Frédéric Batier/ARD/SKY
Das jüdische Berlin als Kontrast

In Kontrast dazu steht die Geschichte um Abraham Goldstein (Mark Ivanir). Mit ihm tauchen wir ein in das jüdische Leben in Berlin in dieser Zeit. Eine Welt, die «ein substanzieller Bestandteil der Stadt war und das Leben prägte und befruchtete», wie Regisseur Tom Tykwer betont.

Abe Gold, wie er sich jetzt nennt, ist allerdings nicht zum Vergnügen aus den USA nach Berlin gereist. Ein Schmuckstück ist aufgetaucht, das seiner Familie gestohlen wurde. Der Diamant ist im Besitz einer wohlbekannten Figur: Alfred Nyssen (Lars Eidinger).

Zwei Männer in Mänteln und mit Hüten stehen vor einem Backsteineingang.
Jakob Grün (Moisej Bazijan, rechts) hat den «Blauen Rothschild» wiederentdeckt, ein Diamant, der der Familie von Abraham Goldstein (Mark Ivanir) gehörte. © Frédéric Batier/ARD/SKY
Nyssens Anfälle – ein Genuss

Er kennt den Hintergrund nicht, wie der Diamant in den Safe seiner Familie kam. Das kümmert Goldstein wenig. Er erpresst Nyssen, entführt seine Frau und seine Mutter, um den Stein wiederzubekommen.

Nyssen bekommt darauf einen seiner theatralischen Anfälle, färbt sich die Haare weissblond und spielt sich seine Verzweiflung an der Orgel vom Leib. Lars Eidinger zuzuschauen, wie er den exaltierten Firmenerben spielt, ist ein Genuss.

Aber zurück auf die Strassen von Berlin. Dort liefern sich die Ringvereine einen blutigen Bandenkrieg. Gereon Rath will den mit einer sehr ungewöhnlichen Idee beenden. Charlottes Schwester Toni (Irene Böhm) wird von korrupten Polizisten gejagt. Dahinter versteckt sich ein grösserer Skandal, dem Charlotte langsam auf die Spur kommt.

Eine junge rothaarige Frau in einem schäbigen Mantel und in Handschellen wird von einem Polizisten abgeführt. Im Hintergrund eine Landkarte.
Weil sie zu viel weiss, trachten Toni Ritter (Irene Böhm) ein paar korrupte Polizisten nach dem Leben. © Frédéric Batier/ARD/SKY
Beeindruckendes Zeitgemälde

Das ist bei weitem nicht alles, was zu sehen ist. Es wird spioniert. Im Boxring kämpft Johann «Rukeli» Trollmann, fiktiv der Halbbruder von Charlotte, tatsächlich eine historische Figur. Und im Moka Efti wird bei einem Marathon getanzt bis zum Umfallen.

«Babylon Berlin» überzeugt auch in der vierten Staffel als beeindruckendes Zeitgemälde. Starke Figuren inmitten von Dramen, Verbrechen und ein paar wenigen Momenten des Glücks und der Freude in einer Zeit des radikalen Umbruchs. Diese Serie darf gerne noch lange weitergehen, wenn sie diese Qualitäten beibehält.

Max Raabe schrieb den Song zur vierten Staffel «Ein Tag wie Gold». Video unbedingt ansehen! Bietet einen fantastischen Blick auf die Stimmung der Serie.

Volker Bruch und die «Querdenker»

Bleibt noch die Frage: Wie stark schadet Hauptdarsteller Volker Bruch der Serie? Seine Eskapaden in die Untiefen der «Querdenker»-Szene gaben viel zu reden.

Die Regisseure zeigten sich in einem «Spiegel»-Interview zwar leicht über Bruch genervt. Mehr aber noch über die vielen Journalistenfragen dazu. Weil diese Diskussion davon ablenke, sagt Tykwer, dass die vierte Staffel «die politisch druckvollste [ist] und ein klares antifaschistisches Statement». Und dazu leistet Bruch als Gereon Rath seinen Beitrag.

Ein Mann mit Hut, Anzug und hellbraunem Mantel im Nebel.
Möglich, dass Volker Bruchs Sinne etwas vernebelt sind. Seinem Auftritt als Gereon Rath tut das keinen Abbruch. © Frédéric Batier/ARD/SKY
Immun gegen Empörungsaktivismus

Tatsächlich war auch kaum was zu sehen von Shitstorm oder Boykottaufrufen gegen die Serie. Erfreulich, dass herausragende Unterhaltungskunst immun sein kann gegen Empörungsaktivismus.

Die Umfrage ist beendet

Wie viele Sterne gibst du «Babylon Berlin» Staffel 4?
32 Stimmen

Besetzung: Volker Bruch | Liv Lisa Fries | Lars Eidinger | Hannah Herzsprung | Fritzi Haberlandt | Benno Fürmann | Meret Becker | Ronald Zehrfeld | Mark Ivanir
Serie entwickelt von: Henk Handloegten | Tom Tykwer | Achim von Borries
Genre: Drama | Krimi | Historie
D, 2022

House of the Dragon (Staffel 1) – Noch tanzen die Drachen nicht so richtig

Serienposter mit Schriftzug. Eine Frau in langem roten Gewand. Dahinter ein Drachenkopf.

Läuft bei: Sky Show und bei Play RTS (Engl./franz. UT) (1 Staffel, 10 Episoden à 50 Min.)

Jetzt sind sie also zurück. Die Targaryens. Mit mehr und grösseren Drachen. Andere vertraute Namen aus «Game of Thrones» erklingen ebenfalls: Lannister, Stark oder Baratheon. Aber sie spielen nur Nebenrollen.

Intrigen um die Thronfolge

172 Jahre vor der Geburt von Daenerys Targaryen tauchen wir wieder ein in George R.R. Martins Fantasiewelt der sieben Königreiche. In King’s Landing sitzt Viserys I (Paddy Considine) auf dem Iron Throne, der Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Grossvater von Daenerys.

Obwohl Viserys fast die ganze erste Staffel von «House of the Dragon» herrscht, geht es weniger um ihn. Die grosse Frage lautet, wer nach ihm den Iron Throne besteigen wird. Wie nicht anders zu erwarten, wird dieser Machtkampf ausgefochten durch Intrigen, Verrat und Mord.

Ein Mann mit langen weissen Haaren sitzt an einem Tisch.
Viserys der Friedvolle (Paddy Considine) hat eine relativ ruhige Regentschaft. Seine grösste Herausforderung ist es, die Frage der Thronfolge zu regeln. © HBO / Sky
Königstochter gegen Königssohn

Zwei Anwärter:innen stehen bereit, die Krone zu tragen. Rhaenyra Targaryen (Milly Alcock, Emma D’Arcy), die Tochter des Königs. Nach dem Tod seiner ersten Frau hat Viserys sie offiziell zu seiner Nachfolgerin ausgerufen. Er bricht damit mit der Tradition, dass nur männliche Nachkommen als Thronfolger in Frage kommen.

Viserys hält an seinem Entschluss fest, selbst nachdem er mit seiner zweiten Frau Alicent Hightower (Emily Carey, Olivia Cooke), die beste Freundin von Rhaenyra, zwei Söhne zeugt. Doch es gibt Kräfte am Hof, die sich für den erstgeborenen Sohn Aegon (Tom Glynn-Carney) als Thronfolger starkmachen.

Der Machtkampf beginnt – ein bisschen

Allen voran die rechte Hand des Königs. Otto Hightower (Rhys Ifans) ist zugleich Alicents Vater. Er wittert die Chance, die Macht seines Hauses mit einem Sprössling auf dem Thron zu verankern.

Zwei junge Männer mit weissen Haaren. Einer trägt eine schwarze Augenklappe.
So grimmig und finster wie sie dreinschauen, sind sie auch. Die Söhne Aegon (Tom Glynn-Carney) und Aemond (Ewan Mitchell) von König Viserys und Alicent Hightower. © HBO / Sky

Damit sind die Pflöcke eingeschlagen, wer sich im Kampf um den Iron Throne gegenüber steht. Der Machtkampf kann beginnen. Tut er auch ein wenig. Aber erst gegen Ende der Staffel zeichnet sich ab, dass nicht nur böse Blicke ausgetauscht werden, sondern auch Blut fliessen wird.

Von der Freundin zur Feindin

Wer George R.R. Martins Bücher kennt, weiss, dass am Horizont der «Dance of the Dragons» dräut. Den Bürgerkrieg im Reich der Targaryans werden wir aber erst in der zweiten Staffel erleben. Von daher ist diese erste Staffel so etwas wie ein langes Vorspiel, dem die Dramatik aber durchaus nicht abgeht.

Da ist die Freundschaft der jungen Rhaenyra mit Alicent, die sich über die Jahre wandelt. Beiden wird bewusst, dass ihnen und ihren Kindern die Auslöschung droht, sollte der andere Zweig den Thron besteigen. Die Freundinnen werden etwas widerwillig zu Feindinnen.

Zwei junge Frauen in langen, wallenden Gewändern. Eine Frau hält ein grosses Buch in der Hand.
Ein Bild aus unbeschwerten Tagen, als Alicent (Emily Carey) und Rhaenyra (Milly Alcock) noch beste Freundinnen waren. © HBO / Sky

Verantwortlich für die Eskalation sind vor allem die Männer im Hintergrund. Alicents Vater und auf der Seite von Rhaenyra ihr Onkel Daemon (Matt Smith) schüren den Kampf um die Macht.

Das bekannte Rezept von «Game of Thrones»

«House of the Dragon» muss sich logischerweise dem Vergleich mit «Game of Thrones» (GoT) stellen. Dem hält die Serie locker stand, wenn man sich an die letzten zwei Staffeln erinnert, die ziemlich schlampig und gehetzt das grosse Epos beendeten.

Aber auch in der Gesamtschau fällt das Prequel zu GoT keineswegs ab. Die bekannten Zutaten von Machtgelüsten, hinterhältigen Plänen und skrupellosen Morden funktionieren auch hier bestens. Die Figuren sind gewohnt ambivalent, nur gute Seelen gibt es keine.

Ein Zyniker wird vermisst

Manche Charaktere wie Daemon Targaryan widern einen zuerst an, dann versöhnt man sich ein wenig. Am Schluss stellt man konsterniert fest, dass wohl doch die hässliche Seite überwiegt. Ein Wechselbad der Gefühle.

Ein Mann mit weissem Haar steht in einem Gebäude mit hohen Säulen. Seine Hände stützt er auf den Schwertknauf.
Eitel und machthungrig zu Beginn, als Daemon Targaryen (Matt Smith) seiner Nichte Rhaenyra noch den Thron streitig machen wollte. © HBO / Sky

Was im Panoptikum aber leider fehlt, ist der zynische Blick eines Tyrion Lannister. Seine spitzen Bemerkungen waren erfrischend und liessen die absurde Seite dieser Welt der Mächtigen aufblitzen.

Lasst die Drachen los

Zu grinsen gibt es deshalb bei «House of the Dragon» nichts. Aber genug Spannung, dass man immer wieder die Fingernägel in die Armlehne krallt. Man lasse also die Drachen gerne richtig tanzen in der zweiten Staffel.

Die Umfrage ist beendet

Wie viele Sterne gibst du «House of the Dragon» Staffel 1?
49 Stimmen

Besetzung: Emma D’Arcy | Milly Alcock | Matt Smith | Paddy Considine | Rhys Ifans | Olivia Cooke | Emily Carey | Eve Best | Sonoya Mizuno | Steve Toussaint | Fabien Frankel | Harry Collett | Tom Glynn-Carney | Graham McTavish
Serie entwickelt von: Ryan J. Condal | George R.R. Martin
Genre: Fantasy | Abenteuer | Drama
USA, 2022

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