

Läuft bei: Netflix (1 Staffeln, 6 Episoden à 30 Min.)
Vielleicht hätte Stéphane (Jean-Pascal Zadi) besser den Mund gehalten, als der Präsidentschaftskandidat Éric Andréï (Benoît Poelvoorde) in seiner Banlieue Wahlkampf macht. Stéphane hätte sich einigen Ärger und Peinlichkeiten ersparen können.
Aber er hätte auch die grosse Chance verpasst, vor der ganzen Nation die Probleme anzusprechen, die ihm und einer grossen Bevölkerungsschicht des Landes am Herzen liegen. Und an uns wäre eine witzige Satire vorbeigegangen, die mit Charme Spitzen gegen den französischen Politbetrieb abschiesst.
Kandidat ohne Chancen, aber mit viel Herzblut
Denn als Stéphane dem linken Kandidaten gehörig die Meinung sagt, wird das gefilmt. Das Video geht viral und schafft es sogar in die Abendnachrichten. Das erregt die Aufmerksamkeit von William (Éric Judor). Der Politberater wittert seine Chance, mit Stéphane einigen Wirbel im Präsidentschaftswahlkampf zu verursachen und gleichzeitig seiner Karriere einen Schub zu verleihen.

Kurzum, Stéphane, der Jugendarbeiter aus Bobigny, wird zum Kandidaten für das Amt des französischen Präsidenten. Natürlich ist er als Schwarzer ein krasser Aussenseiter im Feld, das vom linken Andréï dominiert wird. Daneben finden sich ein Konservativer, ein rassistischer Rechtsaussen und eine ebenfalls chancenlose Ökofeministin.
Seine Familie findet es ziemlich lächerlich, dass er überhaupt ins Rennen einsteigt. Frankreich seien nicht die USA, erinnert ihn seine Mutter, und er kein Barack Obama. Aber Stéphane punktet in den Umfragen immer mehr, obwohl er in diverse Fettnäpfchen tritt.
Austeilen nach allen Seiten
Jean-Pascal Zadi, der die Serie entwickelt hat und die Hauptrolle spielt, teilt nach allen Seiten aus. Im Vordergrund steht selbstverständlich ein System, das die Probleme der mehrheitlich Schwarzen Bevölkerung aus den Banlieues ignoriert. Das geisselt «En Place» am deutlichsten.

Andere Problematiken weist er aber nicht den Weissen zu, sondern seiner eigenen Bevölkerungsgruppe. Stéphanes Cousin Mo ist ein Antisemit, Stéphane selber verhält sich mehr als einmal sehr unpassend gegenüber seiner kopftuchtragenden Wahlkampfhelferin Yasmine. Und was seine Schwarze Verwandtschaft mit ivorischen Wurzeln über die senegalesische Herkunft seiner Frau sagt, ist auch nicht salonfähig.
Aber auch die linke Ökofeministin entblösst im Schlussduell gegen Stéphane ihre hässliche Seite. Ja, Schlussduell – am Ende wird entweder sie oder Stéphane der oder die neue Präsident:in von Frankreich. Die anderen Kandidaten sahen ihre korrupte Politik durch E-Mail-Leaks enthüllt und mussten abdanken.
Träumen darf man, auch wenn die Realität ganz anders aussieht
«En Place» ist eine Variation eines ewigen Themas: Der Aussenseiter mit dem Herzen auf dem rechten Fleck, der an die Macht stolpert. Das handelt die Serie so ab, wie es zu erwarten ist und ohne grosse Überraschungen. Aber es ist dennoch vergnüglich und letztlich auch befriedigend, wenn ein System an den Pranger gestellt wird, das versagt und unterdrückt, und am Ende ein bisschen Hoffnung auf Besserung aufkommt.

Träumen darf man ja, auch wenn in Frankreich weit und breit kein:e Schwarze Kandidat:in mit Chancen auf das höchste Amt in Sicht ist. Und die eine Frau, die schon daran geschnuppert hat, will ja wirklich kein vernünftiger Mensch dort sehen.
Besetzung: Jean-Pascal Zadi | Eric Judor | Benoît Poelvoorde | Fadily Camara | Fary | Saabo Balse | Souad Arsane | Salimata Kamate | Jean-Claude Muaka
Serie entwickelt von: François Uzan | Jean-Pascal Zadi
Genre: Kömodie
FRA, 2022
Schreibe einen Kommentar