Läuft bei: Canal+ / Prime Video (angekündigt) (5 Staffeln, 51 Episoden à 50 Min.)
Wie «True Detective» ist auch «Fargo» ein sicherer Wert für hochstehende TV-Unterhaltung. Bei beiden Anthologieserien stellt sich jeweils nur die Frage, ob die neue Staffel gut oder grossartig ist.
Die letzte Staffel von «Fargo» gilt einhellig als die schlechteste, was aber lediglich heisst, dass sie «nur» gut war. Rassenkonflikte und Klassenkampf im Mafiamilieu in den 1950er-Jahren waren als Setting interessant.
Zurück zum perfekten Mix
Das waren allerdings Themen, bei denen die Macher:innen Hemmungen zeigten, die skurrilen und exzentrischen Facetten einzusetzen, die ein Markenzeichen der Serie sind. Und wo doch, wirkten sie als Fremdkörper und aufgesetzt.
In der fünften Staffel hat «Fargo» wieder den perfekten Mix gefunden und verdient sich deshalb das Prädikat «grossartig». Sie führt uns nach Minnesota ins Jahr 2019, wo Dorothy (Juno Temple), genannt Dot, mit ihrem Mann Wayne (David Rysdahl) und ihrer knapp zehnjährigen Tochter Scotty (Sienna King) lebt.
Dot führt ein stinknormales Leben als Mutter und Hausfrau, bis sie an einer Schulversammlung, die in Randale endet, zuerst einen Mathelehrer und danach eher unabsichtlich einen Polizisten tasert. So landen ihre Fingerabdrücke in der Polizeidatenbank und ihre Vergangenheit holt sie ein.
Nach der Entführung kocht Dot Pancakes
Vor über zehn Jahren ist Dot vor ihrem gewalttätigen Ehemann geflohen. Dieser Roy Tillman (John Hamm) ist nicht irgendwer, sondern ein mächtiger Sheriff in North Dakota. Als seine Ex-Frau in der Datenbank auftaucht, schickt er zwei Schergen los, die sie zurückholen sollen.
Dot wird entführt, nicht ohne Gegenwehr, und die Schergen hinterlassen Blutspuren im Haus. Es gelingt ihr, zu fliehen, als das Auto der Entführer von zwei Polizisten angehalten wird. Einer der Polizisten wird erschossen. Gemeinsam mit dem anderen flüchtet sie in einen Tankstellenshop.
Dort erledigt Dot einen der Entführer auf der Toilette und hilft dem Polizisten, den anderen in die Flucht zu schlagen. Als die Verstärkung eintrifft, ist Dot verschwunden. Am anderen Morgen kommt ihr Mann in die Küche, wo Dot seelenruhig Pancakes fürs Frühstück vorbereitet.
Jon Hamm als grandioser Widerling
Sie sei nur ein wenig spazieren gewesen, behauptet sie. Die Blutspuren, die die Polizei im Haus gefunden hat, erzählen zwar eine ganz andere Geschichte. Aber Dot will nichts von einer Entführung wissen, sondern einfach wieder zurück in ihren Alltag. Das wird Roy jedoch nicht zulassen.
Jon Hamm spielt diesen elend widerlichen Sheriff grandios. Man hasst ihn aus tiefstem Herzen vom ersten Augenblick an. Ohne mit der Wimper zu zucken, gibt er Sätze von sich wie: «Die Frau ist der Besitz des Mannes, das steht so in der Bibel.»
Als zwei FBI-Agenten ihn wegen verschwundenen Waffen in seinem Revier befragen wollen, die Roy an die Miliz seines Schwiegervaters geliefert hat, fläzt er sich Zigarre schmauchend in einem beheizten Bottich auf seiner Ranch. Selbstgewiss erklärt er den Agenten, dass sie das alles einen feuchten Dreck angehe. Denn: «Hier draussen bin ich das Gesetz.»
Vermeintlich unbedarfte Hausfrau
Umwerfend ist auch Juno Temple, die man als schrille Keeley aus «Ted Lasso» kennt. Als Dot gibt sie sich als scheinbar unbedarftes Heimchen. Dabei ist sie wild entschlossen, ihr neues Leben zu verteidigen, wie sie ihrer verblüfften Schwiegermutter unmissverständlich zu verstehen gibt. Denn diese Qualen und diese Erniedrigung, die Roy ihr zugefügt hat, will sie nie mehr erleben.
Jennifer Jason Leigh als Schwiegermutter ist eine weitere geniale Figur. Lorraine Lyon ist reich. Sie verdient ihr Geld damit, Schulden einzutreiben. Dabei kommt ihr entgegen, dass sie keine Skrupel oder Mitgefühl kennt. Für sie ist es selbstverständlich, von der Not anderer Leute zu profitieren. Denn die Aufteilung in reich und arm ist die natürliche Ordnung der Welt.
Lorraine hegt eine tiefe Abneigung gegen ihre Schwiegertochter. Sie glaubt, dass Dot ihren Sohn nur geheiratet hat, weil sie hinter ihrem Geld her ist. Erst mit der Zeit erkennt sie, dass Dot eine Kämpferin ist wie sie selbst. Allerdings gibt es noch den einen Unterschied, dass Dot ein Herz hat.
Der Sündenfresser aus der Vergangenheit
Der skurrilste Charakter ist aber Ole Munch (Sam Spruell), der eine Entführer, der die Begegnung mit Dot überlebt. Er ist beeindruckt von ihrem Kampfgeist und beklagt sich bei seinem Auftraggeber Roy, dass er ihn nicht gewarnt habe, dass er es mit einer Tigerin zu tun bekomme.
Ole stammt aus Wales und aus einer anderen Zeit. Vor 500 Jahren wurde er als Sündenfresser bei der Beerdigung eines reichen Mannes angeheuert. Das machte ihn offenbar unsterblich, was für ihn allerdings mehr Fluch als Segen ist.
«Fargo» überzeugt in der fünften Staffel mit einer düsteren Erzählung über häusliche Gewalt und Femizid, die aber wie in den besten Staffeln der Serie mit komischen, skurrilen und fantastischen Elementen erzählt wird. Dieser Mix besticht von der ersten bis zur letzten Minute. Zurück bleibt nur ein Gefühl: Hoffentlich kommt bald eine sechste Staffel mit einer weiteren umwerfenden Geschichte.
Besetzung: Juno Temple | Jon Hamm | Jennifer Jason Leigh | David Rysdahl | Joe Keery | Richa Moorjani | Sam Spruell | Dave Foley | Sienna King
Serie entwickelt von: Noah Hawley
Genre: Thriller | Drama | Krimi
USA, 2024
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