Läuft bei: ARD (Mini-Serie, 6 Episoden à 45 Min.)
Zum 100. Todestag bringt die ARD eine Mini-Serie über den Ausnahmedichter Franz Kafka. Das kommt gut an in den deutschsprachigen Feuilletons.
Einige Edelfedern fühlen sich angespornt, Sätze zu schreiben wie: «Kafkas riesiges ‹journal intime› ist nicht die Konkretisierung einer Persönlichkeit, sondern das Zurücktreten eines Ich hinter das Selbst der Sprache.» Wäre die Serie so feuilletonesisch gemacht wie diese sprachliche Kopfgeburt, ich hätte sofort wieder abgeschaltet.
Kafka bleibt ein komischer Kauz
Aber das ist zum Glück nicht der Fall. Allerdings darf man sich umgekehrt keine falschen Vorstellungen machen. «Kafka» ist nicht Popcorn-TV, das den Autor für das heutige Publikum aufpeppt und leichtverdaulich inszeniert.
Kafka, hervorragend gespielt von Joel Basman, ist ein komischer Kauz, der in Sätzen spricht, die aus seinen Büchern stammen könnten: umständlich, verschlungen, aber immer sehr präzise formuliert. Die Mini-Serie nähert sich ihm in Episoden an, in deren Zentrum jeweils eine Person aus seinem Leben steht.
Was er schreibt, ist nie gut genug
Den Auftakt macht Max Brod (David Kross). Er war Kafkas Förderer und wurde zu seinem Nachlassverwalter. Entgegen Kafkas Wunsch verbrannte er dessen Manuskripte allerdings nicht und ermöglichte so überhaupt, dass der Schriftsteller zu Weltruhm kam.
In ihren Gesprächen äussert Kafka von Beginn an Zweifel an seinen Schriften. Er findet sie nicht gut genug. Das bleibt ein Leben lang der Grundtenor. Peinlich wird es Kafka, wenn Brod ihn fragt, ob seine eigenen Romane, die zu der Zeit recht erfolgreich waren, denn nicht gut genug seien. Doch, doch, versichert Kafka seinem Freund. Aber sein Gesicht verrät, dass sie seinen Ansprüchen nie genügen würden.
Kafkas qualvolle Beziehungen
Wir erleben Kafka auch in seinen Beziehungen zu Frauen, die immer sehr kompliziert waren. Durch Max Brod lernt er Felice Bauer (Lia von Blarer) kennen, mit der er sich verlobt. Doch zur Hochzeit kommt es nie. Es ist qualvoll, den beiden zuzuschauen, wie sie nicht aus dieser hoffnungslosen Beziehung herausfinden.
Eine wunderschöne Episode ist seiner Übersetzerin Milena Jesenská (Liv Lisa Fries) gewidmet. Ihre Beziehung wird auf einen einzigen Spaziergang an einem Frühlingstag verdichtet. Dora Diamant (Tamara Romera Ginés) schliesslich scheint die einzige Frau zu sein, die Kafka wirklich in sein Leben liess. Aber das ist vielleicht der Tatsache geschuldet, dass er todkrank war und nicht mehr schreiben konnte.
Schliesslich ist da noch die Familie, seine Schwestern, seine Mutter, aber vor allem sein Vater Hermann (Nicholas Ofczarek). Ein Tyrann, in dessen Gegenwart Franz kaum einen Mucks von sich zu geben wagt. Aber Hermann verdanken wir, so suggeriert die Serie, Kafkas berühmte Geschichte, wie sich Gregor Samsa in einen Käfer verwandelte.
Ein komplexes Leben lustvoll erzählt
In diese Episoden eingewoben sind Figuren, Szenen und Bilder aus Kafkas Werken. Wer nicht mit den Erzählungen und Romanfragmenten vertraut ist, kann diese Anspielungen auch so geniessen, weil sie – man kann es nicht anders nennen – genial kafkaesk in Szene gesetzt sind,
Die ganze Serie ist von Daniel Kehlmann so lustvoll und trotz einer gewissen Sperrigkeit der Hauptfigur leichtfüssig geschrieben, dass man gebannt dabei bleibt. Dazu kommt ein Setdesign, das immer wieder durch originelle Einfälle überrascht.
Die Besetzung schliesslich, bspw. mit Lars Eidinger als Rainer Maria Rilke oder Katharina Thalbach als grummelige Vermieterin, ist das Tüpfelchen auf dem i. Am Schluss bedauert man, dass die Geschichte zu Ende ist. Aber man kann ja Kafkas Bücher hervornehmen oder die dreibändige Biografie von Reiner Stach lesen, auf der die Mini-Serie beruht.
Besetzung: Joel Basman | David Kross | Nicholas Ofczarek | Lia von Blarer | Liv Lisa Fries | Tamara Romera Ginés | Maresi Riegner | Anne Bennent | Charly Hübner | Lars Eidinger | Christian Friedel
Drehbuch: Daniel Kehlmann | David Schalko
Genre: Biografie | Historie | Drama
D, 2024
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