Masters of the Air (Mini-Serie) – Sie waren Helden. Aber passt das in die heutige Zeit?

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Serienposter mit Schriftzug. Sieben Piloten im Porträt. Am Himmel Kampfbomber in Formation. Am unteren Bildrand die Landepiste auf der sieben Männer von hinten zu sehen sind, der Tower und zwei Bomber am Boden.
4 von 5 Sternen

Läuft bei: Apple TV+ (Mini-Serie, 9 Episoden à 60 Min.)

Braucht es heute noch Filme oder Serien über den Zweiten Weltkrieg? Nein, eigentlich ist alles gesagt. Oder doch nicht?

Immerhin hat mit «Oppenheimer» gerade ein Film bei den Oscars abgesahnt, der in dieser Ära spielt. Und in Europa wird gerade wieder Krieg geführt. Das Thema wäre höchst aktuell.

Sind diese Helden noch zeitgemäss?

Man muss die Frage bei «Masters of the Air» wohl etwas anders stellen: Braucht es heute noch Serien über den Zweiten Weltkrieg, die die alliierten Soldaten heroisieren?

Denn das tut «Masters of the Air» unzweifelhaft. Kein Wunder, wenn man weiss, dass Steven Spielberg (gemeinsam mit Tom Hanks) die Serie produziert hat.

Zwei Piloten stehen vor einem Kampfbomber aus dem 2. Weltkrieg.
John «Bucky» Egan (Callum Turner) und Gale «Buck» Cleven (Austin Butler) als junge Draufgänger, die schnell mit einer brutalen Wirklichkeit konfrontiert werden. © Apple TV+

Spielberg ist besessen vom Thema. «Masters of the Air» ist bereits die dritte Serie über US-Soldaten im Zweiten Weltkrieg nach der hochgelobten Serie «Band of Brothers» (2001) und der nachfolgenden Serie «The Pacific» (2010), die ebenfalls gute Kritiken erhielt.

Brutal und mit Pathos – wie Spielberg den Krieg inszeniert

Über allem thront Spielbergs episches Kriegsdrama «Saving Private Ryan» (1998). Die knapp halbstündige Eröffnungssequenz ist in die Kinogeschichte eingegangen für ihre schonungslose Darstellung der Grausamkeit des Krieges.

Sie zeigt US-Soldaten bei der Landung in der Normandie am D-Day, wie sie unter schwerem Beschuss an den Strand gelangen, von Kugeln getroffen werden, im Meer ertrinken oder durch Explosionen getötet werden.

Diesem brutalen Realismus steht im restlichen Teil des Filmes viel Pathos entgegen. Im Fokus steht nicht das Trauma, das die Soldaten erleben. Es weicht der Bewunderung für den Mut und die Tapferkeit. Die GIs werden zu Helden stilisiert, die ihr Leben für Land und Kameraden riskieren und dafür ewige Anerkennung verdienen.

US-Soldaten bei der Landung in der Normandie: Sanitäter beugen sich über verletzte Soldaten.
Der Anfang von Spielbergs «Saving Private Ryan» hat Filmgeschichte geschrieben. © Dreamworks/Paramount
Die blutige Geschichte der «Bloody Hundredth»

Dieses Muster findet sich in allen oben genannten Produktionen von Spielberg und hinterlässt einen etwas ambivalenten Eindruck. So auch in «Masters of the Air», der Geschichte der Fliegercrews der «100th Bombardment Group» von 1943 bis zum Kriegsende.

Diese in England stationierte Einheit ging als «The Bloody Hundredth» in die Geschichte ein, weil sie grosse Verluste erlitt. Je nach Quelle knapp unter oder etwas mehr als 200 B-17 Bomber wurden in über 300 Kampfeinsätzen abgeschossen. Dabei kamen fast 800 Soldaten ums Leben, knapp 1000 gerieten in Kriegsgefangenschaft.

Glorifizierend, aber auch differenziert und akkurat

Diesen Tragödien gibt die Serie vor allem zu Beginn viel Raum. Man erlebt die Enge in den fliegenden Festungen, wie die B-17 genannt wurde. Die Hektik und Angst, die unter Flak-Beschuss und Angriffen der deutschen Jagdflieger ausbricht. Und das Bangen der Crews, ob Fallschirme zu sehen sind, wenn eine Maschine aus der Formation abgeschossen wurde.

Ein Pilot im Cockpit blickt besorgt aus dem Fenster.
Lt. Roy Claytor (Sawyer Spielberg) im Einsatz: Der Blick aus dem Cockpit, wenn die Maschinen von Kameraden in Not geraten sind: Öffnen sich Fallschirme? © Apple TV+

Diese Momente sind nicht so intensiv wie der Beginn von «Saving Private Ryan». Aber sie lassen einem oft den Atem stocken und erzeugen ein bedrückendes Gefühl.

Auf der anderen Seite steht der Heldenmut, das Draufgängertum dieser jungen Soldaten. Oft vor allem durch die Musik mit einigem Pathos inszeniert, irritieren diese Szenen und wirken etwas wie Propagandafilme für die Air Force. Trotz dieser glorifizierenden Grundhaltung erzählt «Masters of the Air» die Geschichte differenziert und historisch akkurat.

Kämpfer mit Moral

So etwa, als die Fliegercrews erstmals ein Ziel im Zentrum einer Stadt bombardieren sollen. Das bedeutet, dass sicher auch Zivilisten, Frauen und Kinder sterben werden. Deshalb regt sich Widerspruch, als der Befehl ausgegeben wird.

Ich hielt die Szene für einen dramaturgischen Kniff der Serie, um zu unterstreichen, dass die US-Soldaten edle Kämpfer sind, die einen moralischen Kompass besitzen, im Gegensatz zu den barbarischen Nazis. Doch die Doku belegt, dass sich das tatsächlich so abgespielt hat.

Soldaten in schmutzigen Uniformhemden. Im Hintergrund ein Stacheldrahtzaun.
Wie Hunderte Soldaten aus ihrer Staffel landen auch Egan und Cleven in deutscher Kriegsgefangenschaft. © Apple TV+

«The Bloody Hundredth», die Dokumentation zu Serie, sollte man sich – im Nachgang zur Serie – unbedingt anschauen. Man erfährt darin weitere Details, die in der Serie nicht so deutlich zum Ausdruck kommen. Etwa, dass einige Soldaten ausgemustert wurden, weil ihre schlechte Stimmung als gefährlich für die Moral der Truppe angesehen wurde.

Das Ende einer Ära

Man sieht auch Steven Spielberg, wie er mehrmals seiner tiefen Bewunderung für diese Generation Ausdruck gibt und damit teilweise erklärt, was ihn immer wieder angetrieben hat, das Thema aufzugreifen. Vor allem aber erzählen die Männer selber, die damals dabei waren, was sie erlebt haben. Das ist teilweise berührender, als es die Serie rüberbringt.

Ein älterer Mann mit schütterem weissen Haar neben einem Flugzeug, von dem nur ein kleines Stück des Flügels zu sehen ist.
Nach 25 Einsätzen konnten Piloten in die Heimat zurückkehren. Robert «Rosie» Rosenthal verzichtete darauf und flog weiter, insgesamt 52 Einsätze. Dabei wurde er einmal über Frankreich und einmal über Berlin abgeschossen. Beide Male konnte er zurück nach England fliehen. © Apple TV+

«Man darf diese Generation nicht vergessen», heisst es in der Dokumentation. Und wenn man diesen Männern zugehört hat, lässt man das gelten. Von daher hat «Masters of the Air» seine Berechtigung, auch wenn der Unterton kritischer, nachdenklicher sein dürfte.

Die Serie wirkt trotz beeindruckender Inszenierung mit modernster Technik, als ob sie aus einer vergangenen Zeit stammt. Vielleicht ist sie die letzte ihrer Art und beendet die Ära solcher Kriegserinnerungen. Für Spielberg, so behaupte ich, trifft das sicher zu.

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Besetzung: Callum Turner | Anthony Boyle | Austin Butler | Nate Mann | Rafferty Law | Matt Gavan | Jonas Moore | David Shields | Ben Radcliffe | Bel Powley | Ncuti Gatwa
Serie entwickelt von: John Orloff
Genre: Historie | Drama
USA, 2024

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