Treason (Mini-Serie) – Holpriger Spionagethriller, der erst am Schluss überzeugt

Serienposter mit Schriftzug. Ein Mann im Anzug. Über seine Körper läuft ein roter Streifen, der den Big Ben auf dem Kopf zeigt.
3 von 5 Sternen

Läuft bei: Netflix (Mini-Serie, 5 Episoden à 45 Min.)

Die erste Irritation ist, dass Charlie Cox als stellvertretender MI6-Chef Adam Lawrence den Leuten beim Gespräch in die Augen schaut. Aber darüber kommt man schnell hinweg. Er trägt schliesslich kein Superheldenkostüm. Deshalb ist er klar erkennbar nicht als blinder «Daredevil» unterwegs, der der beste Marvel-Serienheld aus der Netflix-Ära war.

Drehbuch mit grossen Löchern

Schwieriger wird es, mit all den Ungereimtheiten im Drehbuch von «Treason», die noch folgen werden. Da gibt es Personenschützer, die das Haus von Adam und seiner Familie bewachen. Die merken aber nichts, wenn Adam und seine Frau Maddy (Oona Chaplin, die den Namen ihrer Grossmutter und unverkennbar die Gesichtszüge ihrer Mutter Geraldine trägt) nachts für ein paar Stunden rausschleichen.

Ein Mann im Anzug stehend vor einem Bildschirm. Zwei Männer sitzen rechts von ihm an einem Tisch.
Adam Lawrence (Charlie Cox) muss unverhofft den MI6 als C (für «Control») übernehmen. © Netflix

Als Adams Tochter entführt wird, sucht zwar das MI6 und die ganze Metropolitan Police nach ihr. Er schafft es allerdings im Alleingang sie durch ein dubioses Tauschgeschäft wieder freizubekommen. Es fragt im Nachhinein aber keine Sau, wie ihm das gelungen ist.

Die Vergangenheit holt Adam ein

Es gäbe noch mehr Beispiele, die zeigen, wie holprig diese Spionagegeschichte vor allem in den ersten drei Episoden konstruiert ist. Aber mal zurück zum Anfang: Worum geht’s überhaupt?

Nach einem Anschlag auf den MI6-Chef Sir Martin Angelis (Ciarán Hinds) wird Adam interimistisch Chef der britischen Auslandsspionage. Das war genau die Absicht der Attentäterin. Kara Yerzova (Olga Kurylenko) ist nicht nur eine ehemalige russische Agentin, sondern war auch vor Jahren Adams Geliebte.

Eine Frau mit Rucksack kauert neben einer Mauer und schaut aufmerksam in Richtung Kamera.
Ist die ehemalige russische Agentin Kara (Olga Kurylenko) Freundin oder Feindin? © Netflix
Die geheimen Dossiers des Chefs

Sie will von Adam Informationen über einen Vorfall, bei dem vor 15 Jahren in Baku ihr ganzes Team getötet wurde. Nach langem Zögern sucht Adam nach Unterlagen, findet aber nichts heraus.

Kurz darauf wird Adams Tochter entführt. Er wird erneut erpresst. Diesmal geht es um ein inoffizielles Dossier über eine Politikerin, die Premierministerin werden will. Sein Chef hortete ganze Aktenschränke mit solchen Dossiers, um sie bei Gelegenheit zu seinem Vorteil einzusetzen.

Parallel dazu wird Maddie von einer Freundin aus alten Militärtagen angegangen, die jetzt für die CIA arbeitet. Die Amerikaner verdächtigen Adam schon länger, dass er ein russischer Maulwurf sei. Maddie beginnt an Adam zu zweifeln und hilft Dede (Tracy Ifeachor), ihn zu überwachen.

Zwei Männer im Anzug. In der Mitte des Bildes ein Holzbalken.
Adams Chef Martin Angelis (Ciarán Hinds) gibt seinen Schützling zum Abschuss frei. © Netflix
Der Schluss entschädigt für das schwache Vorspiel

Und jetzt, ab der vierten Episode, wird es spannend. Adam wird zum Gejagten, der niemandem mehr trauen kann. Man musste aber einiges über sich ergehen lassen, um so weit zu kommen. Der Schluss entschädigt mit ein paar netten Twists, wenn die Frauen übernehmen, um das ganze Schlamassel zu beenden.

Dennoch ist «Treason» nur Dutzendware aus dem Genre der britischen Spionageserien. Da gibt es Besseres zu sehen wie beispielsweise die Retro-Serie «The Ipcress File». Im Vergleich überzeugt auch «Slow Horses» mit Gary Oldman und Kristin Scott Thomas mehr. Aktuell läuft hier die zweite Staffel auf Apple TV+.

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4 Stimmen

Besetzung: Olga Kurylenko | Charlie Cox | Oona Chaplin | Ciarán Hinds | Alex Kingston | Tracy Ifeachor | Beau Gadson | Samuel Leakey
Serie entwickelt von: Matt Charman
Genre: Thriller | Drama
GB, 2022

She-Hulk: Attorney at Law (Staffel 1) – Mehr als nur eine weitere Marvel-Serie in Grün

Serienposter. Eine Frau sitzt auf einer Parkbank. Die Banklehne ist ein Werbeplakat für She-Hulk. Schriftzug der Serie.

Läuft bei: Disney+ (1 Staffeln, 9 Episoden à 30 Min.)

«She-Hulk» bezieht kräftig Prügel. Nicht die Superheldin, das wäre bei ihrer übermenschlichen Stärke ein Witz. Nein, die Serie. Auf «Rotten Tomatoes» finden sich zuhauf vernichtende Kommentare wie «Worst Marvel series ever» oder «What a waste of time».

Marvel mal etwas anders

Könnte sein, dass es sich dabei vor allem um eingefleischte Marvel-Fans handelt. Wie jener User, der der Serie einen halben Stern gibt, weil seine Frau nichts mit Marvel am Hut hat, aber «She-Hulk» mochte: «My wife liked it and never watched or liked any of the other Marvel movies.»

Eine Frau im blauen Kleid mit weissen Punkten, lange schwarze Haare und grünliche Haut steht auf einem Weg umrahmt von kleinen Bäumen.
She-Hulk (Tatiana Maslany) scheint unter den eingefleischten Marvel-Fans wenig Freude zu verbreiten. © Marvel

Wer von der jüngsten Marvel-Heldin erwartet, dass sie ähnlich daherkommt wie «Hawkeye» oder «Loki», wird wohl tatsächlich enttäuscht. «She-Hulk» ist anders, aber sicher nicht schlechter.

Selbstbestimmt trotz Chauvi-Umfeld

«She-Hulk» ist eine Komödie, eine Anwaltsserie und die Geschichte einer Frau, die sowohl in ihrer normalen Gestalt als auch als Superheldin selbstbestimmt ihren Weg gehen will. Das in einem Umfeld, in dem Chauvis den Ton angeben und sogar ein paar Typen gegen sie konspirieren.

Jennifer Walters (Tatiana Maslany) macht auch ihrem Cousin Bruce Banner (Mark Ruffalo) klar, dass sie keine Lust auf Mansplaining hat. Nachdem sie bei einem Unfall mit dem Blut ihres Cousins in Kontakt gekommen ist, erhält sie ebenfalls Hulk-Fähigkeiten.

Frauen – Expertinnen in Wutkontrolle

Banner / Smart Hulk will sie danach in Wutkontrolle unterweisen. Worauf Jen ihn unterweist, dass sie wie alle Frauen unendlich erfahrener darin sei als er, ihre Wut zu kontrollieren: «When I’m catcalled in the street. When incompetent men explain my own area of expertise to me.» Denn sonst werde sie als emotional oder schwierig abgekanzelt oder vielleicht auch umgebracht.

Muskulöser Mann und Frau mit grünlicher Haut. Sie wirft einen riesigen Felsblock.
Mit seinem Kurs über Wutkontrolle gerät Smart Hulk (Mark Ruffalo) bei She-Hulk an die Falsche. © Marvel

Jen / She-Hulk ist definitiv nicht die herkömmliche Marvel-Superheldin. Diese Rolle lehnt sie unmissverständlich ab. Sie will zurück in ihr normales Leben als Staatsanwältin. Das klappt natürlich nicht wie gewünscht.

Besucher aus der Marvel-Welt

Sie muss sich in She-Hulk verwandeln, als eine Influencerin mit Superkräften in den Gerichtssaal stürmt. Das katapultiert sie umgehend ins Scheinwerferlicht, was ihr Chef gar nicht toll findet und sie feuert.

Schon bald erhält Jen aber ein neues Jobangebot. Selbstverständlich nicht, weil sie eine gute Anwältin ist. Eine Kanzlei will She-Hulk als Leiterin der Abteilung für Supermenschen. Das bedeutet, dass Jen als Hulk im Büro erscheinen muss.

Ab jetzt schlägt sie sich bei der Arbeit mit Figuren rum, die wir zum Teil aus der Marvel-Welt kennen. Emil Blonsky aka Abomination (Tim Roth), Wong (Benedict Wong) oder gegen Ende – zu meiner grossen Freude – Matt Murdock aka Daredevil (Charlie Cox) tauchen auf. Das seien jetzt aber nicht nur die üblichen Marvel-Helden-Pop-Ups, verspricht Jen direkt in die Kamera. Es sei ja ihre Show.

Ein Mann in einen roten Kostüm. Kleine Teufelhörner auf dem Kopf. Die Maske bedeckt Augen und Nase. Neben ihm eine Frau in leichter Unschärfe.
Endlich wieder da: Matt Murdock als Daredevil (Charlie Cox). Er kämpft zuerst gegen und dann mit Jen Walters. © Marvel
Kevin Feiges beinahe Cameo

Das unterstreicht sie, als sie in der letzten Episode völlig unzufrieden ist mit dem Staffelende. Wütend stürmt sie in die Marvel Studios und verlangt ein Gespräch mit Kevin. Wer jetzt auf einen Auftritt von Kevin Feige, dem Herrscher über das Marvel-Universum hofft, wird enttäuscht. Dafür gibt’s eine selbstironische Auseinandersetzung mit den Mechanismen von Marvel-Geschichten.

Diese Metaebene, noch häufiger im regelmässigen Bruch der vierten Wand eingesetzt, macht einen Teil des Humors von «She-Hulk» aus. Vor allem aber lebt die Serie von amüsanten Situationen, in denen sich die Superheldin wiederfindet.

Tatiana Maslany hat offensichtlich Spass an der Rolle

Sei das beim Dating, wo sie den muskulösen Mann auf den Arm nimmt und aufs Bett wirft. Oder bei der Arbeit, wo ein abstruser Möchtegern-Superheld namens Leap-Frog den Hersteller seines Superheldenkostüms verklagt. Oder wenn ihre Gegenspielerin Titania (Jameela Jamil) ihr das Markenrecht am Namen She-Hulk wegschnappt.

Im Innern eines Holzgebäudes. Fünf Personen sitzen im Kreis. Eine trägt eine Art Stachelschweinkostüm.
Auch eine Gruppentherapie mit ausgefallenen Teilnehmern steht für She-Hulk auf dem Programm. © Marvel

Nicht zuletzt verdankt «She-Hulk» einen grossen Teil seines Unterhaltungswertes Tatiana Maslany, die ihr Können schon in «Orphan Black» unter Beweis stellte, wo sie 17 verschiedene Figuren spielte. Ihr scheint die Rolle unbändigen Spass zu bereiten und das schwappt auf die Zuschauer:innen über.

Perfekt? Nein. Aber besser als andere Marvel-Serien

«She-Hulk» haut einen nicht komplett vom Hocker. Die CGI könnte noch einiges besser sein und nicht jeder Dialogwitz sitzt. Aber hundertmal lieber dieser emanzipatorisch eingefärbte, selbstironische Genremix als die x-te Auflage einer Weltretter:innen-Figur aus irgendeiner Mythologie (wie etwa «Moon Knight»).

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64 Stimmen

Besetzung: Tatiana Maslany | Ginger Gonzaga | Malia Arrayah | Steve Coulter | Jameela Jamil | Tim Roth | Mark Ruffalo | Benedict Wong | Renée Elise Goldsberry | Charlie Cox
Serie entwickelt von: Jessica Gao
Genre: Superhelden | Komödie
USA, 2022