The Lincoln Lawyer (Staffel 1) – Im Luxusauto Fälle lösen

Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 10 Episoden à 50 Min.)

Mickey Haller (Manuel Garcia-Rulfo) war ein erfolgreicher Strafverteidiger in Los Angeles. Dann stürzte er ab. Nach einem Unfall wurde er tablettensüchtig (Oxycontin – die Geschichte dieser Droge erzählt «Dopesick»).

Nach sechs Monaten Entziehungskur taucht Haller jetzt wieder auf und will sich langsam aufrappeln. Doch mit langsam ist nichts. Ein Anwaltskollege, der ermordet wurde, hinterlässt ihm seine Kanzlei mit einigen laufenden Verfahren.

Mit einem Mordfall will sich Haller wieder beweisen

Darunter ein publicityträchtiger Mordfall, der Haller wieder ins Geschäft bringen könnte. Der erfolgreiche Gameentwickler Trevor Elliott (Christopher Gorham) wird beschuldigt, seine Ehefrau und deren Liebhaber erschossen zu haben.

Haller muss neben diesem grossen Fall verschiedene weitere in Windeseile aufarbeiten und hetzt von einem Gerichtstermin zum nächsten. Bevorzugt tut er das auf dem Rücksitz eines seiner luxuriösen Lincolns, weil er so am besten arbeiten kann. (Privat fährt er einen Oldtimer dieser Marke, den 1964er Lincoln Continental Convertible.)

Das Private mit dem Beruflichen verbinden

Unterstützt wird Haller bei seiner Arbeit von seiner zweiten Ex-Frau (Becki Newton) und deren Freund und bald Ehemann (Angus Sampson), der als Ermittler arbeitet.

Auch mit seiner ersten Ex-Frau Maggie (Neve Campbell) kreuzen sich die Wege wieder. Privat, weil Haller engeren Kontakt zur gemeinsamen Tochter wünscht – und auch zu Maggie, die immer noch seine grosse Liebe ist. Beruflich, weil Maggie als Staatsanwältin arbeitet und in einem Fall Hallers Dienste in Anspruch nehmen will.

Ich finde

«The Lincoln Lawyer» ist ein solides Gerichtsdrama mit den nötigen Zutaten von Lügen, cleveren Winkelzügen im Gerichtssaal, Beweisfindungen in letzter Minute, überraschenden Wendungen und mit Irrungen und Wirrungen im Privat- und Liebesleben.

Viel mehr ist es dann aber nicht. Wenn Haller zu Beginn mit genialen Einfällen Prozesse im Stundentakt zugunsten seiner Klienten löst, beeindruckt das kurz. Bald wirkt das ein wenig repetitiv. Ihm fehlt auch etwas das Charisma einer wortwörtlich verwandten Figur, seines Halbbruders Harry Bosch (s. unten).

Unter dem Strich erfüllt die Serie aber die Erwartungen, die man an eine solche Genreproduktion stellt. Das verwundert auch nicht, wenn man ein bisschen die Hintergründe anschaut, resp. drei Namen, die damit verbunden sind.

Der Film zur Serie

Matthew McConaughey. Mickey Haller war schon einmal auf der Leinwand zu sehen. McConaughey spielte 2011 den Anwalt im Film «The Lincoln Lawyer». Obwohl gleich betitelt, erzählt der Film eine andere Geschichte als die Serie.

Was darauf hindeutet, dass es eine Reihe von Geschichten über Mickey Haller gibt. Diese stammen aus der Feder eines sehr erfolgreichen Krimiautors.

Der Bestsellerautor, der dahinter steckt

Michael Connelly ist der Autor der «Lincoln Lawyer»-Reihe. Connelly begann seine Karriere als Polizeireporter in Florida, kam sogar einmal in die Endrunde für den Pulitzer-Preis, zog nach Kalifornien und sattelte um auf Krimiautor.

1992 erschien sein erster Roman mit der Hauptfigur Hieronymus «Harry» Bosch. Fast zwei Dutzend weitere folgten bis heute. Bosch ist zuerst Cop in der Mordkommission der LAPD Hollywood Division, später quittiert er den Dienst und arbeitet als Privatdetektiv.

Die Bosch-Reihe wurde von Amazon zwischen 2014 und 2021 in eine siebenteilige Serie umgesetzt. Ich bin ein grosser Fan davon. Jetzt gerade erschien die erste Staffel des Spin-Offs «Bosch: Legacy», in der Bosch nicht mehr als Cop, sondern als PI unterwegs ist. Darüber demnächst hier mehr 😉.

Die fiktive Familienbande

Bosch und Haller verbindet eine familiäre Beziehung. Sie sind Halbbrüder. Haller ist der Sohn des Anwalts Michael Haller Senior. Bosch ist der viel ältere Sohn aus einer ausserehelichen Affäre.

In den Büchern begegnen sich die beiden in einigen Geschichten. Das wird wohl in der Serienwelt nicht passieren, weil die Figuren unterschiedlichen Studios gehören. Oder wie es Connelly formulierte: «If we got Amazon and Netflix working together, we could also solve world peace.»

Der fleissige Serienerfinder mit Jus-Studium

David E. Kelley ist der Produzent der Serie. Er ist ursprünglich selber Jurist, begann aber schon Ende der 1980er-Jahre Drehbücher zu schreiben.

Kelley entwickelte eine ganze Reihe von erfolgreichen Anwaltsserien wie etwa «Ally McBeal», «Boston Legal», oder die ziemlich genialen vier Staffeln von «Goliath». Weniger gelungen ist aus jüngerer Zeit das britische Gerichtsdrama «Anatomy of a Scandal».

Das ist nur eine kleine Auswahl aus Kelleys Produktionen. Er ist ein sehr kreativer und unglaublich produktiver Serienerfinder mit immenser Erfahrung. Fun Fact: Kelley ist mit der Schauspielerin Michelle Pfeiffer verheiratet.

Die Umfrage ist beendet

Wie viele Sterne gibst du «The Lincoln Lawyer» Staffel 1?

Besetzung: Manuel Garcia-Rulfo | Neve Campbell | Becki Newton | Angus Sampson | Jazz Raycole | Christopher Gorham
Created by: Ted Humphrey | David E. Kelley
Genre: Krimi
USA, 2022

Anatomy of a Scandal (Mini-Series) – Very british, fairly boring

Läuft bei: Netflix (Mini-Series, 6 Episoden à 45 Min.)

James Whitehouse (Rupert Friend, Peter Quinn aus «Homeland») ist ein Tory-Politiker mit glänzenden Karriereaussichten. Ein typischer Vertreter der britischen Upperclass, der an der Uni die Beziehungen knüpfte, die ihm den Weg zur Macht ebneten. Unter anderen gehört der amtierende Premierminister zu seinen besten Freunden aus Oxford-Zeiten.

James‘ Karriere droht ein Rückschlag, als eine Affäre mit einer jungen Frau aus seinem Büro publik wird. Natürlich muss er das zuhause seiner Frau (Sienna Miller, «The Girl» als Tippi Hedren) beichten. Sophie, ebenfalls Oxford-Absolventin und seit dieser Zeit mit James zusammen, ist am Boden zerstört. Sie entschliesst sich aber, dem reumütigen Ehemann zur Seite zu stehen.

Allerdings bleibt es nicht beim Seitensprung: Die ehemalige Geliebte wirft James Vergewaltigung vor und es kommt zum Prozess. Die Anklage vertritt Kate Woodcraft (Michelle Dockery, «Downton Abbey», bei Amazon/«Godless», bei Netflix), eine erfolgsgewohnte Anwältin, die bekannt ist für ihr seriöses, aber unbarmherziges Vorgehen.

Ich finde

«Anatomy of a Scandal» könnte ein gelungenes Gerichtsdrama sein, das sich in die Psyche seiner Hauptfiguren vertieft. Ist es aber nicht. Stattdessen operiert die Serie mit ziemlich flachen Charakterzeichnungen.

James gibt sich als moderner Mann, der seine Privilegiertheit reflektiert. Die Rückblenden in seine Studienzeit lassen daran aber Zweifel aufkommen.

Konstruiert und abstrus

Sophie kommt aus derselben privilegierten Ecke. Als Frau heisst das für sie, dass ihr Weg an der Seite des erfolgreichen Mannes ist. Ein Konzept, das sie kaum hinterfragt, bis sie dann einigermassen unvermittelt ihre Solidarität für Frauen entdeckt.

Kate hegt ein Geheimnis, das sehr konstruiert ist und letztlich zu einem abstrusen Plottwist führt.

Zu «british»?

Vielleicht bin ich trotz aller Anglophilie zu wenig «british», als dass ich genügend mitfiebern könnte, ob privilegierte Mistkerle ihre gerechte Strafe bekommen. Oder es liegt daran, dass hier eine Geschichte erzählt wird, die zwischen Klischee und Unglaubwürdigkeit schwankt, mit Figuren, die einem ziemlich egal bleiben.

Die Umfrage ist beendet

Wie viele Sterne gibst du «Anatomy of a Scandal»?

Besetzung: Sienna Miller | Rupert Friend | Michelle Dockery | Joshua McGuire | Naomi Scott
Showrunner: Melissa James Gibson | David E. Kelley
Genre: Drama
GB, 2022

Goliath (Staffel 4)

Läuft bei: Amazon (4 Staffeln, 32 Episoden à 50 Min.)

Im vierten und leider letzten Fall legt sich Anwalt Billy McBride (Billy Bob Thornton) mit «Big Pharma» an, einem Kartell von Firmen, das für die Opiod-Krise verantwortlich ist.

Wie immer ist Billy getrieben von seinem Kampf gegen eine Justiz, in der es nur um Geld geht und Gerechtigkeit nichts zählt. Und wieder legt er sich mit einem (über)mächtigen Gegner an, während er gleichzeitig mit sich und seiner Vergangenheit kämpft.

Ich finde

Ein würdiger Abschluss einer grossartigen Anwaltsserie. McBride hat in seinem Privatleben so ziemlich alles vermasselt hat, was man kann.

Aus der renommierten Anwaltspraxis rausgeflogen, geschieden und nicht gerade einvernehmlich, entfremdet von der Tochter und ja, Alkoholiker der harten Sorte. Aber er brennt immer noch für eines: Gerechtigkeit.

Unterstützt von schillernden Figuren wie der Anwältin Patty Solis-Papagian (Nina Arianda) oder seiner Assistentin Brittany Gold (Tania Raymonde), legt er sich immer gerne mit Gegnern an, die mindestens drei Nummern zu gross sind für einen abgewrackten Anwalt wie ihn.

Am Schluss gewinnt er zwar, aber meistens bezahlt er dafür mit einem persönlichen Verlust.

Beste Unterhaltung über alle vier Staffeln hinweg.

Besetzung: Billy Bob Thornton | Nina Arianda | Tania Raymonde | Diana Hopper | William Hurt | J. K. Simmons | Bruce Dern
Created by: David E. Kelley | Jonathan Shapiro
Genre: Krimi | Drama
USA, 2021