Poker Face (Staffel 1) – Ein Krimi wie aus den 80ern mit grossem Staraufgebot

Serienposter mit Schriftzug. Eine Frau mit einer Sonnenbrille und einem Zahnstocher im Mund. In der Sonnenbrille spiegelt sich eine Landstrasse und ein Auto.
4 von 5 Sternen

Läuft bei: Sky Show (1 Staffel, 11 Episoden à 55 Min.)

Ob es ein Vorteil oder ein Nachteil ist, muss jede:r für sich entscheiden: Aber «Poker Face» ist eine Serie, die sich eher nicht zum Bingen eignet. Jede Episode ist nach demselben Muster gestrickt, was beim Bingen zu einer gewissen Ermüdung führen kann.

Diese Erzählweise stammt aus vergangenen Tagen, als Detektiv:innen wie «Columbo» oder Jessica Fletcher in «Murder, She Wrote» einmal pro Woche über den Bildschirm flimmerten.

Eine Frau mit langen Haaren, Baseballmütze und einer Lederjacke über die Schulter gehängt.
Natasha Lyonne wandelt in «Poker Face» auf den Spuren alter TV-Detektiv:innen. © Evans Vestal Ward /Peacock / Sky Show
Ungewöhnliches Konzept für eine Streamingserie

Was sich von Woche zu Woche änderte, waren die Leichen. Was gleich blieb, war die Methode, wie Columbo und Fletcher die Morde aufklärten. Einen Erzählbogen über die Staffeln hinweg gab es nicht. Genau so funktioniert auch «Poker Face».

Abgesehen von der ersten und der letzten Episode ist es auch egal, in welcher Reihenfolge man die Serie schaut. Jede Episode steht für sich. Auch das eher ungewöhnlich für das Streamingzeitalter.

Solche Serien leben heute wie damals von ihren Hauptfiguren. Die müssen überzeugen und die Geschichten tragen. Bei Natascha Lyonne ist das schon fast keine Frage, dass ihr das gelingt. Bei ihr besteht eher die Gefahr, dass neben ihr alle anderen Figuren verblassen, wie das in «Russian Doll» der Fall war.

Zwei junge Männer und eine Frau an einem Stand.
In jeder Episode wird Charlie Cale (Natascha Lyonne) in ein Verbrechen involviert, wie etwa Sabotage beim Autorennen. © Phillip Caruso / Peacock / Sky Show
Charlie, der menschliche Lügendetektor

Aber auch da liess sich Show-Creator Rian Johnson, der mit den Mysterythrillern «Knives Out» und «Glass Onion» Erfolge feierte, was einfallen. Jede Episode ist mit Stars besetzt, die erfolgreich gegen Lyonne anspielen können.

In der ersten Episode ist es Adrien Brody. Er spielt Sterling Frost, den Sohn eines Casino-Magnaten, der sich die besondere Eigenschaft von Charlie Cale (Natascha Lyonne) zunutze machen will. Charlie ist eine Art menschlicher Lügendetektor. Intuitiv spürt sie zuverlässig, ob jemand die Wahrheit sagt oder «bullshit» erzählt.

Sterling will mit Charlies Fähigkeiten einen grossen Gambler ausnehmen. Doch dazu kommt es nicht. Denn Charlie findet heraus, dass Sterling verantwortlich ist für den Mord an ihrer Freundin. Die Ereignisse überstürzen sich und Charlie muss vor Sterlings Vater fliehen, den sie schon früher einmal gewaltig verärgert hat.

Eine Sängerin mit rotem Lederoberteil vor einem Schlagzeug. Links und rechts zwei Männer sitzend mit Gitarren.
Chloë Sevigny spielt die Sängerin einer Heavy Metal Band, deren Schlagzeuger auf der Bühne ermordet wird. © Sara Shatz / Peacock / Sky Show
Parade der Stars

Von jetzt an ist sie auf der Flucht. An jeder ihrer Stationen wird sie in die Aufklärung eines Mordes verwickelt. Vorab sehen wir jeweils, wie der Mord geschah. Dann beginnt die Geschichte nochmal von vorn, diesmal mit Charlie Cale im Bild, die immer irgendwie involviert ist.

Schon allein die Parade von Stars, die als Täter:innen oder Opfer fungieren, lohnt die Serie anzuschauen: Joseph Gordon-Levitt, Ellen Barkin, Ron Perlman, Chloë Sevigny, Nick Nolte und viele andere geben sich in «Poker Face» die Ehre.

Besonders freute mich das Wiedersehen mit Simon Helberg. Er macht hier als FBI-Agent eine gute Figur mit viel Witz und Schalk. Ganz so, wie wir ihn als Howard Wolowitz aus «Big Bang Theory» in Erinnerung haben.

Ein Mann in Anzug und Krawatte schaut mit grossen Augen.
Nur wenige Figuren sind in mehreren Episoden zu sehen. FBI-Agent Luca Clark (Simon Helberg) ist eine davon und wird zum wichtigen Verbündeten von Charlie. © Peacock / Sky Show
Kann sie mehr als kauzigen Schabernack?

Und dann ist da natürlich Natascha Lyonne. Sie ist als exaltierte Charlie eine ähnlich skurrile Figur wie Columbo, wenn auch viel temperamentvoller. Statt im schäbigen Regenmantel stiefelt sie mit Sonnebrille und in Hotpants herum und stellt eher beiläufig die entscheidenden Fragen, die den/die Täter:in entlarvt.

Dass sie auch ein treibender Faktor für die komödiantische Seite ist, versteht sich fast schon von selbst. Man könnte sich am Schluss einzig fragen, ob sie eigentlich auch mehr kann, als auf dem Bildschirm kauzigen Schabernack zu treiben. Aber letztlich egal. «Poker Face» ist Lyonne wie auf den Leib geschrieben und grossartige Unterhaltung.

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Besetzung: Natasha Lyonne | Benjamin Bratt | Simon Helberg | Pedro Hollywood | Adrien Brody | Hong Chau | Joseph Gordon-Levitt | Chloë Sevigny | Ellen Barkin | Ron Perlman | Nick Nolte | Cherry Jones | Luis Guzmán | Jameela Jamil
Serie entwickelt von: Rian Johnson
Genre: Krimi | Komödie
USA, 2023

The Night Agent (Staffel 1) – Als das Telefon klingelt, bricht die Hölle los

Ein Mann mit gezückter Waffe und einer Wunde am Kopf. Im Hintergrund grauer Himmel und das Weisse Haus in Washington.
4 von 5 Sternen

Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 10 Episoden à 45 Min.)

«The Night Agent» hat einen steilen Start hingelegt: die dritterfolgreichste Premiere bei Netflix (hinter «Wednesday» und «The Jeffrey Dahmer Story»). Das ist durchaus verdient, auch wenn die Thrillerserie alles andere als bahnbrechend ist.

Im Gegenteil: «The Night Agent» ist konventionell und arbeitet mit einer Story, die aus dem Setzkasten kommt. Aber die Geschichte ist mit guten Figuren besetzt und spannend erzählt. Da gab es in letzter Zeit anderes zu sehen, das diese Ansprüche weniger erfüllte (bspw. «The Recruit»).

Nachtschicht im Keller

Baustein 1: Ein junger FBI-Agent, der einen todlangweiligen Job macht, aber bald kopfüber ins grosse Abenteuer stürzt. Peter Sutherland (Gabriel Basso) sitzt Nacht für Nacht in einem fensterlosen Raum irgendwo im Keller des Weissen Hauses vor einer Hotline für Agent:innen in Gefahr. Nur – das Telefon klingelt nie.

Ein Mann in Hemd und Krawatte starrt auf ein schwarzes Telefon.
Kein Traumjob: Peter (Gabriel Basso) wurde zum Telefonhütedienst verknurrt. © Netflix

Dabei hat Peter ein paar Monate zuvor mit heroischem Einsatz viele Menschen bei einem Bombenanschlag in der U-Bahn vor dem sicheren Tod gerettet. Weshalb er danach in den Keller versetzt wird, leuchtet nicht wirklich ein. Aber man ahnt schon: Diese Bombengeschichte ist noch nicht abgeschlossen.

Das Telefon klingelt

Baustein 2: Eine Verschwörung in den höchsten Gefilden der Washingtoner Politik. Dem ist ein Agentenehepaar auf der Spur. Dass sie Agenten sind, weiss aber niemand, auch nicht ihre Nichte Rose (Luciane Buchanan), die zufällig zu Besuch ist, als düstere Gestalten ums Haus schleichen.

Der Onkel schickt Rose aus dem Haus, um eine Telefonnummer anzurufen, die Hilfe schicken soll. Rose wählt die Nummer und – wir ahnen es – es klingelt bei Peter. Peter schickt Hilfe. Für Onkel und Tante kommt sie allerdings zu spät, aber Rose wird gerettet.

Eine Frau und ein Mann liegen im Wald am Boden. Er hält einen Feldstecher in den Händen.
Rose (Luciane Buchanan) und Peter werden bald gejagt. Nur: Wer steckt dahinter? © Netflix
Das Killerduo schmiedet Zukunftspläne

Baustein 3: Das Killerpärchen. Rose hat einen der Killer gesehen und könnte ihn identifizieren. Deshalb ist das Duo jetzt hinter ihr her. Dale (Phoenix Raei) ist dabei der umsichtige, ruhige Profi, seine Freundin Ellen (Eve Harlow) die gestörte Killerin, die ihre Opfer gerne noch ein bisschen quält.

Andererseits träumt sie auch von einem normaleren Leben. Nicht ohne die Killerjobs, aber ein Eigenheim, statt immer nur Motels und vielleicht sogar ein Baby. Diese Dialoge des Pärchens über Zukunftspläne sind gewollt abstrus, aber eher unfreiwillig amüsant.

Eine Frau mit schwarzen Haaren, ein Gewehr mit Zielfernrohr im Anschlag.
Ellen (Eve Harlow) mag ihren Job als Killerin. Aber sie wünscht sich in der Freizeit etwas mehr Häuslichkeit mit ihrem Freund. © Netflix
Der/die Verräter:in sitzt ganz oben

Baustein 4: Ein:e Verräter:in ganz oben. Peter hat den Auftrag bekommen, Rose vor dem Killerduo zu beschützen. Das ist nicht einfach. Schnell stellt sich heraus, dass irgendjemand ganz oben in der Hierarchie die Killer mit Informationen versorgt, wo Peter und Rose zu finden sind.

Eine Reihe von Verdächtigen kommt in Frage: der stellvertretende FBI-Chef Hawkins (Robert Patrick), Chief of Staff Diane Farr (Hong Chau) oder CIA-Chef Almora (Enrique Murciano). Wetten sollten vor der zweiten Episode abgeschlossen werden.

Eine Frau mit weissen langen Haaren steht hinter einem Bürotisch. Hinter ihr die US-amerikanische Flagge.
Diane Farr (Hong Chau) gibt sich als Mentorin von Peter. Aber sie könnte auch die Verräterin im Weissen Haus sein. © Netflix
Was hat Maddie damit zu tun?

Baustein 5: Die Nebengeschichte. In der dritten Episode wird ein zweiter Handlungsstrang eingeführt. Maddie (Sarah Desjardins), die Tochter des Vize-Präsidenten, studiert an der Georgetown Universität. Die CIA-Agentin Arrington (Fola Evans-Akingbola) leitet das Team ihrer Personenschützer:innen und bekommt den Agenten Monks (D.B. Woodside) neu zugewiesen.

Natürlich werden sich die Wege von Arrington, Monks, Peter und Rose kreuzen, sonst würde der zweite Plot keinen Sinn machen. Man darf spekulieren, ob sie mit- oder gegeneinander arbeiten werden.

Ein Mann und eine Frau in einem Zimmer. Beide tragen blaue Latexhandschuhe. Sie blicken auf ein Handy, das er in den Händen hält.
Die CIA-Agenten Arrington (Fola Evans-Akingbola) und Monks (D.B. Woodside) werden auf die Jagd nach Peter und Rose geschickt. © Netflix
Thriller mit hohem Binge-Faktor

«The Night Agent» hat sicher auch einige Mängel. Die Geschichte könnte straffer erzählt werden. Paul schleppt eine alte Familiengeschichte mit sich rum, die seinen Charakter vertiefen soll, aber eigentlich verzichtbar ist.

Zudem muss man sich mit dem üblichen Geschwafel über Heldentum rumschlagen und der Glorifizierung der Institution der Präsidentschaft, die man ja spätestens seit Trump nicht mehr ernst nehmen kann. Wenn man darüber hinwegsieht, bekommt man einen gelungenen Thriller, der die Voraussetzungen zum Bingen erfüllt.

Fortsetzung wird folgen, das ist bereits garantiert. Peter Sutherland soll für Netflix in die Fussstapfen der Action-Jacks treten: Jack Bauer aus «24» (gespielt von Kiefer Sutherland 😉), Tom Clancys Jack Ryan oder Amazons Jack Reacher.

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2 Stimmen

Besetzung: Gabriel Basso | Luciane Buchanan | Fola Evans-Akingbola | Sarah Desjardins | Eve Harlow | Phoenix Raei | D.B. Woodside | Hong Chau | Christopher Shyer
Serie entwickelt von: Shawn Ryan
Genre: Thriller | Action
USA, 2023