Läuft bei: Netflix (Mini-Serie, 8 Episoden à 60 Min.)
Es waren dramatische Ereignisse, die sich nach dem Erdbeben und dem Tsunami im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi abspielten. Diese Stunden und Tage nachzuzeichnen, böte viel Stoff für eine gute Mini-Serie.
Leider gelingt es «The Days» nicht, die grösste Nuklearkatastrophe des 21. Jahrhunderts spannend zu erzählen. Zumindest nicht in den drei Episoden, die ich mir angeschaut habe, bis ich gelangweilt ausgestiegen bin.
Ein ganz normaler Tag
Der Auftakt ist zwar gelungen. Der 11. März 2011 ist für die Mitarbeiter:innen des KKWs ein normaler Arbeitstag. Der KKW-Chef Yoshida (Kôji Yakusho) fragt nach dem Verlauf der Inspektion für die Reaktoren 5 und 6. Alles normal. Zudem ist da noch zu klären, wann das Kirschblüten-Picknick für die Belegschaft stattfinden soll.
Kurz darauf bebt die Erde. Die Büros werden verwüstet und im Kontrollzentrum fahren die Mitarbeiter die Reaktoren notfallmässig herunter. Das Beben dauert nur etwa 90 Sekunden in der Serie (tatsächlich waren es rund fünf Minuten), lässt einem aber schon mal den Atem stocken.
Beklemmend: Das Beben und die Folgen
Nach der Tsunamiwarnung werden alle Gebäude mit Ausnahme der Kontrollräume evakuiert. Das verläuft geordnet und ruhig, denn niemand hat eine Vorstellung, welche Kraft der Tsunami entwickelt und welche Verwüstungen er anrichten wird. Drei Mitarbeiter, die als einige der Letzten das Gelände verlassen, starren ungläubig aufs Meer hinaus, als sie dann die gewaltige Flutwelle anrollen sehen.
Diese erste halbe Stunde der Serie ist spannend und beklemmend. Wohl auch vor dem Hintergrund, dass wir wissen, welche Folgen diese Naturkatastrophe haben wird.
Da wissen wir jetzt schon mehr als die Leute, die im Kontrollraum sitzen und keine Ahnung haben, wie es in den Reaktoren aussieht, weil alle Messsysteme ausgefallen sind. Hier beginnt das Problem der Serie.
Zu viele Details zerstören die Dramaturgie
Minutiös schildert sie, wie die Männer (tatsächlich nur Männer, Frauen tauchen nur zu Beginn in den Büros auf) versuchen herauszufinden, was mit den Reaktoren passiert und welche Massnahmen sie treffen müssen. Minutenlang wandern Leute in Schutzanzügen durch dunkle Gänge, stellen sich dabei noch ungeschickt an und verlieren Taschenlampen.
Solchen Szenen, leicht variiert, schaut man mehrfach zu und verliert dabei langsam an Interesse. Es ist ehrenvoll, dass es sich «The Days» zur Aufgabe macht, die Geschehnisse akkurat und bis in die letzten Details zu erzählen.
Wie hier ein Ventil zu viel Druck entwickelt und an jenem Ort Dosimeter die Grenze von x Millisievert überschreitet. Aber dramaturgisch funktioniert das überhaupt nicht. Das ganze wirkt ein bisschen, wie ein verfilmter Wikipedia-Artikel.
Viel Gebrüll, wenig Hintergrund
Spannend könnte aber auch die Ebene der Politik sein. Da passieren mehrfach Fehleinschätzungen und Falschinformationen. Hier gäbe es sicher einige Hintergründe zu beleuchten, die uns nicht bekannt oder nicht mehr bewusst sind.
Alles, was man sieht, sind irgendwelche Männer in irgendwelchen Gremien (auch hier: keine Frauen), die Untergebene anschreien, die sich mit Bücklingen entschuldigen, wie das offenbar in der hierarchischen japanischen Welt so üblich ist.
Keine Chance beim Vergleich mit «Chernobyl»
«The Days» erfüllt wohl nicht zuletzt deshalb die Erwartungen an eine solche Serie nicht, weil sie in die grossen Fussstapfen von «Chernobyl» tritt. Diesem Vergleich hält die Serie einfach nicht stand.
«Chernobyl» gelang 2019 genau das, was «The Day» jetzt nicht liefert: die packende Nacherzählung einer gewaltigen Katastrophe, die viel menschliches Leid verursacht, vor dem Hintergrund des Versagens der Apparatschiks und der gesamten Politik.
Vielleicht hätte es schon viel gebracht, wenn sich «The Days» auch auf fünf Episoden beschränkt hätte. Das hätte zumindest eine gewisse Verdichtung der Handlung bewirkt.
Besetzung: Kôji Yakusho | Nobi Nakanishi | Yutaka Tekenouchi | Fumiyo Kohinata | Kaoru Kobayashi | Takuma Otoo | Ken Mitsuishi
Serie entwickelt von: Jun Masumoto
Genre: Drama | Historie
JAP, 2023
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