The Full Monty (Mini-Serie) – Zu alt zum Strippen, aber noch immer liebenswert

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Serienposter mit Schriftzug. Die Hauptdarsteller:innen der Serie, fünf Männer, zwei Frauen, ein Hund, in Halbkörperansichten.
4 von 5 Sternen

Läuft bei: Disney+ (Mini-Serie, 8 Episoden à 50 Min.)

Selbst wer den Film von 1997 nicht gesehen hat, hat irgendwie die Schlussszene mitbekommen (oder kann sie hier in der Mini-Serie gleich zu Beginn sehen). Sechs Männer in Polizeiuniform strippen auf einer Bühne zum Soundtrack von Tom Jones‘ «You Can Leave Your Hat On».

In der letzten Einstellung sehen wir sie von hinten, nackt, nur noch den Hut vor dem Gemächt. Dann fliegen die sechs Hüte ins johlende, fast ausschliesslich weibliche Publikum und das Bild friert ein.

Fünf ältere Männer in einem Grossraumbüro, die Tanzschritte machen.
Ganz ohne die berühmte Tanzeinlage geht es auch in der Serie nicht. Aber die Kleider bleiben an. © Disney+
Der wirtschaftliche Aufschwung, der nie kam

Aber zuvor bot «The Full Monty» keineswegs nur Klamauk, der in der Stripszene kulminiert. Der Film war eine gekonnte und berührende Mischung aus Komödie und Sozialrealismus in der Tradition von Ken Loach, die den Niedergang der Stahlindustrie in Nordengland thematisiert und die Folgen für die Menschen in Sheffield.

26 Jahre später hat sich Sheffield nicht gross verändert. Dabei zogen sieben Premierminister:innen und acht Entwicklungsprogramme durchs Land, die der Region einen Aufschwung versprachen, der nie kam.

Gaz, verantwortungslos und charmant wie damals

Die sechs Ex-Stripper leben immer noch in Sheffield. Fast alle haben einen Job und schlagen sich einigermassen durch. Gaz (Robert Carlyle) scheint sich am wenigsten verändert zu haben. Der Mann mit vielen Ideen, die er anpackt, bevor er genau über die Konsequenzen nachgedacht hat. Deshalb scheitert er oft, bringt manchmal aber Unmögliches zustande.

Ein Mann und eine junge Frau vor einem Gebäude aus rotem Backstein. Im Hintergrund ein Polizist, der zur Tür herauskommt.
Gaz (Robert Carlyle) muss seine Tochter (Talitha Wing) auf der Polizeistation abholen, wo sein Sohn Nathan (Wim Snape) arbeitet. © Disney+

Gaz ist der einzige mit Kindern, er ist sogar Grossvater geworden. Seinen Sohn Nathan (Wim Snape) kennen wir aus dem Film. Er wurde zum Schrecken seines Vaters Polizist. Gaz hat auch eine Tochter mit seiner zweiten Frau, von der er aber getrennt lebt. Destiny (Talitha Wing) liebt Musik, schwänzt die Schule und schlägt auch sonst ihrem Vater nach.

Die Erfolgsgeschichte findet nicht statt

Dave (Mark Addy) und Jean (Lesley Sharp) sind immer noch verheiratet. Sie hat Karriere gemacht und ist Rektorin an einer Schule. Dave arbeitet dort als Abwart. Ihre Ehe hat bessere Tage gesehen und wird durch eine Affäre auf die Probe gestellt.

Eine Frau und ein Mann stehen im Gang eines Hauses. Sie blicken sich ernst an.
Jean (Lesley Sharp) und Dave (Mark Addy) haben sich auseinandergelebt, weil sie ein tragisches Ereignis nicht gemeinsam verarbeiten konnten. © Disney+

Lomper (Steve Huison) ist ebenfalls verheiratet und führt mit seinem Ehemann Dennis (Paul Clayton) ein Café. Dort sitzt auch der ehemalige Vorarbeiter Gerald (Tom Wilkinson) jeden Tag. Und auch Horse (Paul Barber) ist oft dort anzutreffen. Ihm geht es am schlechtesten. Er ist körperlich stark eingeschränkt und auf eine Invalidenrente angewiesen.

Nur kurz taucht Guy (Hugo Speer) auf, der ehemalige Freund von Lomper. Er hat einen guten Job und Geld. Seine Erfolgsgeschichte wird nicht gross ausgeführt, er verschwindet im Verlauf der Serie. Das, weil Hugo Speer wegen «unangemessenem Verhalten» aus der Produktion geworfen wurde. Er bestreitet die Anschuldigungen.

Zwei ältere Männer sitzen auf einer Bank im Freien. Im Hintergrund ein bewaldeter Hügel.
Lomper (Steve Huison) bringt sich und seinen Ehemann Dennis (Paul Clayton) in Schwierigkeiten, weil er sich nicht ernst genommen fühlt. © Disney+
Gemeiner als zu Thatchers Zeiten

Die Serie fokussiert in jeder Episode auf eine andere Hauptfigur. Diese Geschichten sind manchmal ziemlich kurios, immer amüsant und oft mit kritischem Unterton.

Am deutlichsten bei Horse, der vor den Behörden erscheinen muss, um seine Invalidenrente weiter zu erhalten. Nicht nur wird er dafür in eine andere Stadt bestellt, was für ihn ohne Geld und schlecht zu Fuss fast unmöglich ist.

Dass er es schafft, wird von den Behörden dann als Beweis angesehen, dass er ja noch mobil und deshalb arbeitsfähig sei. «Die Menschen sind gemein geworden», stellt Horse konsterniert fest. «Gemeiner als zur Zeit von Thatcher. Das hätte ich nie für möglich gehalten.»

Ein älterer Mann auf einem Elektroscooter. Dahinter ein Lastwagen und weitere Autos.
Weil er kein Geld für den Bus hat, versucht Horse (Paul Barber) mit seinem Scooter zum Behördentermin in die nächste Stadt zu fahren. Doch die Batterie reicht nicht so weit. © Disney+
Für Anglophile und Nostalgiker:innen

Wie im Film laufen alle Geschichten auf ein Ereignis am Schluss zu, das alle Protagonist:innen wieder zusammenbringt, allerdings emotional auf der anderen Seite der Skala liegt als damals die Strip-Show.

«The Full Monty» funktioniert für mich wegen des hohen Nostalgiefaktors und meinem anglophilen Touch sehr gut. Das sind aber wohl Voraussetzungen, die man mitbringen muss, um darüber hinwegzusehen, dass die Serie halt zwangsweise etwas ausufert. Die Stringenz des Films erreicht sie deshalb nicht und hat auch schwächere Momente.

Bei Nichtgefallen ist der Film aber ein Muss

Und ob es reicht, mit Destinys Storyplot ein jüngeres Publikum anzusprechen, ist eher zweifelhaft. Die alten Säcke dominieren zu sehr. Wer zu ihnen keine Bindung findet, wird schnell aussteigen.

Falls das passiert und man den Film nicht kennt, dann sei unbedingt empfohlen, sich den einmal zu Gemüte zu führen (im Stream bei Disney+). Der Film schlug 1997 nicht ohne Grund «Titanic» als bester Film bei den BAFTA-Awards.

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Besetzung: Robert Carlyle | Mark Addy | Paul Barber | Steve Huison | Paul Clayton | Lesley Sharp | Miles Jupp | Talitha Wing | Natalie Davies | Tom Wilkinson | Sophie Stanton | Hugo Speer | Wim Snape
Serie entwickelt von: Simon Beaufoy | Alice Nutter
Genre: Komödie | Drama
GB, 2023

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