Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 8 Episoden à 50 Min.)
Guy Ritchie ist nicht bekannt für feinsinnigen Humor oder dezente Inszenierung. Bei ihm spritzt das Blut in Zeitlupe. Da man weiss, worauf man sich bei ihm einlässt, ist das auch voll ok und unterhaltsam, sofern man es deftig mag.
Aber bei «The Gentlemen» beschlich mich ein leises Bedauern, dass Ritchie so wenig Fingerspitzengefühl besitzt. Denn er schöpft das Potenzial seiner Hauptfigur und der Prämisse seiner Geschichte nur zur Hälfte aus.
Ein Duke schwimmt im Drogengeld
Edward Horniman (Theo James) wird von seinem Vater als Erbe des Anwesens und des Adelstitels seiner Familie eingesetzt. Das ist die erste Überraschung, denn damit wird der erstgeborene Sohn Freddy (Daniel Ings) übergangen.
Die zweite Überraschung: Eddies Vater hat die Kellerräume unter den Stallungen an einen Drogenboss vermietet, der dort im grossen Stil Cannabis anbaut. Die Beteiligung am Erlös bringt Millionen ein und erklärt, weshalb die Familie nicht wie üblich beim englischen Adel unter notorischem Geldmangel leidet.
Natürlich hat der neue Duke of Halstead Eddie seine liebe Mühe mit der Drogenfabrik auf seinem Land. Aber er findet sich etwas zu schnell damit ab, dass das gediegene Aristokratenleben durch die kriminellen Machenschaften auf den Kopf gestellt wird.
Schrill statt subtil und mit Understatement
Man stelle sich vor, Eddie wäre mehr ein traditionsbewusster Adliger wie der Earl of Grantham aus «Downton Abbey» und hätte einen Kammerdiener wie Bates, der bei der leisesten Abweichung von der Etikette entsetzt seine buschigen Augenbrauen hochzieht. Das hätte den Clash der Kulturen auf eine ganz andere Ebene gehoben.
Aber eben, subtil und mit Understatement zu arbeiten, ist nicht Guy Ritchies Ding. Stattdessen wirds schrill und skurril, was aber durchaus auch witzig sein kann.
Wie etwa Eddies Bruder Freddy. Der ist entsetzt, als er erfährt, dass nicht er das Erbe des Vaters antreten kann. Aber nur, weil er dringend Geld braucht, um seine Schulden bei einer Drogenfamilie aus Liverpool zu begleichen, deren Anführer ein religiöser Spinner ist.
Der Bruder ein koksender Vollidiot
Bis Ende Woche hat er Zeit, vier Millionen Pfund aufzutreiben, sonst, so haben ihm die Liverpudlians angedroht, werde ihm der Penis abgehackt. Was Eddie nicht zulassen kann, obwohl sein Bruder schlicht ein koksender Vollidiot ist, der es eigentlich verdient hätte.
Eddie braucht die Hilfe von Susie Glass (Kaya Scodelario), die das Drogengeschäft für ihren Vater leitet, weil der noch im Gefängnis sitzt. Mit Mühe und Not bekommen sie das Geld zusammen, nur um festzustellen, dass Freddy den Safe leergeräumt hat, weil er einen todsicheren Tipp für eine Boxwette bekommen hat.
Damit nicht genug. Als Freddy zur Strafe verkleidet als Huhn vor dem Schuldeneintreiber der Drogenfamilie tanzen soll, erschiesst er ihn mit einer Schrotflinte, wobei Blut und Gehirn auf einem wertvollen Ölgemälde landen.
Es bleibt nicht bei dieser einen Unappetitlichkeit in der Serie. Eine Macheten schwingende Autoverkäuferin wird noch auftauchen und Hitlers Hoden sowie ein hungriger Schäferhund.
Eddie findet Gefallen am Business
Wobei die Story nicht nur von Gewaltexzessen vorangetrieben wird, sondern von Eddies Krampf mit dem Drogenerbe. Mit der Zeit wird allerdings immer deutlicher, dass Eddie durchaus eine gewisse Eignung und Neigung für dieses Geschäft besitzt. Was vor allem auch die Familie Glass bewundernd zur Kenntnis nimmt.
«The Gentlemen» ist wie gesagt typisch Guy Ritchie und hat mit Noblesse, wie der Titel auch andeuten könnte, sehr wenig am Hut. Aber dafür gibt es reichlich Action und den einen oder anderen Scherz, der nicht nur skurril, sondern tatsächlich witzig ist.
Besetzung: Theo James | Kaya Scodelario | Daniel Ings | Joely Richardson | Vinnie Jones | Michael Vu | Giancarlo Esposito | Harry Goodwins
Serie entwickelt von: Guy Ritchie
Genre: Krimi | Komödie | Action
GB, 2024
Schreibe einen Kommentar