Läuft bei: Apple TV+ (3 Staffeln, 30 Episoden à 60 Min.)
Wenn man sich so richtig schön über Figuren aufregen kann, dann muss das keineswegs ein schlechtes Zeichen sein. Oft ist es genau das, was eine Seifenoper auszeichnet – wie bei «The Morning Show».
Wobei sich die Produzent:innen wohl verbitten würden, in diese Kategorie eingeteilt zu werden. Sie würden sich eher wünschen, als hochklassige Dramashow bezeichnet zu werden.
Auf Hochglanz polierte Fassade mit wenig dahinter
Das stimmt sicher, was die Besetzung angeht. Jennifer Aniston, Reese Witherspoon, Jon Hamm (neu in dieser Staffel), Julianna Margulies, Billy Crudup und Steve Carell (in den Staffeln 1&2) sind klingende Namen im Film- und Serienbusiness.
Was das Drama betrifft, ist das zwar auf Hochglanz poliert, aber es fehlt massiv an Tiefgang. Die politischen und gesellschaftlichen Bezüge, die «The Morning Show» auch in dieser Staffel einbaut, dienen nur als Staffage für individuelle Schicksalsschläge und Liebesgeschichten.
Mega-Deal mit dem superreichen Raketentüftler
Big Tech und Legacy Media (übersetzt etwa althergebrachte Medien) ist eines dieser Themen, das die Show aufgreift. Jon Hamm als Tech-Mogul Paul Marks ist eine Mischung aus Elon Musk und Jeff Bezos.
Der Milliardär tüftelt wie Musk an Raketen herum und will sich wie Bezos, der 2013 die «Washington Post» gekauft hat, ein Medienunternehmen einverleiben. Das ist hier natürlich der TV-Sender UBA, bei dem Aniston und Witherspoon als die Starmoderatorinnen Alex Levy und Bradley Jackson arbeiten.
Dieser Deal zieht sich als roter Faden durch die Staffel und steht immer wieder mal auf der Kippe. Es wird zwar angetönt, dass die Übernahme heikel sein könnte für den Sender, weil Marks von Journalismus nicht viel versteht und noch weniger davon hält.
Letztlich dient es aber vor allem als Vehikel für die Romanze zwischen Paul und Alex und der Profilierung letzterer als ach so furchtlose Kämpferin für profunden Newsjournalismus. Was ich der Figur von Alex Levy in der ganzen Show noch nie abgekauft habe. Dafür hat sie ein viel zu ausgeprägtes Ego und um das geht es ihr primär.
Der Sturm aufs Kapitol als Familiendrama
Bradley erlebt familiäre Turbulenzen im Zusammenhang mit dem Sturm aufs Kapitol. Sie ist an diesem 6. Januar 2021 im Innern des Kongressgebäudes und filmt mit ihrem Handy, wie die von Trump aufgestachelte Meute das Kapitol stürmt.
Für diesen wagemutigen Einsatz als Reporterin wird sie danach mit Lob und Ehrungen überschüttet. Was Bradley allerdings unterschlagen hat: Eine Szene, bei der ein Eindringling einen Polizisten angreift, hat sie gelöscht. Der Angreifer war ihr Bruder.
Natürlich eine journalistische Todsünde, für die Bradley bezahlen muss. Aber auch hier vor allem mit Liebesleid. Ihre wieder aufkeimende Beziehung zur Moderationskollegin Laura Peterson (Julianna Margulies) geht in die Brüche.
Die Wirklichkeit würde nur den Spass verderben
Was ihren Bruder angetrieben hat, bei diesem Mob mitzumachen, wird nur am Rande angetönt. Denn entscheidend ist ja nicht, dass er am Angriff auf die Demokratie beteiligt war, sondern dass er «family» ist. Die ist bekanntlich sakrosankt und steht über Gesetz und Verfassung.
Wie man das besser inszeniert, war in «The Good Fight» zu sehen. Dass der Ehemann der Hauptfigur Diane Lockhart in die Kreise verwickelt ist, die für den Sturm aufs Kapitol verantwortlich sind, führt zu einer Krise, die ernsthaft thematisiert wird.
Aber eben: In «The Morning Show» geht es um viel Schein, nicht ums Sein. Man will sich ja nicht mit der Wirklichkeit den Spass verderben. Nur ein bisschen so tun, als ob Politik, Wirtschaft, Ukrainekrieg und skandalöse Entscheide des Obersten Gerichts für die Story von Bedeutung wären.
Wo die Reichen und Schönen die Messer wetzen
Tatsächlich geht es um tolle Apartments mit atemberaubendem Blick auf die New Yorker Skyline und protzige Villen in den Hamptons. Hier prosten sich schöne und chirurgisch aufgehübschte Menschen bei Häppchen mit Champagner zu und wetzen dabei ihre Messer, die sie ihrem Gegenüber bei nächster Gelegenheit in den Rücken rammen.
Diese Geschichten erzählt «The Morning Show» gekonnt und sehr unterhaltsam. Da kann man sich wunderbar enervieren über den Fiesling Paul Marks, wie er seine dreckigen Manöver durchführt. Oder wenn sich Alex empört, dass sich die Öffentlichkeit und ihre Kolleg:innen dafür interessieren, wenn sie mit ihrem künftigen Boss ins Bett steigt.
Denn eben: Zur Hochglanz-Seifenoper gehören die Figuren, die einem auf den Wecker gehen. Und damit geizt «The Morning Show» wirklich nicht.
Besetzung: Jennifer Aniston | Reese Witherspoon | Billy Crudup | Mark Duplass | Karen Pittman | Nestor Carbonell | Greta Lee | Julianna Margulies | Jon Hamm | Stephen Fry | Holland Taylor
Serie entwickelt von: Jay Carson | Kerry Ehrin
Genre: Drama
USA, 2023
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