The Peripheral (Staffel 1) – Gute Science-Fiction, aber nervig reaktionär

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Serienposter mit Schriftzug. Porträt einer Frau. Ihre Augenpartie ist überlagert von zwei Landschaftspanoramen.
3 von 5 Sternen

Läuft bei: Prime Video (1 Staffel, 8 Episoden à 60 Min.)

Wenn «Von den Macher:innen von ‹Westworld›» draufsteht, dann klingt das vielversprechend. Es tönt an, worauf wir uns einstellen dürfen. «The Peripheral» erfüllt diese Erwartungen: etwas Science-Fiction, humanoide Hightech-Roboter, Action und dann noch so was wie Zeitreisen.

Neuanfang nach «Westworld»-Absetzung

Damit bewegen sich Produzent:in Jonathan Nolan und Lisa Joy in ähnlichen Gefilden wie bei «Westworld», wo sie dieses Jahr einen herben Rückschlag hinnehmen mussten. HBO hat die Serie nach der eher schwachen vierten Staffel abgesetzt. Dabei hatten Nolan/Joy noch eine fünfte und letzte geplant.

William Gibson – Erfinder des Cyberspace
Die Vorlage zu «The Peripheral» stammt aus der Feder von William Gibson. Er ist vor allem bekannt als Autor von «Neuromancer», sein Debütroman von 1984, der das Sci-Fi-Subgenre des Cyberpunks begründete. Zudem wird ihm die Erfindung des Begriffs «Cyberspace» zugeschrieben. «The Peripheral» erschien 2014 und ist der erste Teil einer Trilogie. 2020 erschien der zweite Band «Agency». Ein Termin für Band 3 ist noch nicht bekannt.

Von daher bedeutet «The Peripheral» für die beiden wohl eine Art Neuanfang. Was – richtigerweise – vermuten lässt, dass die Serie nicht nur auf eine Staffel angelegt ist. Nach den ersten acht Episoden ist die Geschichte an einem Wendepunkt angekommen, aber noch lange nicht zu Ende erzählt.

Science-Fiction in den Blue Ridge Mountains

Ich bin allerdings noch unschlüssig, ob ich mir eine allfällige zweite Staffel anschauen würde. Das ganze Setting von «The Peripheral» ist zwar recht ansprechend, aber nicht wirklich berauschend.

Interessant ist die Ausgangslage der Geschichte. Lynne Fisher (Chloë Grace Moretz) lebt im Jahr 2032 in einem Kaff in den Blue Ridge Mountains, wo sich schon die Waltons eine gute Nacht wünschten. Lynne arbeitet in einem 3D-Druckershop, ist aber vor allem eine herausragende VR-Gamerin.

Per Headset ins Zukunftsabenteuer

Sie springt öfters für ihren Bruder Burton (Jack Reynor) ein, der mit Games Geld zu verdienen versucht. Burton bekommt ein äusserst lukratives Angebot, eine neuartige Simulation zu testen. Das Geld könnten die beiden sehr gut brauchen für die Medikamente, die ihre kranke Mutter braucht.

Eine Frau trägt ein futuristisches Headset auf dem Kopf.
Das Headset, das Lynne (Chloë Grace Moretz) in die Zukunft bringt, erinnert ein wenig an den «Facehugger» aus «Alien», einfach verkehrt herum aufgesetzt. © Amazon Studios

Lynne setzt sich das neuartige Headset auf und landet in London im Jahr 2099. Ihr Auftrag: Bei einer Firma einbrechen und Technologie klauen. Das läuft einigermassen erfolgreich. Der Diebstahl gelingt, aber ihre Spielfigur stirbt am Schluss.

Die Simulation fühlt sich völlig realistisch an, berichtet Lynne begeistert ihrem Bruder. Sie spürt sogar die Schmerzen ihrer Spielfigur. Ist es wirklich eine Simulation?

Keine Simulation, sondern eine Zeitreise

Nein. Lynne ist tatsächlich virtuell in die Zukunft gereist in einen hoch entwickelten Humanoiden, «Peripheral» genannt. Weil diese Zukunft mit Lynnes Gegenwart kommunizieren kann, verursacht das für Lynne und ihren Bruder Probleme. Die beklaute Firmenchefin (T’Nia Miller) reagiert ziemlich brachial. Sie schickt Söldner, die die beiden umbringen sollen.

Gleichzeitig meldet sich Wilf Netherton (Gary Carr) aus der Zukunft bei Lynne, weil die Auftraggeberin des Diebstahls verschwunden ist und Wilf sie finden will. Dafür braucht er Lynne wieder in ihrem «Peripheral».

Ein Mann und eine Frau sitzen in einer noblen Umgebung auf zwei Thronartigen Stühlen.
Milf (Gary Carr) betreut Lynnes Peripheral in der Zukunft. Dass es zwischen den beiden knistert, ist auch wenig originelles Storytelling. © Amazon Studios

Zeitreisen sind immer heikel für die Logik einer Story. Das ist bei «Peripheral» aber nur mässig verwirrend. Der Kontakt aus der Zukunft durch irgendwelche Quantentunnels tönt logisch. Komplizierter wird es, wenn durch diese Kontakte immer neue Zeitachsen abzweigen. Wenn man dem aber nicht allzu fest nachhängt, stört das auch nicht gross.

Wildwest-Mentalität feiert Urstände

Die grosse Schwäche der Serie liegt in der Gegenwart. Hier schlägt das reaktionäre amerikanische Wertesystem mal wieder völlig unreflektiert zu. Burton umgibt sich mit Freunden, mit denen er im Krieg gekämpft hat.

Unter diesen heroischen Veteranen, einer davon schwer behindert, herrscht strikte Marines-Mentalität und die alte Wildwest-Losung zuerst schiessen, dann fragen. Dieses martialische Gehabe nervt, auch wenn es im Plot sehr gelegen kommt, um die Killerkommandos zu beseitigen.

Zwei Männer in einer Bar. Auf dem Tisch stehen zwei Biergläser. Einer der Männer hat sein Glas erhoben.
Wie im Saloon im Wilden Westen: Lynnes Bruder Burton (Jack Reynor) mit einem seiner Militärkumpels. © Amazon Studios
Die Welt geht unter, aber Hauptsache Mama wird gesund

Einigermassen absurd und ziemlich klischiert kommt der Bösewicht der Kleinstadt daher. Corbell Pickett (Louis Herthum) hat das Kaff im Sack und ist unantastbar. Er verdient sein Geld mit Drogen und ist der grösste Arbeitgeber. Quasi ein Walter White («Breaking Bad»), der es geschafft hat.

Es reicht dann allerdings, dass einer der Polizisten einen moralischen Anfall bekommt. Plötzlich sind die Machtverhältnisse, die jahrelang unverrückbar waren, in Frage gestellt. Ziemlich lächerlich.

Auch dass die Familie über alles geht, treibt die Serie auf die Spitze. In der Londoner Zukunft bekommt Lynne eine Mission, die die ganze Welt retten soll. Ob sie dafür Bedingungen stelle, wird sie gefragt. Ja, sagt Lynne: «Macht meine Mama gesund». Weil ein Familienmitglied ja mindestens die ganze Weltbevölkerung aufwiegt, oder so.

Zum Glück gibt’s die Londoner Zukunft

Von dieser hinterwäldnerischen Welt hebt sich die Londoner Zukunft wohltuend ab. Nicht nur, dass sie Englisch sprechen ohne diese hässlichen zerquetschten Vokale.

Eine Frau steht auf einer Terrasse hoch über einer Stadt. Sie trägt ein futuristisches, wehendes schwarzes Kleid.
Brutale Bösewichtin mit exquisitem Modegeschmack: T’Nia Miller als Cherise Nuland.

Der Machtkampf, den es hier auch gibt, wird zwar nicht weniger gewalttätig, aber viel gepflegter ausgetragen. Das überspitzt die Serie zwar auch mit exaltierten Figuren in extravaganter Kleidung. Aber irgendwie ist das erträglicher, ja sogar ziemlich amüsant.

Wenn man die reaktionäre Ideologie ausblendet, kann man «The Peripheral» aber zugutehalten, dass die Serie einen unterhaltsamen Plot mit reichlich Action bietet. Das ist zumindest vergnüglich. Vielleicht erhält die zweite Staffel dann doch eine Chance bei mir – falls sie kommt.

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Besetzung: Chloë Grace Moretz | Gary Carr | Jack Reynor | JJ Feild | T’Nia Miller | Louis Herthum | Katie Leung | Melinda Page Hamilton | Eli Goree | Charlotte Riley
Serie entwickelt von: Scott B. Smith
Genre: Science-Fiction | Action | Thriller
USA, 2022

Eine Antwort zu „The Peripheral (Staffel 1) – Gute Science-Fiction, aber nervig reaktionär“

  1. Avatar von bürg
    bürg

    Eigentlich wurde «The Peripheral» im Februar um eine weitere Staffel verlängert. Jetzt hat
    Prime Video die Serie aber doch abgesetzt, wie Variety berichtet. Offenbar hat der andauernde Streik der Autor:innen und Darsteller:innen zu dem Entscheid geführt.

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