

Netflix (2 Staffeln, 23 Episoden à 45 Min.)
Die erste Staffel von «The Sandman» konnte man noch ungetrübt geniessen. Nun stören zwei Dinge: Schwächen in den Geschichten und der Inszenierung sowie Vorwürfe gegen Neil Gaiman, den Autor der «Sandman»-Reihe, er habe Frauen sexuell genötigt.
Diese Vorwürfe beeinflussten die Produktion nicht direkt, da die zweite Staffel bereits abgedreht war, als sie bekannt wurden. Dennoch betrachtet man Figuren und Plots nun mit anderen Augen.

Es bestand auch nie Ungewissheit, ob die zweite Staffel überhaupt veröffentlicht wird. Netflix gab den Termin bekannt, kurz nachdem die Vorwürfe gegen Gaiman breit in den Medien kommuniziert wurden.
Der Autor als Bürde
Ganz anders lief es bei «Good Omens», einem weiteren Gaiman-Projekt. Die unglaublich witzige Serie mit Michael Sheen und David Tennant sollte ursprünglich eine dritte Staffel bekommen.
Die wurde zusammengekürzt auf ein 90-minütiges Special, das die Serie abschliessen soll. Bis heute hat Prime Video keinen Ausstrahlungstermin bekannt gegeben und Michael Sheen scheint unsicher, ob das Special je zu sehen sein wird.
Morpheus verliert sich in Monologen
Doch vergessen wir für den Moment die reale Welt und tauchen erneut ein in das Traumreich des Sandmans. Die zweite Staffel umfasst ganz oder in Teilen sechs Geschichten der Comicvorlage, ist aber nicht länger als die erste, die nur zwei Bände erzählte.

Dabei blieben ein Teil der Charaktere und der Handlung der Vorlage auf der Strecke, was Fans der Comics sehr bemängeln. Logischerweise konzentriert sich die Erzählung deshalb umso mehr auf Lord Morpheus (Tom Sturridge), was aber nicht unbedingt vorteilhaft ist.
So sehr ich die Figur in der ersten Staffel mochte, zeigt sich jetzt, dass er über die Zeit etwas eintönig wirkt. Da helfen auch die tiefsinnigen Monologe nicht sehr viel, die ihm das Drehbuch zuschreibt.
Zaghafte Entschuldigung für Höllenqualen
Kommt dazu, dass er einige Charakterschwächen offenbart, die irritieren. Da ist etwa die Geschichte mit Nada (Umulisa Gahiga), eine gütige Königin, die ihr Volk liebt und geliebt wird. Auch von Morpheus, der sie zu seiner Frau machen will.

Nada lehnt das allerdings ab, weil sie ihrem Volk dienen will. Was Morpheus eigentlich verstehen müsste, denn er selbst redet auch immer von seinen Pflichten. Hier allerdings wird er sauer und verbannt Nada in die Hölle.
Zehntausend Jahre später fällt es ihm ein, dass er Nada vielleicht endlich befreien sollte. Er tut es, bringt aber kaum eine Entschuldigung über die Lippen. Immerhin reagiert Nada angemessen und lässt ihn sitzen.
Der Teufel überrascht und die Schurken amüsieren
Auch in der Vaterrolle versagt Morpheus. Er lässt seinen Sohn Orpheus (Ruairi O’Connor) im Stich, als der seine Eurydike aus der Unterwelt retten will. Wie Morpheus seinen Fehler wieder gutmacht, ist einerseits selbstlos, andererseits nicht konsistent mit seiner Verantwortung als Dream Lord.
Die Geschichten selbst sind aber unterhaltsam. Vor allem kommen viele Figuren zum Zug, denen man mehr Raum hätte geben können. Lucifer Morningstar (Gwendoline Christie), aka der Teufel, kennen wir schon aus der ersten Staffel. Jetzt fällt sie eine überraschende Entscheidung, die Morpheus in die Zwickmühle bringt. Aber sie kommt danach leider nur noch kurz vor.

Besonders witzig ist das Schurkenpaar Loki (Freddie Fox) und Puck (Jack Gleeson). Loki, der nordische Gott der Täuschung, steht in Morpheus‘ Schuld und versucht mit Puck, einem hinterlistigen Kobold, Morpheus einen Mord anzuhängen, der eine Mutter auf Rache sinnen lässt.
Weniger faszinierend, trotzdem sehr sehenswert
Auch das Wiedersehen mit der Dämonenjägerin Johanna Constantine (Jenna Coleman), dem mörderischen Corinthian (Boyd Holbrook) oder den Geschwistern Desire (Mason Alexander Park) und Death (Kirby Howell-Baptiste) bereitet Vergnügen.
Weniger gelungen, aber erfrischend skurril, ist Delirium (Esme Creed-Miles), die erstmals als Morpheus Schwester zu sehen ist. Aber irgendwie passt die komische Note, die sie unter anderem mit einem sprechenden Hund an der Seite einbringen soll, nicht wirklich ins mystische Setting.

Auch wenn die zweite Staffel nicht mehr ganz so fasziniert wie die erste, lohnt es sich unbedingt, die Geschichte des Sandmans zu Ende zu schauen. Vor allem aber muss man sich unbedingt das Special zu Gemüte führen, in dem sich alles nur um Death dreht, die einen Tag lang ihre Pflichten ablegen darf.
Besetzung: Tom Sturridge | Vivienne Acheampong | Patton Oswalt | Kirby Howell-Baptiste | Mason Alexander Park | Esme Creed-Miles | Adrian Lester | Mark Hamill | Jenna Coleman | Razane Jammal | Ann Skelly | Gwendoline Christie | Jack Gleeson | Freddie Fox | Barry Sloane | Ferdinand Kingsley | Stephen Fry | Boyd Holbrook
Serie entwickelt von: Neil Gaiman | David S. Goyer | Allan Heinberg
Genre: Fantasy
USA, 2025
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