

Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 8 Episoden à 50 Min.)
Eigentlich hatte ich nicht vor, mir «Wednesday» anzuschauen. Zu viel kommt da zusammen, was mich wenig interessiert. Ich bin bei allem Respekt kein grosser Fan von Tim Burton, der in vier Folgen Regie führte und quasi der geistige Vater der Serie ist. Seine Ästhetik ist mir zu gekünstelt und zugleich wenig originell.
Abstruse Dating-Rituale? Nein, danke
Mit der Addams Family konnte ich auch noch nie viel anfangen. Die bleichen Gesichter und das eiskalte Händchen sind zwar ganz amüsant. Aber wenn schon Grusel, dann lieber richtig Gänsehaut.
Zu guter Letzt halte ich US-amerikanische Teenie- und Highschoolserien für absolute Zeitverschwendung. Weniger oder zumindest nicht nur, weil ich zu alt dafür bin. Diese abstrusen Rituale, die in der Schule und beim Daten zelebriert werden, entspringen einer Geisteshaltung, die ich höchst irritierend finde (wie erfrischend anders ist da «Sex Education»).

Ein Schulstreich, bei dem Blut fliesst. Glorios!
Viel sprach also gegen «Wednesday». Aber immer wieder waren begeisterte Wortmeldungen zu lesen, so dass ich mich fast genötigt sah, mindestens mal den Trailer anzuschauen. Da ist’s passiert.
Wednesday Addams (Jenna Ortega) spaziert ins Schulschwimmbad und setzt Piranhas im Becken aus, in dem die Wasserballer trainieren, die ihren Bruder piesackten. Was für eine gloriose Perfidie. Das Sahnehäubchen dann ihr Kommentar, dass gewisse Menschen – konkret einer dieser All-American-Boys – sich besser nicht fortpflanzten. Diesen Humor mag ich 😜.
Es gibt zwar nicht mehr allzu viele Szenen, bei denen man mit so einem breiten Grinsen vor dem Schirm sitzt. Aber die misanthropische Wednesday lässt einen immer wieder Schmunzeln mit ihrem triefenden Sarkasmus.

Sonderschule der Extraklasse
Nach dem Piranha-Vorfall fliegt sie logischerweise von der Schule. Ihre Eltern (Catherine Zeta-Jones und Luis Guzmán) schicken sie deshalb auf die Nevermore Academy, die schon ihre Mutter besuchte. Auch Edgar Allen Poe firmiert unter den prominenten Absolvent:innen, wie die Website stolz verkündet.
Nevermore ist spezialisiert auf Schüler:innen mit aussergewöhnlichen Eigenschaften. Werwölfe, Sirenen und Vampire sind die neuen Klassenkamerad:innen von Wednesday. Obwohl sie jetzt unter Ihresgleichen ist, legt sie ihre asoziale Grundhaltung nicht ab. Sie gibt allen zu verstehen, dass sie besser ohne zwischenmonstrigen Kontakt zurechtkommt.

Ein Monster namens Hyde
Wednesday gedenkt auch nicht zu bleiben. Sie will gleich wieder abhauen. Das stellt sie aber erst mal hinten an, als ein Monster auftaucht, das einen ihrer Mitschüler tötet. Auf der Spur dieses Monsters, das sich als Hyde entpuppt, taucht Wednesday tief ein in ihre eigene Familiengeschichte.
Die sarkastische, tief pessimistische Grundhaltung der Hauptfigur macht Highschool-Elemente wie Prom oder Sportanlässe nicht nur erträglich, sondern sogar amüsant. Wenn Blut auf die Tanzfläche regnet oder Fairness beim Wettbewerb per Reglement ausgeschlossen ist, konterkariert das die gewohnten Schulgeschichten vorzüglich.

Wednesday beweist: Highschool kann lustig sein
Selbst die BFF-Geschichte mit ihrer Zimmergenossin, die auch nicht fehlen darf, ist unterhaltsam und passend inszeniert. Die beiden trennen ihr Zimmer strikt in einen knallbunten und einen grauschwarzen, düsteren Teil.
«Wednesday» widerlegt meine Skepsis gegenüber Burton und den Addams als unbegründet. Die Serie beweist sogar, dass man den Highschool-Topos intelligent oder zumindest unterhaltsam gestalten kann.
Besetzung: Jenna Ortega | Gwendoline Christie | Christina Ricci | Riki Lindhome | Jamie McShane | Hunter Doohan | Percy Hynes White | Emma Myers | Joy Sunday | Catherine Zeta-Jones | Luis Guzmán
Serie entwickelt von: Alfred Gough | Miles Millar
Genre: Komödie | Krimi | Horror
USA, 2022
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