Winter Palace (Staffel 1) – Swissness für den Weltmarkt: klischiert und uninspiriert

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Serienposter mit Schriftzug. Zwei Frauen und drei Männer in Kleidern aus dem 19. Jahrhundert stehen vor einer Kulisse mit Bergen und einem Hotel.
3 von 5 Sternen

Läuft bei: Play Suisse (1 Staffel, 8 Episoden à 45 Min.)

Wenigstens etwas ist an «Winter Palace» aussergewöhnlich. Die Serie ist die erste Gemeinschaftsproduktion zwischen einem Schweizer Anbieter, konkret der SRG, und Netflix. Eine nicht ganz freiwillige Zusammenarbeit.

Seit das revidierte Filmgesetz im Mai 2022 an der Urne angenommen wurde, sind globale Streamingplattformen verpflichtet, vier Prozent ihres Schweizer Umsatzes in Schweizer Produktionen zu investieren oder an die Bundeskasse abzuführen.

Womit verkauft man die Schweiz international?

«Winter Palace» ist jetzt also die erste Frucht dieser sogenannten Lex Netflix, die aber ziemlich fad schmeckt. Die Swissness, die hier für den globalen Markt aufbereitet wird, besteht vor allem aus Klischees.

Ein Paar küsst sich vor der Kulisse eines verschneiten Bergdorfes.
Junge Liebe und grosse Träume: Rose (Manon Clavel) küsst André (Cyril Metzger) zum Abschied, bevor er nach England reist, um einen Investor für sein Hotel zu finden. © SRF/RTS

Das zeigt sich schon bei der Themenwahl. Was gilt weltweit als typisch schweizerisch? Schokolade? Schon abgedeckt durch «Lüthi und Blanc». Banken? Bereits behandelt in «Private Banking» und «Quartier des Banques» – zudem eine denkbar ungeeignete Branche, um das Image der Schweiz in der Welt zu fördern. Uhren wären originell gewesen, doch das geht wohl erst, wenn die Hayeks nicht mehr leben.

Dann halt doch Berge, Schnee und Tourismus. Wie so oft. Muss aber nicht zwingend schlecht sein. Immerhin war die letzte Grossproduktion der SRG mit Bergen, Schnee und einem Hotel sehr gut gelungen. «Davos 1917» war ein spannender Thriller im historischen Kontext des Ersten Weltkriegs.

Ein Hotel, viele Figuren und ein bisschen Drama

«Winter Palace» spielt nur wenige Jahre zuvor. 1899 erfüllt sich André Morel (Cyril Metzger) einen Traum: Er eröffnet in den Alpen ein Luxushotel, das als erstes seiner Art auch im Winter geöffnet ist.

Das Hotel beherbergt viele Figuren, die sich in Liebesdramen und Machtkämpfe und anderes Unheil verstricken. Da ist Lord Fairfax (Simon Ludders), britischer Aristokrat und Andrés Geldgeber. Seine Tochter Isobel (Astrid Roos) ist Andrés frühere Geliebte, weshalb seine Frau Rose (Manon Clavel) die beiden misstrauisch beobachtet.

Zwei Frauen mit Hüten lächeln sich an.
Das Lächeln täuscht. Lady Isobel Fairfax (Astrid Roos) und Rose werden nicht zu besten Freundinnen. © SRF/RTS

Weitere Hotelgäste sind der stinkreiche Südstaatler Lance Raney (gespielt vom Nordiren Clive Standen mit nervigem Akzent), den Lord Fairfax mit Isobel verheiraten will, um seine Finanzen zu sanieren. Raney ist dem nicht abgeneigt, führt aber noch ganz anderes im Schild.

Was macht Arthur Conan Doyle im Hotel?

Auch eine ehemalige Schauspielerin geniesst den Winter in den Alpen. Oder oft nicht, den Frau Roth (Astrid Whettnall) stört sich an der Kälte. Ganz im Gegensatz zu Sir Arthur Conan Doyle (Henry Pettigrew), der aus unerfindlichen Gründen ebenfalls einquartiert ist. Zudem taucht irgendwann noch ein Musiker:innen-Trio auf, das vor allem säuft und lacht und raucht.

Unter dem Personal stechen zwei Figuren hervor: Marcus (Axel Granberger), der als Hausmeister arbeitet und eigentlich Andrés bester Freund ist, aber von ihm immer wieder ignoriert wird. Chef César Voclain (Vincent Heneine) ist für die edle Gastronomie zuständig, was dem Alkoholiker und Choleriker nicht immer gelingt.

Ein Mann mit schwarzem Hut in einer Werkstatt.
Welche Bürde schleppt Marcus (Axel Granberger) mit sich herum? Das merkt man spätestens, als er eine Frau küsst. © SRF/RTS

Jetzt kann sich jeder ausmalen, welche Konflikte mit diesem Figurenarsenal inszeniert werden. Dabei ist die erste Idee, die einem einfällt, wahrscheinlich genau die, die man zu sehen bekommt in «Winter Palace».

Die schrecklichste Musik zu einer Sexszene, ever

Schade, dass es Regisseur Pierre Monnard nicht wenigstens gelungen ist, uns die Figuren emotional nahezubringen. In seinem Film «Platzspitzbaby» und als Regisseur der beiden ersten Staffeln von «Wilder» hat er das geschafft. Ob er zudem für die schrecklichste musikalische Untermalung einer Sexszene verantwortlich ist, weiss ich nicht. Vielleicht hat das jemand anders auf dem Gewissen.

Die noble Eingangshalle des Hotels mit Marmorsäulen. Eine Gruppe von Leuten steht im Kreis um ein Telefon und applaudiert.
Schwelgen kann man in «Winter Palace» höchstens in der Ausstattung. Da machte das Netflix-Geld mehr möglich als üblich für eine Schweizer Produktion. © SRF/RTS

Was «Winter Palace» mit dem Leben des Hotelier-Königs César Ritz zu tun hat, wie zu lesen war, bleibt schleierhaft. Ritz‘ Karriere verlief ziemlich anders, als was sich hier bei André Morel abspielt. Amüsant allerdings, dass im «Winter Palace» in einer Episode der Spitzenkoch Auguste Escoffier auftaucht, der tatsächlich über lange Jahre mit César Ritz zusammenarbeitete.

Von «Winter Palace» bleibt vor allem die uninspirierte Handlung in Erinnerung, die auch das üppige Setdesign und die Kostüme nicht kaschieren können. Die Schlussszene legt nahe, dass die Serie weitergehen soll. Ich bezweifle, dass die Serie dafür erfolgreich genug sein wird, wenn sie bei Netflix zu sehen sein wird.

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3 Stimmen

Besetzung: Cyril Metzger | Manon Clavel | Simon Ludders | Astrid Rose | Clive Standen | Axel Granberger | Astrid Whettnall | Vincent Heneine | Henry Pettigrew | Karim Barras
Regie: Pierre Monnard
Genre: Drama | Historie
CH, 2024

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