

Netflix (1 Staffel, 6 Episoden à 50 Min.)
Es schneit in Buenos Aires. Das ist sehr ungewöhnlich. Das seltene meteorologische Ereignis lädt dazu ein, im Schneegestöber zu tanzen. Empfiehlt sich aber nicht, denn wer mit den Schneeflocken in Berührung kommt, fällt auf der Stelle tot um.
Zuerst vielversprechend, dann zähflüssig
Ein vielversprechender Auftakt für eine Serie und nicht das einzig Interessante, das «El Eternauta» zu bieten hat. Sci-Fi aus Südamerika ist an sich schon aussergewöhnlich. Zudem basiert die Serie auf einem der bedeutendsten argentinischen Comics, der mit der erschütternden Familiengeschichte des Autors und der brutalen Militärdiktatur in den 1970er-Jahren verbunden ist.

Dennoch vermag die erste Staffel – eine zweite ist bereits bestätigt – nicht vollends zu überzeugen. Die Handlung kommt nur schleppend voran. Die Figuren packen einen emotional zu wenig, um über die zähflüssige Erzählung hinwegsehen zu können.
Im Mittelpunkt stehen vier Freunde, die gerade Karten spielen, als der Schneefall beginnt. Einer davon ist der Unglücksrabe, der nach draussen geht und feststellen muss, dass der Schnee tödlich ist. Die anderen drei kämpfen von nun an gemeinsam mit Familie und Freunden ums Überleben.
Im Alleingang überlebt man nicht
Zu Beginn kämpft jeder gegen jeden. Nachbarn werden zu Todfeinden, weil alle nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und sich gegenseitig misstrauen. Doch das ändert sich. Juan Salvo (Ricardo Darín), einer der vier Freunde, zeigt, dass man als Gemeinschaft gegen die Katastrophe ankämpfen muss.

Dieser Grundgedanke des starken Kollektivs als einzige Antwort auf eine Bedrohung von aussen führt zurück auf die Comicvorlage. Héctor Germán Oesterheld veröffentlichte «El Eternauta» 1957. Zwei Jahre nach dem Sturz von Juan Perón begann für Argentinien eine Zeit der Instabilität, in der sich regelmässig die Militärs an die Macht putschten.
Oesterhelds Werk wird als prophetisch angesehen, weil es die Unterdrückung durch die Militärdiktatur vorwegnahm, der er und ein grosser Teil seiner Familie gegen Ende der 70er-Jahre zum Opfer fielen. Es wird als Metapher gelesen, dass nur eine geeinte Front der Unterdrückten die Diktatur besiegen kann.
Mehr zu Oesterheld und «El Eternauta»
- Was der Science-Fiction-Comic «El Eternauta» mit den Wahlen in Argentinien und der Junta zu tun hat (NZZ, 15.11.2023)
- Argentinische Comic-Figur als Symbol des Widerstands (Deutschlandfunkkultur, 11.5.2016)
- Familiengeschichte von Héctor Oesterheld – Argentinischer Comic-Autor kämpfte gegen Militärdiktatur (Deutschlandfunk 31.10.2016)
- Ein Comic wird zum Widerstandssymbol Argentiniens (SRF Kultur, 30.1.2016)
Alien-Invasion ohne Aliens
In «El Eternauta» geht die Gefahr allerdings nicht vom Militär aus. Die Diktatur wird von Ausserirdischen errichtet, die eine Invasion der Erde gestartet haben. Das erfährt man erst in der Mitte der ersten Staffel.
Wie schon die Apple TV-Serie «Invasion» weicht «El Eternauta» damit vom üblichen Erzählmuster solcher Geschichten ab, wo es von Anfang an und meist ausschliesslich um den Kampf gegen die ausserirdischen Invasoren geht. Aliens, hier eklige Käfer, spielen – ebenfalls wie in «Invasion» – eine Nebenrolle.

Kein Vergleich mit «The Last of Us»
Das ist aber – noch einmal wie in «Invasion» – nicht der Grund, weshalb die Serie doch eher enttäuscht. Es braucht keine endlosen Kämpfe gegen Monster, wie eine andere Serie beweist. In «The Last of Us» sind die todbringenden Gegner – hier Zombies – nur selten zu sehen. Im Mittelpunkt stehen Menschen, die nach der Apokalypse zu überleben versuchen.
Was diese Figuren erleben, wie sie miteinander umgehen, wie sie sich entwickeln – darin liegt der grosse Unterschied. «El Eternauta» erzählt von Vätern und Müttern, von ihren Kindern und von Freunden. Da sind die Bindungen gesetzt, da entwickelt sich kaum etwas.
«The Last of Us» erzählt dagegen von einem störrischen Teenager und einem depressiven Mittfünfziger, die aus ihrer sich langsam entwickelnden Beziehung Lebenssinn schöpfen. Oder die surreale Liebesgeschichte zwischen einem Prepper und einem Künstler. Das ist überraschend und sehr berührend.

Der Schluss lässt hoffen
Was man «El Eternauta» zugutehalten muss, ist die begeisternde Inszenierung. Visuell überzeugt die Serie vom ersten bis zum letzten Moment. Darauf ist die Produktionscrew auch stolz, wie im Making-of zu hören ist. Ebenso darauf, dass «El Eternauta» erst die dritte Netflix-Grossproduktion aus Lateinamerika ist.
«El Eternauta» deutet am Schluss der ersten Staffel an, dass die Geschichte an Intensität gewinnen könnte. Deshalb habe ich die Serie noch nicht ganz abgeschrieben, auch wenn der Auftakt doch einige Schwächen aufweist.
Besetzung: Ricardo Darín | Carla Peterson | César Troncoso | Andrea Pietra | Ariel Staltari | Marcelo Subiotto | Orianna Cárdena | Mora Fisz | Claudio Martínez Bel
Serie entwickelt von: Bruno Stagnaro
Genre: Science-Fiction | Drama
ARG, 2025











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