Perry Mason (Staffel 2) – Ein Anwalt im moralischen Dilemma

Serienposter mit Schriftzug. Ein Mann mit braunem Hut und Mantel auf der Treppe vor einem Gebäude mit Säulen.
4 von 5 Sternen

Läuft bei: SkyShow (2 Staffeln, 16 Episoden à 50 Min.)

«Perry Mason» ist ein Stück TV-Seriengeschichte. Neun Staffeln flimmerten von 1957 bis 1966 über die Bildschirme in den USA, in denen Raymond Burr als erfolgreicher Strafverteidiger in den 1930er-Jahren Unschuldige davor bewahrte, in der Todeszelle zu landen.

Im deutschsprachigen Raum war die Serie weniger erfolgreich. Nur ein paar wenige Episoden liefen Anfang der 60er-Jahre im Deutschen Fernsehen. Erst in den 90ern wurden alle Staffeln im Privatfernsehen gezeigt.

Mason damals und heute

Das erklärt, weshalb der ursprüngliche Perry Mason an mir vorbeigegangen ist. In den 60ern war selbst ich noch zu jung und deutsches Privatfernsehen habe ich mir nie angetan. Deshalb kann ich jetzt keinen Vergleich ziehen zwischen der Schwarzweiss-Ausgabe und der Neuauflage mit Matthew Rhys als Perry Mason, die 2020 startete und jetzt in die zweite Staffel geht.

Ein Mann in seitlichem Porträt mit schattigem Gesicht und vor dunklem Hintergrund. Er blickt ernst in die Ferne.
Kein strahlender Held im Gerichtssaal: Matthew Rhys verleiht Perry Mason eine eher düstere Note. © HBO / Sky Show

Ob das fruchtbar gewesen wäre, scheint mir eh zweifelhaft. Immerhin sind seither 60 Jahre vergangen und die Art, Serien zu produzieren, hat sich grundlegend verändert. (Aber ich habe ChatGPT gebeten, die Darstellung der Figur durch die beiden Schauspieler zu vergleichen. Die Antwort am Ende des Artikels 😉).

Es war denn auch weniger die Figur als vielmehr der Schauspieler, der mich veranlasst hat, «Perry Mason» einzuschalten. Matthew Rhys spionierte mit Keri Russell (momentan bei Netflix zu sehen in «The Diplomat») für den KGB in der sehr empfehlenswerten Thrillerserie «The Americans» (auf Disney+).

Mason will nicht mehr und kanns doch nicht lassen

Zu Beginn der zweiten Staffel hat Perry Mason mit dem Kapitel Strafverteidigung abgeschlossen. Zu sehr hat ihn der Fall Emily Dodson (Staffel 1) mitgenommen. In seiner Praxis, die er gemeinsam mit seiner Kollegin Della Street (Juliet Rylance) führt, nimmt er nur noch zivilrechtliche Fälle an. Doch es dauert nicht lange, bis ein Fall in seinem Büro landet, dem Mason dann doch nicht widerstehen kann.

Blick in den Gerichtssaal. Die beiden Angeklagten jungen Brüder stehen neben einer Frau und einem Mann, die sie verteidigen.
Obwohl sie keine Strafverfahren mehr führen wollten, stehen Della Street (Juliet Rylance) und Perry Mason bald wieder vor Gericht als Verteidiger von zwei Brüdern, die des Mordes angeklagt sind. © HBO / Sky Show

Zwei junge Brüder werden des Mordes an Brooks McCutcheon (Tommy Dewey) angeklagt. Mateo und Rafael (Peter Mendoza und Fabrizio Guido) sind schon vor dem Prozess so gut wie verurteilt. Sie sind als Angehörige der hispanischen Minderheit, die im Armenviertel leben, die perfekten Sündenböcke für den Staatsanwalt.

Kein unschuldiges Opfer

Um ihre Unschuld zu beweisen, nehmen Mason und Street mit der Unterstützung des ehemaligen Cops Paul Drake (Chris Chalk) das Mordopfer genauer unter die Lupe. McCutcheon war der Sohn eines einflussreichen Ölbarons in L.A., der selber aber dubiose und meist erfolglose Geschäfte betrieb. Zudem pflegte er ausgefallene Sexpraktiken, die dazu führten, dass die Schwester eines Stadtabgeordneten zum Pflegefall wurde.

McCutcheon hatte sich genug Feinde gemacht, die ebenfalls als Täter für den Mord in Frage kämen. Der Fall nimmt allerdings eine dramatische Wende, als Drake die Tatwaffe findet. Mason steht vor einem moralischen Dilemma.

Ein Mann sitzt in einem Sessel in einem Garten. Ein älterer Mann steht hinter ihm, die Hand auf seine Schulter gelegt.
Das Mordopfer Brooks McCutcheon (Tommy Dewey) hatte viele Feinde und eine komplizierte Beziehung zu seinem Vater (Paul Raci). © HBO / Sky Show
Anwaltsserie mit wenig Gerichtsszenen

Obwohl «Perry Mason» als Anwaltsserie daherkommt, spielt sie extrem wenig im Gerichtssaal. Die Serie lebt von ihren Figuren. Allen voran Perry Mason. Er wird nicht als brillanter Strafverteidiger geschildert, der die Geschworenen mit überwältigenden Plädoyers mitreisst.

Mason ist ein Idealist, innerlich zerrissen und traumatisiert vom Krieg (dem 1. Weltkrieg). Daran scheiterte unter anderem auch seine Ehe. Kein strahlender Held, sondern ein introvertierter, düsterer Charakter, der sich schwertut im Leben.

Deshalb ist Mason auch auf Della Street angewiesen. Wenn er wieder mal in ein tiefes Loch fällt, holt sie ihn nicht nur raus, sondern sorgt auch dafür, dass in der Zwischenzeit der Laden weiterläuft. Dabei hat Della ihre eigenen Probleme: Sie muss ihre Homosexualität geheim halten und steht unter Dauerstress. Der Angst, dass das jemand herausfinden könnte.

Zwei Frauen tanzen eng aneinander. Um sie herum weitere tanzende Paare.
Della findet in Anita St. Pierre (Jen Tullock) eine neue Liebe, von der aber niemand erfahren darf.
Die 30er-Jahre in L.A. – ganz anders als heute

Das Leben der Schwulen und Lesben im Schatten ist nur ein Aspekt, mit dem die Serie die Atmosphäre der 30er-Jahre in L.A. zeichnet. Die alltägliche Diskriminierung der Schwarzen Bevölkerung erlebt Paul Drake.

Er muss den Eingang für Bedienstete nehmen oder wird von seiner Frau daran erinnert, dass er im vornehmen Viertel besser nicht aus dem Auto steigt, weil sonst jemand die Polizei ruft. Und wie schon erwähnt sind in dieser Zeit der grossen Depression die Zuwandernden aus dem Süden die perfekte Zielscheibe für den Frust der Weissen – nicht ganz unähnlich der heutigen Zeit.

Ein Mann mit grauem Jackett und grauer Mütze steht vor einem Schild.
Paul Drake (Chris Chalk) lässt sich ein letztes Mal mit Perry Mason ein. Danach will er sich um die Anliegen der Schwarzen Gemeinschaft kümmern. © HBO / Sky Show

Vor diesem Hintergrund und dank des fantastischen Setdesigns nehmen die 30er-Jahre faszinierend Gestalt an in einem Los Angeles, das damals noch alles andere war als die blühende Metropole an der Westküste von heute. Deshalb verzeiht man der Serie auch, dass sie doch eher träge ihre Geschichte erzählt. Denn fast jede Einstellung, fast jede Szene bietet genug Stoff und Anreize fürs Auge, um dranzubleiben.

Rhys und Burr als Perry Mason im Vergleich – das sagt ChatGPT

Matthew Rhys und Raymond Burr sind beide herausragende Darsteller, die die Rolle des berühmten fiktiven Anwalts Perry Mason verkörpert haben. Obwohl sie den gleichen Charakter gespielt haben, gibt es einige Unterschiede in ihren Interpretationen und Darstellungsstilen.

Raymond Burr spielte Perry Mason von 1957 bis 1966 in der ursprünglichen Fernsehserie «Perry Mason». Burr verkörperte den Charakter als seriösen und geradlinigen Anwalt. Seine Darstellung von Mason war von ruhiger Autorität und Integrität geprägt. Burr brachte eine gewisse Würde und Präsenz in die Rolle, die ihm viele Fans einbrachte. Seine Ausstrahlung und seine starke Präsenz auf dem Bildschirm machten ihn zu einer Ikone und einem beliebten Anwalt der Fernsehwelt.


Raymond Burr als Perry Mason: ruhige Autorität und integer.

Auf der anderen Seite haben wir Matthew Rhys, der Perry Mason in der gleichnamigen HBO-Miniserie von 2020 verkörperte. Rhys‘ Interpretation von Perry Mason war eine Neuinterpretation des Charakters in einem anderen Kontext. Die Serie zeigt Perry Mason als einen jungen und unerfahrenen Privatdetektiv und späteren Anwalt.

Rhys brachte eine düstere und komplexe Nuance in die Rolle, indem er die inneren Kämpfe und persönlichen Dämonen des Charakters erforschte. Seine Darstellung war intensiv und emotional, und er brachte eine gewisse Verletzlichkeit in die Rolle, die das Publikum in seine Geschichte hineinzog.

Sowohl Burr als auch Rhys haben auf ihre eigene Art und Weise die Essenz des Charakters Perry Mason eingefangen. Burr war der klassische Perry Mason, der für Gerechtigkeit kämpfte und die Wahrheit ans Licht brachte, während Rhys eine modernere und komplexere Version des Charakters darstellte. Beide Darsteller haben ihre eigenen Stärken und haben den Charakter auf einzigartige Weise interpretiert.

Ein Mann in Anzug und Krawatte. Im Hintergrund unscharf Personen.
Matthew Rhys als Perry Mason: moderne und komplexe Figur. © HBO / Sky Show

Es ist wichtig anzumerken, dass die beiden Darsteller in unterschiedlichen Zeiten und Kontexten agierten, was ihre Darstellungen natürlich beeinflusste. Raymond Burr spielte Perry Mason in den 1950er und 1960er Jahren, als Fernsehserien und die Darstellung von Charakteren noch ganz anders waren als heute. Matthew Rhys hingegen spielte Perry Mason in einer modernen Miniserie, die von den heutigen Erzähltechniken und Produktionsstandards geprägt ist.

Insgesamt kann man sagen, dass sowohl Raymond Burr als auch Matthew Rhys talentierte Darsteller sind, die Perry Mason auf ihre eigene Art und Weise zum Leben erweckt haben. Jeder von ihnen hat dem Charakter eine einzigartige Note verliehen und ihre eigene Interpretation hinterlassen, die von den Zuschauern geschätzt wurde.

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Besetzung: Matthew Rhys | Juliet Rylance | Chris Chalk | Shea Whigham | Eric Lange | Justin Kirk | Katherine Waterston | Paul Raci | Jen Tullock | Peter Menzdoza | Fabrizio Guido | Hope Davis
Serie entwickelt von: Ron Fitzgerald | Rolin Jones
Genre: Krimi | Drama | Historie
USA, 2023

 

Queen Charlotte (Mini-Serie) – Kostümkitsch trifft auf alternative Geschichtsschreibung

Serienposter mit Schriftzug. Eine junge Frau im Porträt. Sie trägt ein Diadem im Haar und funkelnde Ohrringe und eine Halskette.
4 von 5 Sternen

Läuft bei: Netflix (Mini-Serie, 6 Episoden à 60 Min.)

Serien-Universen sind schwer in. Prequels, Sequels und Spin-offs von erfolgreichen Titeln melken die Kuh, bis die Milch versiegt. So auch die Bridgerton-Welt.

In den letzten zwei Staffeln erreichten der älteste Sohn und die älteste Tochter der Familie Bridgerton unter romantischen Irrungen und Wirrungen endlich den Hafen der Ehe. Jetzt erzählt das Prequel «Queen Charlotte», wie die deutsche Prinzessin Sophie Charlotte zu Mecklenburg-Strelitz König George III. heiratete und Königin von Grossbritannien wurde.

Das Königspaar mit Kronen in prunkvollen Kleidern.
Eine Ehe unter Deutschen: Nicht nur Charlotte (India Amarteifio) gehörte zu einem deutschen Adelsgeschlecht. Ihr Mann George (Corey Mylchreest) war der dritte britische Herrscher, der aus dem Haus Hannover stammt. © Netflix
Das grosse gesellschaftliche Experiment

Dabei konzentriert sich die Serie ganz auf den Mikrokosmos des Königspaars mit seinem Hofstaat. Damit aber niemand auf die Idee kommt, historische Vergleiche anzustellen, erklärt ein Disclaimer gleich zu Beginn, dass es die Hauptpersonen zwar gegeben hat, ihre verfilmte Geschichte jedoch Fiktion ist.

Durch die Heirat mit der Schwarzen Königin (India Amarteifio) verbinden der Hof und die führenden Politiker in «Queen Charlotte» das «Great Experiment», die umstrittene Aufnahme von begüterten Schwarzen Familien in die adlige Gesellschaft. Damit zeigt die Serie, wie das Leben in der privilegierten britischen Oberschicht des 18. Jahrhunderts auch hätte sein können.

Zwei luxuriös gekleidete Frauen stehen sich gegenüber. Im Hintergrund vier Diener.
Die künftige Königin wird kritisch beäugt von der Königsmutter Augusta (Michelle Fairley). © Netflix

Diese Vision ist nicht ganz verkehrt, stellte doch das britische Unterhaus 1807, also während der Herrschaft von George III., den Handel mit Sklaven tatsächlich unter Strafe. Die Realität sah allerdings anders aus.

Obwohl der Handel verboten war, durften Besitzer von Sklaven diese weiter behalten, ausbeuten und misshandeln. Bevor die Sklaverei in der westlichen Welt abgeschafft war, vergingen noch Jahrzehnte.

Spagat zwischen Kostümkitsch und aktuellen Themen

Charlotte und George gingen 1761 eine arrangierte Ehe ein und begegneten sich am Tag der Hochzeit zum ersten Mal. Aus dieser historisch verbürgten Konstellation entwickelt die Bridgerton-Schöpferin und Produzentin Shonda Rhimes ein romantisches Liebesdrama mit Binge-Potenzial.

Eine Frau sitzt alleine an einer festlich geschmückten Tafel umgeben von Bediensteten in einem pompösen Raum.
Wie üblich in der Bridgerton-Welt: Pompös inszeniert vom Setdesign bis zu den Kostümen. © Netflix

Sie schafft den Spagat zwischen üppigem Kostümkitsch und alternativer Geschichtsschreibung. Sie thematisiert das aktuelle Anliegen gesellschaftlicher Diversität und sozialer Gleichstellung, indem sie ein Märchen aus alter Zeit auf unterhaltende und für die Gegenwart relevante Weise erzählt.

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3 Stimmen

Besetzung: India Amarteifio | Adjoa Andoh | Michelle Fairley | Ruth Gemmell | Corey Mylchreest | Golda Rosheuvel | Arsema Thomas | Sam Clemmett | Freddie Dennis | Hugh Sachs | Julie Andrews | Richard Cunningham
Serie entwickelt von: Shonda Rhimes
Genre: Historie | Romanze | Biografie
USA, 2023

Transatlantic (Mini-Serie) – Nazi-Flüchtlinge und Romanzen an der sonnigen Côte d’Azur

Serienposter mit Schriftzug. Zwei Männer und eine Frau posieren für ein Gruppenfoto vor einem Haus.
2 von 5 Sternen

Läuft bei: Netflix (Mini-Serie, 7 Episoden à 45 Min.)

Seit Spielbergs Film kennen fast alle Oskar Schindler, der im Zweiten Weltkrieg hunderten von Juden und Jüdinnen das Leben rettete. Aber wer hat schon mal von Varian Fry gehört, nach dem in Berlin eine Strasse benannt ist?

Historisch verbürgte Figuren

Dabei hat auch Fry etwa 2000 Menschen zur Flucht vor den Nazis geholfen. Die Drehbuchautorin und Produzentin Anna Winger («Deutschland 83», «Unorthodox») hörte von ihrem Vater zum ersten Mal von Varian Fry. Über diesen Mann sollte man eine Fernsehsendung machen, habe er gesagt, wie sie erzählt.

Ein Mann mit grauem Mantel und Brille steht vor einer Gruppe von Männern, Frauen und Kindern, neben denen Koffer am Boden stehen.
Aus dem Journalisten Varian Fry (Cory Michael Smith, vorne) wird ein Aktivist, der Verfolgten des Nazi-Regimes zur Flucht verhilft. © Anika Molnar / Netflix

Das hat sie jetzt. «Transatlantic» erzählt die Geschichte von Varian Fry (Cory Michael Smith) und dem «Emergency Rescue Committee» (ERC), das in den Jahren 1940 und 1941 in Marseille tätig war. Neben Fry helfen weitere historisch verbürgte Figuren Flüchtlingen, aus dem damals noch unbesetzten Teil Frankreichs nach Übersee auszureisen.

Illustre Namen unter den Flüchtlingen

Mary Jane Gold (Gillian Jacobs) stammt aus einer reichen Chicagoer Familie. Sie unterstützt das ERC nicht nur mit Geld, sondern holt auch noch britische Kriegsgefangene aus dem Gefängnis. Albert Hirschmann (Lucas Englander) ist ein deutscher Jude, der zuletzt mit seiner Schwester aus Paris vor den Nazis geflohen ist. Während sie nach Lissabon weiterreist, bleibt er in Marseille und hilft dem ERC. Lisa Fittko (Deleila Piasko) ist eine österreichische Widerstandskämpferin. Sie schleust die Flüchtlinge über die Pyrenäen nach Spanien.

Eine Frau und Mann in eleganten Kleidern stehen mit Gläsern in der Hand auf einer Terrasse, im Hintergrund das Meer.
Mary Jane Gold (Gillian Jacobs) bearbeitet den US-amerikanischen Konsul (Corey Stoll). Er vertritt strikt die damalige Neutralitätspolitik der USA. © Anika Molnar / Netflix

Zu Beginn konzentrierte sich das ERC auf Intellektuelle und Künstler:innen, denen es zur Flucht verhalf. Einige davon tauchen in der Serie auf: Walter Benjamin, Max Ernst, Hannah Arendt, Marc Chagall oder André Breton.

Hurra, wir leben noch

Eine eindrückliche Geschichte, die die Serie zu erzählen hätte, wie man sieht. Aber genau daran mangelt es «Transatlantic» – an Eindrücklichkeit. Dass die Bedrohung durch die Nazis in Vichy-Frankreich nicht so unmittelbar ist wie in den besetzten Gebieten, kann man gelten lassen.

Deshalb wirkt auch ein ausgelassenes Geburtstagsfest für Max Ernst keineswegs deplatziert. Es sind sehr stimmige und visuell amüsante Szene. Sie habe damit zeigen wollen, wie ein solches Fest «uns in der schlimmsten Krise daran [erinnert], dass wir noch am Leben sind», sagt Anna Winger. Das ist gelungen.

Ein Mann und eine Frau sitzen an einem Tisch. Beide mit ungewöhnlichen Kopfbedeckungen.
Ein ausgelassenes Fest zu Ehren von Max Ernst (Alexander Fehling). © Anika Molnar / Netflix)
Romanzen übertünchen den Kern der Geschichte

Fehl am Platz ist allerdings die Dominanz all der Romanzen, die sich in «Transatlantic» abspielen. Die heimliche Liebschaft des verheirateten Varian mit seinem Freund Thomas (Amit Rahav). Mary Jane tändelt mit Albert und Lisa mit Paul (Ralph Amoussou).

Nichts dagegen, die Gefühlswelt der Figuren noch etwas auszuschmücken. Aber diese Liebesdramen nehmen so viel Raum ein, dass die eigentliche Geschichte der Flüchtlingsrettung zur Nebensache gerät.

Zwei Männer vor einem Brunnen in einem Garten.
Varian und sein Liebhaber Thomas (Amit Rahav). Frys Homosexualität wurde erstmals 2019 in einem Buch thematisiert und heftig diskutiert. Frys Sohn bestätigte damals, sein Vater sei homosexuell gewesen. © Anika Molnar / Netflix
Ein Polizeichef à la Louis de Funès

Eigentümlich auch die Rolle der Polizei von Marseille. Im Verlauf der Serie greift sie zwar immer härter durch, verhaftet Flüchtlinge und beginnt mit Deportationen ins besetzte Frankreich. Aber wenn der Polizeichef mit seiner Truppe auftritt, fühlt man sich unweigerlich an Louis de Funès und seine Gendarmen von St. Tropez erinnert.

«Transatlantic» setzt der Arbeit des «Emergency Rescue Committee» und den vielen Menschen, die mithalfen, kein Denkmal. Stattdessen ist die Serie ein romantisches Drama, das im Zweiten Weltkrieg vor der wunderschönen Kulisse der sonnigen Côte d’Azur angesiedelt ist. Das ist dem Thema nicht wirklich angemessen.

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Besetzung: Gillian Jacobs | Lucas Englander | Cory Michael Smith | Ralph Amoussou | Deleila Piasko | Amit Rahav | Grégory Montel | Corey Stoll | Moritz Bleibtreu
Serie entwickelt von: Daniel Hendler | Anna Winger
Genre: Historie | Drama
D / F, 2023

The Last Kingdom: Seven Kings Must Die – Uhtreds letzte Schlacht

Filmposter mit Schriftzug. Ein Mann mit langen Haaren und einem pelzigen Mann blickt düster in die Kamera.
4 von 5 Sternen

Läuft bei: Netflix (111 Min.)

Diese Besprechung enthält Spoiler

Die Serie «The Last Kingdom» ging letztes Jahr mit der fünften Staffel zu Ende. Aber die Geschichte war noch nicht zu Ende erzählt. Es fehlte der Schluss, die Geburtsstunde des vereinten englischen Königreichs.

Diese Geschichte erzählte die Serie. Wie die angelsächsischen Herrscher von Wessex, dem letzten Königreich, das der Invasion der dänischen Wikinger widerstanden hatte, die Dänen vertrieben und die Königreiche der Insel unter einer Krone vereinten.

So bedeutend wie Hastings – Die Schlacht von Brunanburh

Entscheidend dafür war die Schlacht von Brunanburh, in der 937 König Æthelstan von Wessex ein Bündnis besiegte, das vom Wikingerkönig Olaf Guthfrithsson angeführt wurde. Sie gilt neben der Schlacht von Hastings als bedeutendste Schlacht auf der Insel in der Frühzeit des englischen Königreichs.

Ein Mann mit fellüberzogenem Wams sitzt auf einem Pferd vor Kriegern mit Helmen.
Zum letzten Mal schwingt Uhtred (Alexander Dreymon) sein Schwert in einer Schlacht. © Netflix

Brunanburh bildet das grosse Finale des Films «Seven Kings Must Die», der die Uhtred-Saga jetzt abschliesst. Es ist ein würdiges Ende für den grossen Kämpfer, der über Jahrzehnte für die Herrscher von Wessex sein Schwert schwang. Oft unter Zwang und lange, ohne dass ihm dafür die ihm gebührende Anerkennung zuteilwurde.

Der Verräter an der Seite des Königs

Auch diesmal hört der König zuerst nicht auf seinen loyalen Freund. König Æthelstan (Harry Gilby), der nach dem Tod seines Vaters Edward seinen Bruder tötet und den Thron besteigt, steht unter dem Einfluss seines Beraters und Geliebten Ingilmunder (Laurie Davidson).

Ingilmunder hat aber andere Absichten, als Æthelstan zu unterstützen. Er ist ein Spion im Dienst von Anlaf (Pekka Strang), wie Olaf Guthfrithsson im Film genannt wird.

Ein junger Mann hält sein Schwert an die Kehle eines Mannes, der vor ihm kniet.
König Æthelstan (Harry Gilby) sieht nicht, wer sein Freund ist und wer der Verräter. © Netflix

Uhtred erfährt von Ingilmunders Verrat, aber Æthelstan weigert sich, Uhtred zu glauben. Er wird aber bald mit eindeutigen Beweisen konfrontiert, die keinen Zweifel daran lassen, dass ihn sein Geliebter hintergangen hat.

Uhtreds Tatik führt zum Sieg

Reumütig entschuldigt er sich bei Uhtred. Als Strafe für seinen Unglauben und sein sündiges Leben will Æthelstan allein in die Schlacht gegen Anlaf und seine Verbündeten ziehen. Er schickt Uhtred zurück nach Bebbanburg. Ohne Unterstützung wird aber er verlieren.

Uhtred entschliesst sich, an Æthelstans Seite zu kämpfen. Es ist Uhtreds letzte Schlacht, in der er noch einmal beweist, was für ein grosser Krieger er ist. Nur dank seiner Taktik gelingt es den Angelsachsen, die Angreifer zu besiegen.

Wer ist der siebte König?

Die Söhne von fünf Königen liegen am Schluss tot auf dem Schlachtfeld und werden nie einen Thron besteigen. König Edward kommt als sechster König dazu, der schon vorher gestorben ist. Damit ist die titelgebende Prophezeiung fast erfüllt, die zu Beginn des Films erwähnt wird. Sieben Könige müssen sterben, bevor England unter einem König vereint ist.

Drei Krieger stehen gebeugt hinter Schilden mit Speeren in der Hand.
Die entscheidende Schlacht: Uhtred führt das angelsächsische Heer zum Sieg gegen die Invasoren aus dem Norden. © Netflix

Ist Uhtred der siebte König? Er wird in der Schlacht schwer verwundet. Allerdings erhebt er sich noch einmal von seinem Krankenbett. Als Herrscher von Northumbria schwört er König Æthelstan Treue. Damit sind alle Gebiete Englands unter einem Herrscher vereint, wie es Æthelstans Grossvater Alfred erträumt hat.

Uhtred geht danach zurück in sein Zimmer. Als er die Tür aufmacht, sieht er allerdings den grossen Festsaal von Valhalla, wo all seine Gefährt:innen, die er über die Jahre verloren hat, ausgelassen feiern.

Gerne ein bisschen länger in Erinnerungen geschwelgt

Ob Uhtred sich zu ihnen gesellt? Die «Saxon Chronicles» erwähnten nicht, ob er überlebt habe, erzählt Uhtreds Freund Finan (Mark Rowley) im Abspann. Aber sie preisen Uhtred als grössten Krieger jener Zeit, der ein Königreich erschuf.

Wenn man «Seven Kings Must Die» etwas vorhalten kann, dann ist es die Eile, in der das Schlusskapitel von Uhtreds Geschichte erzählt wird. In der letzten Szene zeigt sich das exemplarisch.

Ein bärtiger Mann auf einem weissen Pferd, der grimmig dreinblickt.
Finan (Mark Rowley) steht bis zum Schluss treu an Uhtreds Seite und erzählt, wie die Geschichte ihn erinnert. © Netflix

Seine Geliebte und spätere Todfeindin Brida, sein Bruder Ragnar und alle anderen, die über die Jahrzehnte Uhtred begleiteten, sind nur für Sekunden zu sehen. Gerne hätte man noch ein paar Minuten mehr in Erinnerungen geschwelgt, welch epische Geschichte uns «The Last Kingdom» über die letzten acht Jahre erzählt hat.

Wie viele Sterne gibst du «The Last Kingdom: Seven Kings Must Die»?
49 Stimmen

Besetzung: Alexander Dreymon | Harry Gilby | Mark Rowley | Arnas Fedaravicius | Cavan Clerkin | Elaine Cassidy | Jacob Dudman | Pekka Strang | Laurie Davidson
Regie: Edward Bazalgette
Drehbuch: Martha Hillier | Bernard Cornwell
Genre: Historie | Abenteuer
GB, 2023

The Exchange (Staffel 1) – Hier tragen Männer ein Kopftuch und Frauen schicke Kleider

Zwei Frauen und ein rotes Sportcoupe. Eine Frau sitzt auf der Kühlerhaube, die andere steht auf dem Fahrersitz. Dahinter arabische Männer mit Kopftüchern.
4 von 5 Sternen

Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 6 Episoden à 45 Min.)

Eine Emanzipationsgeschichte mal etwas anders. Weniger ihr Verlauf, als der Ort der Handlung: auf der arabischen Halbinsel in Kuwait. Und zudem ziemlich extravagant und bunt, nicht was man üblicherweise in Arthouse-Kinos aus dieser Region zu sehen bekommt.

Frisch geschieden auf Jobsuche

Farida (Rawan Mahdi) lebt 1987 in Kuwait. Sie ist frisch geschieden und zusammen mit ihrer Tochter Jude zurück bei ihren Eltern. Doch die Freude an der neuerlangten Freiheit währt nur kurz. Die Direktorin der englischen Privatschule, auf die Jude geht, präsentiert ihr eine Rechnung über zwei Jahre ausstehende Schulgelder.

Die zweite schlechte Nachricht: Faridas Vater musste für die Scheidung tief in die Tasche greifen. Er kann nicht aushelfen mit dem Schulgeld. Also muss sich Farida einen Job suchen.

Eine Frau und Mann stehen in einem Wohnzimmer. Am Tisch sitzt ein Mädchen. Der Mann hat seine Hand auf ihrem Kopf.
Der Vater will nach der Scheidung nicht für die Schule seiner Tochter bezahlen. Das bringt Farida (Rawan Mahdi) in Geldnöte. © Netflix

Sie trifft ihre Cousine Munira (Mona Hussain), die sich gerade ein schickes rotes Cabrio gekauft hat. Munira ist Händlerin an der Börse in Kuwait. Die erste und einzige Frau in dem Job. Nicht mehr lange. Denn Farida hat ein Flair für Zahlen und schafft es, sich auch einen Job auf dem Börsenparkett zu ergattern.

Zwei Paradiesvögel unter Kopftuchträgern

Dass die beiden Frauen auf eine Wand von Ablehnung stossen, erstaunt nicht. Schliesslich sind wir in den 80er-Jahren und einem arabischen Land, das allerdings weit fortschrittlicher ist als etwa der benachbarte Mullah-Staat Iran.

Das sieht man allein schon am Auftreten der Frauen. Munira und Farida tragen farbenfrohe, elegante Kleider und ausgefallene Frisuren. Die Kopftücher sind den Männern vorbehalten, die alle zudem einheitlich im Dishdasha gekleidet sind. Da stechen die Frauen heraus wie Paradiesvögel.

Zwei Frauen in eleganten Kleidern an einer Party. Sie lächeln und klatschen.
Elegante Kleidung ist nur ein äusseres Merkmal der beiden Frauen. Sie haben noch einiges mehr drauf. © Netflix

Doch es bleibt nicht bei diesen Äusserlichkeiten. Munira hat sich bereits mit viel Selbstbewusstsein und Hartnäckigkeit einen Weg gebahnt in dieser Männerwelt. Farida tut es ihr gleich, wenn auch mehr mit Präzision und Zuverlässigkeit in der Arbeit.

Inspiriert von der Biografie der Mutter

Ein paar wenige Männer sind auch nicht so rückständig wie die Mehrheit. Ihr Boss Saud (Hussain Al-Mahdi) etwa oder ein Trader der Konkurrenzbank, der Faridas Fähigkeiten schnell erkennt und ihr zu Beginn ein paar Tipps gibt.

Auch wenn Munira und Farida gegen diese Männerbastion ankämpfen, sind sie nicht von Beginn an auf derselben Seite, sondern fechten auch unter sich einen Konkurrenzkampf aus. Das gibt dem Ganzen eine erfrischende Note.

Eine Frau in einem blauen Kleid umgeben von Männern in traditionellen grauen Gewändern und Kopftüchern. Alle halten Zettel in der Hand und strecken sie nach oben.
Allein auf dem Börsenparkett. © Netflix

Die Autorin Nadia Ahmad hat die Inspiration für ihre Geschichte aus ihrer Biografie, wie sie in einem Interview erzählt. Vorbild für Farida war ihre Mutter, die als Alleinerziehende für eine Investmentbank arbeitete. Sie wollte mit der Serie Frauenfiguren aus dem arabischen Raum einen Platz geben, den sie bisher nicht hatten.

Starke Frauen, austauschbare Männer

Das ist Ahmad gelungen. Angesichts der Schlagzeilen aus Iran oder Afghanistan, die heute die Vorstellung von der Situation der Frauen in islamischen Ländern prägen, staunt man, was andernorts möglich war und ist.

«The Exchange» ist die Story von zwei starken weiblichen Figuren. Das hält einen auch bei der Stange. Andererseits ist die Dramaturgie der Serie dann doch oft etwas holprig. Sie besticht nicht durch Finesse, sondern verliert sich in erwartbaren Stereotypen.

Eine Frau und ein Mädchen stehen an einem Bankschalter.
Die alltägliche Diskriminierung: Am Bankschalter wird Farida gefragt, ob sie denn mit Geld umgehen könne. © Netflix

Das betrifft fast alle männlichen Charaktere, die so austauschbar scheinen wie ihre Kleidung. Das kann man noch hinnehmen, weil sie Nebenfiguren sein sollen. Aber auch andere Plots sind etwas vorhersehbar. Etwa, dass die Tochter in ihrer neuen Schule gemobbt wird.

Erfrischend anders

Der grosse Börsencrash, bei dem am Schluss der Boss mit Herzinfarkt auf dem Börsenparkett liegt, ist schon fast unfreiwillig komisch inszeniert. Oder sollte das eine Referenz an die Schlussszene aus «Trading Places» sein? Das käme dann wieder ziemlich unvermittelt.

Auf jeden Fall liefert «The Exchange» einen erfrischend anderen Blick auf ein Land, das uns wenig vertraut ist, in einer Zeit, die kaum in Erinnerung ist, und auf ein Thema, das zeitgemäss ist. Da kann man ein paar Schwächen des Drehbuchs verzeihen.

Wie viele Sterne gibst du «The Exchange» (Staffel 1)?
1 Stimme

Besetzung: Rawan Mahdi | Mona Hussain | Hussain Al-Mahdi | Mohamed Mansour | Faisal Al-Amiri | Jassim Al-Nabhan
Serie entwickelt von: Nadia Ahmad
Genre: Drama | Historie
KWT, 2023

Funny Woman (Staffel 1) – Spassige Hommage an die Swinging Sixties

Serienposter mit Schriftzug. Eine Frau in blauem Kostüm schreitet eine Treppe hoch, die aus alten Schwarzweissfernsehgeräten besteht. © Sky Studios
4 von 5 Sternen

Läuft bei: Sky Show (1 Staffel, 6 Episoden à 45 Min.)

Auf der Suche nach leichter Kost? Wohlfühlfernsehen mit ein wenig ernsthaftem Unterton? Dann bist du bei «Funny Woman» genau richtig. Eine relativ seichte, spassige Emanzipationsgeschichte mit viel 60er-Jahre-Groove, passendem Soundtrack und einer Verbeugung vor der Geschichte der britischen TV-Comedy.

«Funny Woman» basiert auf dem Roman «Funny Girl» von Nick Hornby. Ein bekannter Name als Autor von unterhaltsamen Geschichten, von denen es einige auf die Leinwand schafften. In Erinnerung dürften vor allem «High Fidelity» (2000) mit John Cusack und «About a Boy» (2002) mit Hugh Grant sein.

Der Traum vom Showbiz

Die Serie erzählt. wie Barbara Parker (Gemma Arterton) aus Blackpool den Titel der Miss Blackpool Belle gewinnt und unvermittelt realisiert, dass das überhaupt nicht das Leben ist, das sie sich wünscht.

Eine Frau blickt erwartungsvoll aus dem Fenster eines roten Busses.
Von Blackpool nach London: Barbara (Gemma Arterton) hofft auf eine Karriere als Schauspielerin in der vibrierenden Grossstadt. © Sky Studios

Sie verlässt Vater (David Threlfall) und Tante (Rosie Cavaliero), bei denen sie wohnt, kündigt ihren Job in der Zuckerwarenfabrik, lässt ihren Freund, den schönsten Metzger von Blackpool, sitzen und fährt nach London.

Barbara träumt von einer Karriere im Showbusiness. Sie lernt den Theateragenten Brian Debenham (Rupert Everett) kennen, der für sie durchaus Chancen im Business sieht. Allerdings unterscheiden sich die Vorstellungen der beiden, wofür Barbara geeignet ist.

Im Blitzlichtgewitter der Klatschpresse

Barbara sieht sich auf der Bühne als grosse Komödiantin. Brian sieht sie als Blondine mit guter Figur, die besser nicht den Mund aufmacht, weil ihr Akzent ihre Herkunft aus dem Norden und der Unterschicht verrät.

Tatsächlich aber gelingt es Barbara nach einigen Rückschlägen einen TV-Produzenten von ihrem komödiantischen Talent zu überzeugen. Sie bekommt unter ihrem Künstlernamen Sophie Straw die weibliche Hauptrolle für eine Comedy Playhouse-Pilotfolge, die zu einer Hit-Show wird.

Ein Mann und eine Frau verlassen das Büro eines Mannes, der im Hintergrund am Tisch sitzt.
Dennis (Arsher Ali) und Barbara gelingt es, Ted (Alistair Petrie), den «Head of Light Entertainment» des TV-Senders, von ihrer Show zu überzeugen. © Sky Studios

Barbara erobert die Herzen des Publikums und landet schnell im Blitzlichtgewitter der Tabloids, nicht zuletzt wegen der Liaison mit ihrem Co-Star Clive (Tom Bateman).

Die Zeit des Umbruchs

Auch wenn Barbara ein gewisses Selbstbewusstsein als Frau hat und sich beschwert, dass sie keine Witze über ihre «knockers» in der Show will, bleibt sie über weite Strecken die etwas naive Unschuld vom Lande. Nur langsam entwickelt sie eine entschlossene Seite, die nicht mehr zulässt, als Spielzeug für Männer zu dienen.

Ein Mann sitzt an einem Schreibtisch und zeigt das Titelblatt einer Zeitung.
Barbaras Agent Brian (Rupert Everett) ist begeistert von den Schlagzeilen über Barbaras Liaison mit ihrem Co-Star. © Sky Studios

Das ist nur das offensichtlichste Beispiel dafür, dass «Funny Woman» zwar viele Themen aus den Swinging Sixties anspricht, die im Umbruch sind, aber nicht wirklich vertieft.

Barbaras Schwarze Freundin Diane (Clare-Hope Ashitey) etwa bekommt einen Job bei den TV-News. Ein Zuschauer fragt daraufhin, ob es denn keine netten Weissen Frauen für den Job gegeben habe.

Zeitgeist, ja – aber locker und spassig

Ganz selbstverständlich befiehlt der unsympathische TV-Boss Ted (Alistair Petrie) seinem indischstämmigen Produzenten Dennis (Arsher Ali), die Rolle eines Inders in der Comedy-Show mit einem Engländer zu besetzen, der den Akzent nachäfft. Bill und Tony, die beiden Autoren der Show, schliesslich, sind homo-, respektive bisexuell, was sie verbergen müssen, denn bis 1967 war das in England strafbar.

Zwei Frauen in einem poppigen Kleiderladen mit vorwiegend rötlichem Wanddekor.
Rassismus gegen Barbaras Freundin Diane (Clare-Hope Ashitey) ist zwar ein Thema. Aber im Vordergrund stehen die groovy Sixties mit poppigem Design bis in die Kleiderläden. © Sky Studios

Jetzt ist das nicht wirklich eine Schwäche von «Funny Woman», wenn Rassismus, Frauendiskriminierung und Schwulenfeindlichkeit nicht ausgiebig dramatisiert werden. Letztlich will die Serie eine Komödie sein, die den Zeitgeist zwar aufnimmt, aber eher locker und spassig damit umgeht.

Das gelingt wirklich ansprechend. Vor allem dank der Hauptdarstellerin Gemma Arterton, die die Serie mit immenser Energie und Spielfreude trägt. Aber auch dank den Nebenfiguren, die feine Akzente setzen und damit den einen oder anderen zusätzlichen Farbtupfer an die bunte Hommage an die 60er-Jahre beisteuern.

Gezeichnet: Schwarze tanzende Silhoutten vor grosser Silberkugel und orange-rotem Hintergrund.
Soundtrack «Funny Woman»

Golden Oldies aus den 60ern: Hier gibt’s den Soundtrack zur Serie als

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Besetzung: Gemma Arterton | Tom Bateman | David Threlfall | Rosie Cavaliero | Morwenna Banks | Rupert Everett | Leo Bill | Alexa Davies | Arsher Ali | Matthew Beard | Clare-Hope Ashitey | Alistair Petrie
Genre: Komödie | Historie
GB, 2023

La Legge di Lidia Poët (Staffel 1) – Üppig inszenierter Kostüm-Krimi

Serienposter mit Schriftzug. Eine Frau am Schreibtisch mit den Beinen auf dem Tisch. Hinter ihr stehen zwei Männer neben einem Fenster. Alles im Ambiente des 19. Jahrhunderts.
3 von 5 Sternen

Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 6 Episoden à 45 Min.)

Eigentlich ist Lidia Poët (Matilda De Angelis) Anwältin. Eigentlich, denn sie hat zwar als erste Frau in Italien das Jus-Studium absolviert, aber dann wird sie aus der Anwaltskammer von Turin rausgeworfen.

Die Szene vor Gericht, als ihr Rauswurf verkündet wird, ist zum Schreien: wahlweise aus Empörung oder mit ungläubigem Gelächter. Fünf alte Richter geben der jungen Frau den Tarif durch.

Frauen sind biologisch nicht geeignet

Die Justiz würde an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn Frauen in ihren bizarren Kleidern vor Gericht aufträten. Und überhaupt: Für diesen Beruf seien Frauen rein biologisch nicht geeignet und würden von ihrer eigentlichen Aufgabe abgehalten – nämlich zu gebären.

Eine Frau steht vor einer Abschrankung in einem Gerichtssaal. Ein Fotograf links daneben im Hintergrund Zuschauer.
Lidia Poët (Matilda De Angelis) muss sich von den Richtern einiges anhören, als ihr die Zulassung entzogen wird. © Netflix

Der Rauswurf ist tatsächlich passiert. Lidia Poët ist eine historische Figur. Allerdings ist die Netflix-Show keine Biografie, sondern vor allem eine Krimiserie, die in Kostümen und dem Dekor des ausklingenden 19. Jahrhunderts schwelgt. Mit wenigen Ausnahmen wie eben dem Berufsverbot sind die Ereignisse frei erfunden.

Spitze Bemerkungen gegen überholte Vorstellungen

Die Ereignisse, das sind dann die Kriminalfälle, die Lidia aufklärt, obwohl sie nicht vor Gericht auftreten kann. Sie tut das als Assistentin ihres Bruders Enrico (Pier Luigi Pasino), der ebenfalls Anwalt ist.

In jeder Episode löst sie einen Fall und stellt unter Beweis, dass das Problem nicht Frauen in bizarren Kleidern sind, sondern die selbstzufriedenen Machos, die trotz mangelnder Kompetenz in hohen Ämtern landen.

Ein halbrunder Raum. Vier Leichen liegen auf Seziertischen. Eine Frau steht hinter einem dieser Tische. Männer beobachten die Arbeit von zwei Ärzten an einem anderen Tisch.
Stilvoll ausgestattet bis in die Leichenhalle. © Netflix

Die Mordfälle und deren Aufklärung sind ungewohnt gemächlich inszeniert. Eher vornehm und gediegen, passend zur Kleidung, die die Beteiligten tragen. Dennoch ist das unterhaltsam und vor allem auch witzig. Denn Lidia bringt immer wieder die eine oder andere spitze Bemerkung gegen überholte gesellschaftliche Vorstellung unter.

Die Emanzipationsgeschichte wird verschenkt

Von einer Emanzipationsgeschichte ist allerdings kaum etwas zu spüren. Lidias Bemühungen um ihre Zulassung begleiten uns zwar über alle Episoden hinweg. Aber dieser Erzählstrang wirkt sehr zweitrangig. So richtig als Kämpferin für Frauenrechte gibt sich Lidia nie. Im Gegenteil: Ihre beiden Liebhaber Andrea (Dario Aita) und Jacipo (Eduardo Scarpetta) scheinen ihr fast wichtiger.

Ein Mann und eine Frau auf einem Maskenball.
Der Maskenball, den Lidia mit ihrem Liebhaber Andrea ((Dario Aita) besucht, erweist Kubricks «Eyes Wide Shut» die Reverenz. © Netflix

Hier verschenkt sich die Serie eine interessantere Charakterisierung und fällt selber etwas in überholte Rollenklischees zurück. Trotz allem bietet «La Legge di Lidia Poët» vergnüglichen Seriengenuss und vor allem viel fürs Auge für Freund:innen von Kostümdramen.

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14 Stimmen

Besetzung: Matilda De Angelis | Eduardo Scarpetta | Pier Luigi Pasino | Sinéad Thornhill | Sara Lazzaro | Dario Aita
Serie entwickelt von: Guido Iuculano | Davide Orsini
Genre: Historie | Krimi | Biografie
ITA, 2023

Cunk on Earth (Staffel 1) – So witzig war Geschichte noch selten

Serienposter mit Schriftzug. Eine Frau steht vor einer Burgruine in einem Feld mit Pflanzen vor sich.

Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 5 Episoden à 30 Min.)

Philomena Cunk ist phänomenal. Sie setzt neue Massstäbe für das Genre der TV-Mockumentaries. Sie stapft durch Sehenswürdigkeiten der Weltgeschichte und erzählt mit bierernster Mine und beinahe richtigen Fachbegriffen wirre Geschichten über Ereignisse, die oft nicht ganz so geschahen, wie sie es schildert.

Wer ist Philomena Cunk?
Die Figur der Philomena Cunk, die von Diane Morgan gespielt wird, ist eine Erfindung des britischen TV-Produzenten Charlie Brooker, der die Serie «Black Mirror» kreiiert hat. Erstmals tauchte die intellektuell überforderte Journalistin 2013 in der BBC-Show «Charlie Brooker’s Weekly Wipe» auf. 2018 erhielt Cunk ihre eigene Serie «Cunk on Britain», ein Fünfteiler wie jetzt «Cunk on Earth», der ebenfalls von der BBC ausgestrahlt wurde.

In Florenz, das die Italiener:innen laut Cunk zu Firenze umtauften, um die Tourist:innen in die Irre zu führen, geschah eine der grossen kulturellen Revolutionen: Die Renaisauce, wie sie es nennt. Was möglicherweise auf die Erfindung des Ketchups hindeute.

Was Fitnessstudios mit Michelangelos David verbindet

Eines der grossen Denkmäler der Epoche stellt sie uns näher vor: Michelangelos David. Es sei eine Statue von erstaunliche detaillierter Genauigkeit, wie beispielsweise der makellos geformten Bauchmuskulatur. Messerscharf schliesst sie daraus, dass das beweist, was für ein «bullshit» Fitnessstudios sind. Denn damals gab es keine, aber dennoch «perfect abs».

Ein Mann in altertümlicher Kleidung arbeitet auf einer Werkbank. Eine modern gekleidete Frau streckt von rechts ihren Kopf ins Bild.
Auch nachgestellte historische Szenen fehlen nicht: Ein Besuch in der Werkstatt von Jesus, über den Cunk sagt: «Er war Jude, bevor er zum Zimmermann konvertierte.» © Netflix / BBC

Eine Frage aber bleibe unbeantwortet, erklärt sie mit grösster Ernsthaftigkeit: Weshalb besitzt David keinen Anus? Übersah Michelangelo dieses Detail oder besass das Modell tatsächlich keinen. «We will never know.»

Noch besser sind ihre Interviews, in denen sie Expert:innen regelmässig mit bizarren Fragen konfrontiert und sich oft nicht irritieren lässt, wenn sie korrigiert wird. Die Fachleute versuchen manchmal, die Fragen sinnvoll umzuformulieren, meist schweigen sie nur konsterniert.

Wie konnten die Expert:innen die Fassung bewahren?

Man fragt sich bei diesen Interviews unweigerlich, ob die Expert:innen vorgewarnt wurden. Klar ist, dass sie für Interviews angefragt wurden für eine BBC-Dokumentation. Was sie genau gefragt werden, wussten sie nicht vorab. Aber sie müssen zumindest einen Hinweis bekommen haben auf die Art der Befragung. Anders lässt es sich nicht erklären, dass alle Fachleute ihre Fassung bewahren konnten.

Eine Frau liest ein Comicbuch mit dem Titel «Great Big Crazy History of Rome». Im Hintergrund ein Bücherregal.
Cunk bereit sich gewissenhaft auf die Interviews mit den Expert:innen vor. © Netflix / BBC

Wie beispielsweise der Experte, der zur Raumfahrt befragt wird. Selbstverständlich bezeichnet Cunk den Mondflug als Humbug. Videos auf YouTube, die ihr Freund Sean ihr gezeigt habe, bewiesen das klar. Aber auch die Nacht sei nicht real, sondern künstlich erzeugt. Der Beweis? Neugeborene schlafen nicht in der Nacht, weil sie noch nicht konditioniert sind.

Die Gags und Punchlines folgen Schlag auf Schlag in den 30-minütigen Episoden. Nicht immer stellt Philomena Cunk dabei nur ihr Unwissen unter Beweis. Oft versteckt sie in ihren Fragen spitze Kommentare. Etwa wenn sie den US-amerikanischen Historiker fragt, weshalb es in den USA eigentlich das Recht gebe, andere Menschen mit Schusswaffen zu ermorden.

Eine Frau sitzt in einem Ledersessel im Oval Office und streckt die Beine auf den Schreibtisch. Im Hintergrund die US-amerikanische Flagge und ein Ölgemälde von George Washington.
Bissige Kommentare gibt es auch: Beim «Land of the Free» verweist Cunk gerne auf Indigene und Schwarze, die sich kaum angesprochen fühlen dürften. © Netflix / BBC
Kultur vs. Popkultur – nur eine macht wirklich Spass

Nicht ungern pinkelt Cunk dem Bildungsbürgertum ans Bein. Griechische Philosophie sei zwar unendlich langweilig, hält sie fest, aber die Leute hätten damals halt mangels besserer Alternativen damit beschäftigen müssen. Den Begriff Populärkultur erklärt sie als Kultur, wie beispielsweise Malerei oder Beethoven, aber im Gegensatz dazu mache Populärkultur wirklich Spass.

«Cunk on Earth» beginnt bei den Höhlenmalereien und endet im Computerzeitalter. Auch wenn man keine neuen Einblicke erhält, ist es wohl eine der amüsantesten Reisen durch die Menschheitsgeschichte bis anhin. Die Serie imitiert perfekt den Habitus von TV-Dokus und zaubert einem zweieinhalb Stunden lang ein Grinsen ins Gesicht.

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7 Stimmen

Besetzung: Diane Morgan
Serie entwickelt von: Charlie Brooker
Genre: Komödie | Doku | Historie
GB, 2022

Under the Banner of Heaven (Mini-Serie) – Ein Doppelmord im Namen Gottes

Serienposter mit Schriftzug. Ein Mann legt nachdenklich seine Hand an die Stirn. Im Hintergrund bedrohliche Stimmunge am Himmel mit düsteren Wolken.
4 von 5 Sternen

Läuft bei: Disney+ (Mini-Serie, 7 Episoden à 60 Min.)

Wem sich bei den Themen Glauben und Religion die Nackenhaare sträuben, kann hier aufhören zu lesen. Denn es geht bei der True-Crime-Serie «Under the Banner of Heaven» zwar auch um die Aufklärung eines Doppelmordes, der 1984 im US-Bundesstaat Utah geschah.

Aber im Vordergrund steht das Thema religiöser Fanatismus. Und es ist die Geschichte eines gläubigen Polizisten, der das Verbrechen untersucht und immer mehr an seiner Kirche und an seinem Glauben zu zweifeln beginnt.

Der Ehemann bestreitet den Mord

Ausgangspunkt ist der brutale Mord an Brenda Wright Lafferty (Daisy Edgar-Jones) und ihrer 15 Monate alten Tochter in einer Mormonengemeinde. Als die Polizisten Jeb Pyre und Bill Taba den Tatort untersuchen, taucht Brendas Mann Allen auf in blutverschmierten Kleidern.

Mehrere Menschen sitzen an einem gedeckten Tisch und haben die Hände zum Gebet gefaltet.
Brenda (Daisy Edgar-Jones, Mitte) ist eine gläubige Mormonin, allerdings weniger streng als die Familie Lafferty, in die sie einheiratet. © Disney+ / FX

Allen wird verhaftet, aber er bestreitet den Mord. Die Täter seien bärtige Männer gewesen. Was in dieser Gegend ungewöhnlich ist, denn Mormonen tragen keine Bärte. Und hier leben sehr viele Anhänger der «Church of Jesus Christ of Latter-day Saints», kurz LDS.

Eine strenggläubige Familie, die keine Abweichler toleriert

Die Familie Lafferty, in die Brenda eingeheiratet hat, ist eine sehr einflussreiche LDS-Familie, quasi die Kennedys der Gegend. In Rückblenden sehen wir, wie die grosse Familie feiert, der autoritäre Vater einen seiner erwachsenen Söhne mit dem Gürtel prügelt und wie Brenda in die Familie kommt.

Die Laffertys sind strenggläubig. Der «Heavenly Father» bestimmt das ganze Leben und die Worte von Joseph Smith, dem Gründer, sind Gesetz. Brenda dagegen stammt aus einer weniger orthodoxen Familie aus Idaho. Sie ist zwar gläubig, vertritt aber auch andere Ansichten, vor allem was die Unterwürfigkeit der Frau in der Ehe angeht.

Ein Mann steht und hält ein Blatt Papier vor sich. Sitzend um ihn herum hören drei andere Männer zu.
Ron Lafferty (Sam Worthington, stehend) erhält göttliche Eingebungen, die er seinen Mitbrüdern verkündet. © Disney+ / FX

Allens Brüdern missfällt das. Denn Brenda freundet sich mit ihren Frauen an und sie befürchten, dass diese sich von Brenda beeinflussen lassen. Gefährlich wird es für Brenda aber erst, als sich die Brüder, allen voran Dan (Wyatt Russell) und Ron (Sam Worthington), radikalisieren.

Der Polizist beginnt zu zweifeln

Sie knüpfen Verbindungen zu Fundamentalisten und verfallen immer mehr dem Wahn, sie seien ausersehen, den wahren Glauben wiederherzustellen. Dazu gehört, dass Abtrünnige ihre Schuld mit Blut bezahlen müssen.

Jeb Pyre kommt dieser Geschichte Schritt für Schritt auf die Spur. Je weiter er vordringt in diese Welt des religiösen Fanatismus, desto mehr bröckelt sein eigenes Glaubensfundament.

Ein Mann steht in der Küche und lacht. Er schaut auf drei Mädchen, die vor ihm spielen.
FürJeb Pyre (Andrew Garfield) wird der Fall zum Prüfstein für seinen Glauben und erschüttert auch sein Familienleben. © Disney+ / FX

Dazu trägt zudem bei, dass seine Kirchenoberen es lieber sähen, wenn die Hintergründe des Mordes vertuscht würden. Mehr als einmal geben sie ihm zu verstehen, dass es besser wäre, die Radikalisierung von Glaubensbrüdern zu verschweigen.

Andrew Garfield spielt diesen bedächtigen, ruhigen Cop absolut fesselnd. Man ahnt zwar schon früh, dass ihn dieser Fall aus der Bahn werfen wird. Aber wie diese Zweifel immer tiefer in seine Seele dringen, ist packend inszeniert.

Bill Taba, Jebs Partner, spielt dabei eine wichtige Rolle. Er ist kein Mormone, sondern hat als Paiute einen ganz anderen kulturellen Hintergrund. Ihre Beziehung ist geprägt von Respekt, aber auch dem Wissen, dass es Grenzen gibt für das gegenseitige Verständnis. Je deutlicher aber wird, dass religiöser Fanatismus der Antrieb für den Mord war, desto mehr zwingt Taba seinen Kollegen, sich diesem Auswuchs seines Glaubens zu stellen.

Eine Religion, die aus der Zeit gefallen ist

Es ist faszinierend, wie die Serie es schafft, die Mormonen-Kirche sehr kritisch zu beleuchten. Dazu gehören auch verschiedene Rückblenden in die Geschichte ihrer Entstehung. Aber andererseits begegnet sie den «normalen» Gläubigen wie Jeb und seine Familie sehr respektvoll.

Zwei Männer in Anzügen. Sie stehen in der Wüste, im Hintergrund ein dürrer Baum.
Bill Taba (Gil Birmingham) nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Rolle der Kirche in diesem Doppelmord geht. © Disney+ / FX

Am Schluss überwiegt aber dennoch das Negative. Denn zu starr verharrt diese Kirche in einem Verständnis von Leben und Gemeinschaft, das schon zur Gründungszeit konservativ war, aber heute völlig aus der Zeit gefallen ist.

Dass die fundamentalistische Auslegung des Glaubens nur noch unmenschlich und zutiefst verwerflich ist, damit sind die Mormonen allerdings nicht allein. Wobei auch deutlich wird, dass Fanatiker wie die Gebrüder Lafferty ihre Religion mehr zu ihrem eigenen Vorteil missbrauchen, als wirklich die Lehren ihrer Kirche zu vertreten. Auch das kennen wir von beinahe allen anderen Glaubensrichtungen.

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Besetzung: Andrew Garfield | Sam Worthington | Daisy Edgar-Jones | Denise Gough | Wyatt Russel | Billy Howle | Chloe Pirrie | Gil Birmingham | Rory Culkin
Serie entwickelt von: Dustin Lance Black
Genre: True-Crime | Historie
USA, 2022

Vikings: Valhalla (Staffel 2) – Viel Blut, viele Tränen und eine Reise nach Valhalla

Serienposter mit Schriftzug. Zwei Männer und eine Frau mit Schwertern und Äxten bewaffnet stehen in einer winterlichen Landschaft.
3 von 5 Sternen

Läuft bei: Netflix (2 Staffeln, 16 Episoden à 45 Min.)

=> «Vikings Valhalla» Staffel 1

Üblicherweise verbinden wir Wikinger mit nördlichen Gefilden, allenfalls mit ihren Reisen nach Westen, wo sie Island besiedelten und Amerika entdeckten. Auf eine andere Route führt uns die zweite Staffel von «Vikings: Valhalla», nach Osten und in den Süden.

Harald will den Thron

Nach der Schlacht um Kattegat haben sich Freydis (Frida Gustavsson) und Harald (Leo Suter) zurückgezogen und leben versteckt im Wald. Harald träumt aber immer noch davon, König von Norwegen zu werden. Deshalb will er zurück nach Kattegat.

Dort ist Haralds Bruder Olaf (Jóhannes Haukur Jóhannesson) als Verlierer der Schlacht eingekerkert. Doch anstatt den Vikinger hinzurichten, macht ihn der siegreiche Forkbeard zur rechten Hand und Beschützer seines Enkels, den er als neuen König von Norwegen proklamiert. Forkbeard nimmt allerdings Olafs Sohn als Geisel, um sicherzustellen, dass Olaf nicht auf dumme Gedanken kommt.

Zwei bärtige Männer und Frau bewaffnet mit Pfeil und Bogen wandern durch eine hügelige Landschaft.
Nur zu Beginn sind Freydis (Frida Gustavsson), Harald (Leo Suter) und Leif (Sam Corlett) gemeinsam unterwegs. Bald trennen sich ihre Wege. © Netflix

Da Harald für den neuen König eine Bedrohung darstellt und Olaf ja sowieso noch eine Rechnung mit ihm offen hat, lässt er nach seinem Bruder suchen. Nur knapp entkommen Harald und Freydis den Häschern von Olaf. Das verdanken sie Leif Erikson (Sam Corlett), der sie noch rechtzeitig warnen kann.

Die Suche nach den alten Göttern und neuen Reichtümern

Die drei fliehen, trennen sich allerdings. Freydis reist nach Jomsborg, wo die Wikinger, die dem alten Glauben treu geblieben sind, Schutz finden vor der Verfolgung durch ihre christianisierten Stammesgenossen. Doch der Herrscher von Jomsborg ist keineswegs nur ein Gutmensch. Er beutet die Schutzsuchenden hemmungslos aus, was Freydis nicht hinnehmen will und selber in Gefahr gerät.

Leif begleitet Harald zuerst nach Novgorod, wo Harald die Unterstützung seines Onkels sucht, um mit einer Armee seinen Anspruch auf den Thron durchzusetzen. Da er ihm nicht helfen kann oder will, reisen Harald und Leif mit einer illustren Schar auf einem Schiff weiter nach Konstantinopel. Eine Reise voller Gefahren und unliebsamer Überraschungen.

Drei junge Frauen blicken wütend auf einen gefesselten Mann. Eine Frau hält ein blutiges Messer in der Hand.
Mit auf dem Schiff nach Konstantinopel: Versklavte Frauen, die sich an ihrem Peiniger rächen werden. © Netflix

Der letzte Schauplatz ist London. Dort wartet Königin Emma (Laura Berlin) auf die Rückkehr ihres Mannes vom Schlachtfeld. Ihre Situation ist in Abwesenheit des Königs nicht ungefährlich, man trachtet ihr nach dem Leben. Earl Godwin (David Oakes) verhindert einen Giftanschlag auf die Königin. Doch sie hegt Zweifel an Godwins Loyalität, nicht ganz unberechtigt, wie sich zeigen wird.

Die Fehden werden persönlicher

Mit Freydis und ihrer Reise nach Jomsborg wird immer noch das Thema der Spaltung der Wikinger in Christi:nnen und Anhänger:innen des alten Glaubens weiterverfolgt. Allerdings sind die Fehden und Kämpfe auf einer viel persönlicheren Ebene angelangt.

Mehrere Frauen auf einem Platz. Eine schwangere Frau hält ihre Hände unter dem gewölbten Bauch.
Freydis verschweigt Harald, dass sie ein Kind bekommt von ihm. Der Sohn wird in Jomsburg geboren und ihr weggenommen. © Netflix

Freydis kämpft nicht nur gegen die Unterjochung der Flüchtlinge in Jomsburg. Sie kämpft vor allem für ihren neugeborenen Sohn, wenn sie gegen den brutalen Herrscher von Jomsburg antritt. Leif wird verfolgt vom Geist seiner verlorenen Liebe und findet eine neue. Und nicht zuletzt schmiedet Godwin seine hinterhältigen Pläne, um das Unrecht, das seiner Familie angetan wurde, zu tilgen.

Da ist also alles drin: Liebe, Kampf und Intrige. Es fliesst viel Blut und viele Tränen. Am Ende wird eine der bisherigen Hauptfiguren seitlich mit einem Speer aufgespiesst und nach Valhalla geschickt. Spannung genug also, um die Reise der Wikinger interessiert weiter zu verfolgen.

Die Umfrage ist beendet

Wie viele Sterne gibst du «Vikings: Valhalla» (Staffel 2)?
62 Stimmen

Besetzung: Sam Corlett | Leo Suter | Frida Gustavsson | Jóhannes Haukur Jóhannesson | David Oakes | Laura Berlin | Bradley Freegard
Serie entwickelt von: Jeb Stuart
Genre: Historie | Abenteuer
USA, 2023

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