

Disney+ (Mini-Serie, 4 Episoden à 50 Min.)
Es gibt Serien, die regen einen mächtig auf. Gerade deshalb kann man nicht aufhören und schaut von Anfang bis Ende durch. «Suspect: The Shooting of Jean Charles de Menezes» ist so eine Serie.
Für die Wut, die einen packt, sorgt die Londoner Polizei. Sie war verantwortlich dafür, dass am 22. Juli 2005 der 27-jährige Brasilianer Jean Charles de Menezes in der Londoner U-Bahn mit elf Schüssen getötet wurde.
Vertuschen und verschleiern
Der Polizeichef bezeichnete Menezes als Terrorverdächtigen, obwohl schnell klar wurde, dass er nur ein unschuldiger Unbeteiligter war. Zudem behinderte der Polizeichef die Ermittlungen der internen Untersuchungsbehörde. Vertuschen und verschleiern war die Devise.

Doch das ist nicht alles, was in diesem Fall schieflief, wie «Suspect» in einer dramatisierten Darstellung der realen Ereignisse aufzeigt. Dabei verschweigt die Serie nicht, in welch angespannter Lage die Polizei damals agierte. Das entschuldigt nichts, erklärt aber einiges.
Terror in der U-Bahn
Zwei Wochen zuvor hatten Selbstmordattentäter in der Londoner Underground und in einem Bus vier Bomben gezündet. 52 Menschen starben, knapp 800 wurden verletzt. Die Londoner Sicherheitskräfte waren danach in höchster Alarmbereitschaft.
Nicht zu Unrecht, wie «Suspect» zeigt. Fünf radikale Islamisten planen schon den nächsten Anschlag. Am 21. Juli ziehen sie los, um wiederum in der U-Bahn zuzuschlagen. Sie zünden die Bomben, doch sie explodieren nicht.
Die Islamisten fliehen. Die Polizei kommt ihnen auf die Spur. Sie überwacht ein Haus, in dem einer der Attentäter wohnt. Wie auch Jean Charles de Menezes (Edison Alcaide).

Verhindern, um jeden Preis
«Suspect» schildert die folgenden Ereignisse, die zum Tod des jungen Brasilianers führen, mit unerbittlicher Detailtreue, die den Adrenalinspiegel konstant in die Höhe treibt – sowohl auf dem Bildschirm als auch davor.
Wir folgen den Polizisten, denen bei der Einsatzbesprechung eingehämmert wird, dass ein Attentäter mit der kleinsten Handbewegung seine Bombe zünden kann. Das müsse um jeden Preis verhindert werden.
Wir sehen, wie die Polizisten durch London rasen, der Funkverkehr versagt, die eindeutige Identifikation der Zielperson nicht gelingt. Wie sie schliesslich trotzdem in die U-Bahnstation Stockwell stürmen, wo de Menezes in die U-Bahn einsteigt, und kurz darauf von zwei Polizisten ohne Vorwarnung erschossen wird.

Der Skandal ist bis heute nicht verarbeitet
De Menezes‘ Tod ist eine grosse Tragödie. Die Metropolitan Police hätte dazu stehen und sich bei den Angehörigen entschuldigen können. Doch sie tut dies nur vage und zögerlich.
Polizeichef Sir Ian Blair (Conleth Hill) und die Einsatzleiterin Cressida Dick (Emily Mortimer) sind vor allem darauf bedacht, die wahren Umstände des Todes von De Menezes und das vielfache Versagen der Polizei möglichst zu verschleiern.
Das macht die Erschiessung von Jean Charles de Menezes zu einem schockierenden Skandal, der bis heute nicht verarbeitet ist, wie die Reaktionen der britischen Presse auf die Serie zeigen.

Zur Wut gesellt sich Ohnmacht
Es dauerte drei Jahre, bis eine unabhängige Untersuchung Klarheit über die Vorfälle verschaffte, aber keine «ungesetzliche Tötung» erkannte. Die Familie des Opfers erhielt zwar eine Abfindung, aber empörend bleibt, dass keine der Führungspersonen zur Verantwortung gezogen wurde.
Polizeichef Blair trat nach der Untersuchung zurück, erhielt aber eine umfangreiche Abfindung und wurde 2010 ins House of Lords berufen. Cressida Dick wurde kurz nach den Ereignissen befördert und 2017 zur Polizeichefin berufen. Zur Wut gesellt sich deshalb auch das Gefühl der Ohnmacht, dass die ganz oben am Ende unantastbar sind.
Besetzung: Edison Alcaide | Russell Tovey | Laura Aikman | Conleth Hill | Emily Mortimer | Max Beesely | Daniel Mays | Alex Jennings | Ella Bruccoleri
Genre: Historie | Drama | True-Crime
GB, 2025











Schreibe einen Kommentar