

Netflix (Mini-Serie, 5 Episoden à 50 Min.)
Wäre «Hostage» eine US-Serie, wäre sie langweilig. Präsident:innen, die an Leib und Leben bedroht sind, Verräter in den eigenen Reihen bekämpfen und dann heldenhaft über sich hinauswachsen, kennen wir zur Genüge.
Wenn man die Geschichte nach Europa verlegt, wirkt das für uns nicht nur etwas vertrauter, es verändert auch die Dynamik. Denn die Macht einer englischen Premierministerin ist ungleich geringer. In diesem Amt kann man so schnell verschwinden, wie man gekommen ist, wie Liz Truss bewiesen hat.
Über allem thront die Familie
Dennoch lehnt «Hostage» an Klischees an, die wir von US-amerikanischen Serien gewohnt sind. Allen voran: Family! Der Ehemann der britischen Premierministerin Abigail Dalton (Suranne Jones, u.a. «Vigil») ist ein selbstloser Arzt, der für «Ärzte ohne Grenzen» in Französisch-Guayana arbeitet.

Dummerweise geniesst er keinen Personenschutz, wie das bei Ehepartnern von US-Präsident:innen der Fall wäre. Deshalb ist es ein Leichtes für ein Terrorkommando, ihn zu entführen. Die Forderung für seine Freilassung: Dalton soll zurücktreten.
Dass Dalton nicht sofort auf diese Forderung eingeht, bringt ihre Teenager-Tochter und ihren Vater in Rage. Deren Verständnis für die politischen Konsequenzen eines Rücktritts liegt bei null. Sie reagieren voll emotional mit der klassischen Haltung: Auch wenn die Welt deshalb untergeht, die Familie kommt immer zuerst.
Die gefährliche Liebschaft der Präsidentin
Es scheint jedoch, als erübrige sich die ganze Diskussion. Ein MI6-Agent spürt die entführten Ärzt:innen auf. Da ist es sehr hilfreich, dass die französische Präsidentin Vivienne Toussaint gerade in London weilt. Sie schickt ein Armeekommando, um die Entführten zu befreien.

Allerdings macht sie in letzter Sekunde einen Rückzieher. Auch sie wird jetzt von den Terrorist:innen erpresst. Diese sind im Besitz eines pikanten Videos, das Toussaint im Bett mit ihrem Stiefsohn zeigt.
Wenn man sich damit abfindet, dass am Anfang einiges etwas übertrieben konstruiert ist, bekommt man danach einen sauberen und spannenden Politthriller serviert. Elegant eingebettet sind dabei Bezüge zur aktuellen politischen Situation.
Verräter:innen in den eigenen Reihen
Die englische Premierministerin steht wegen des maroden Gesundheitssystems unter Druck. Es fehlen dem Land lebenswichtige Medikamente.

Diese könnte die französische Präsidentin liefern. Sie will als Gegenleistung harte Massnahmen gegen die Migrantenströme am Ärmelkanal. Damit hofft sie, bei den anstehenden Wahlen gegen die rechtspopulistische Konkurrenz zu punkten.
Beide Politikerinnen werden von Vertrauten hintergangen. Diese zu entlarven, wird zur Überlebensfrage. Nicht nur politisch.
Nach dem holprigen Start entwickelt sich «Hostage» dank der Hauptdarstellerinnen Suranne Jones und Julie Delpy zu einem fesselnden Thriller. Er funktioniert, obwohl einige Plotelemente stark nach US-Vorbildern riechen.
Besetzung: Suranne Jones | Julie Delpy | Ashley Thomas | Martin McCann | Isobel Akuwudike | Lucian Msamati | Corey Mylchreest | Pip Carter | Hiftu Quasem | Vincent Perez | Jehnny Beth
Serie entwickelt von: Matt Charman
Genre: Thriller | Drama
GB, 2025
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