

Apple TV+ (1 Staffel, 8 Episoden à 45 Min.)
Wenn du in dieses Krankenhaus eingeliefert wirst und hörst: «Es kümmert sich gleich jemand um Sie», dann stell dich auf stundenlanges Warten ein. Nur wenn du kurz vor dem Tod stehst, wirst du – hoffentlich rechtzeitig – eine Ärztin oder einen Arzt sehen.
Denn im «Krank», dem Krankenhaus im Berliner Problembezirk Neukölln, herrschen katastrophale Zustände. Zu wenig Pflegepersonal, zu wenig Ärzt:innen, veraltete Ausrüstung, zu wenig Platz und zu viele Patient:innen.
Hochgetaktet und hektisch inszeniert
In diesem Chaos beginnt Dr. Zanna Parker (Haley Louise Jones) als Leiterin der Notaufnahme. Ihre neuen Kolleg:innen machen ihr sofort klar: Hier hört keiner auf die Chefin. «Wir schmeissen den Laden von der Seitenlinie aus», erklärt ihr Dr. Ben Weber (Slavko Popadic). Und Dr. Emina Ertan (Safak Sengül) glaubt: «Die macht es keine drei Wochen.» Sie spricht aus Erfahrung. Die letzten Chef:innen hielten es alle nicht lange aus.

Kein Wunder, bei der Hektik, die im «Krank» herrscht. Ein Patient brüllt am Empfang, der nächste rollt blutüberströmt auf der Bahre rein, während im Gang jemand blau anläuft, weil er nicht mehr atmen kann. Das wird mit einer hektischen Handkamera eingefangen, deren verwackelte Bilder unterstützt vom wummernden Soundtrack den Puls hochtreiben.
Drogen und Gefühlskälte als Überlebensstrategie
Wenn dann Ben regelmässig Tilidin einwirft, ein Opioid, und zugedröhnt einem Patienten die Hirnschale aufbohrt, fragt man sich schon: Alles ein bisschen dick aufgetragen? Nein, meint der Rezensent des «Stern», selbst ehemaliger Arzt. Er verweist auf das deutsche Ärzteblatt, das Medikamentenmissbrauch oder -abhängigkeit bei etwa 20 bis 30 Prozent der Ärzt:innen vermutet.

Samuel Jefferson, einer der Autoren der Serie, war ebenfalls Arzt und kennt die abgelöschte Stimmung des dauergestressten Personals. Das ist eine Überlebensstrategie, die Emina zur Perfektion entwickelt hat. Empathie hat sie aus ihrem Gefühlsrepertoire gestrichen. Patient:innen werden diagnostiziert und behandelt, fertig. So wie der Junkie, der im Drogenwahn meint zu verbrennen. Ihn spritzt sie mit dem Feuerlöscher ab. Problem gelöst.
Beziehungen und Konflikte
Zanna ist noch nicht so desillusioniert. Sie will etwas verändern, die Abläufe verbessern, mehr Personal bekommen. Dafür muss ihre Abteilung mehr Geld reinholen, wie ihr Chef ihr klarmacht. Das schafft sie, indem sie Patient:innen zu Eingriffen überredet, die nicht zwingend sind. Was natürlich auch in einer Katastrophe endet.
«Krank Berlin» lebt nicht nur von der Schilderung des medizinischen Alltags. Wie immer bei solchen Serien stehen Beziehungen und Konflikte im Fokus. Der Arzt, der überfordert ist und dessen Fehler Menschen in Lebensgefahr bringen. Die Ärztin, die einen Polizisten retten soll, der ihren Bruder ins Koma geprügelt hat.

Der alte Mann und die junge Idealistin
Besonders hübsch ist der Plot mit den beiden Rettungssanitäter:innen Olivia (Samirah Breuer) und Olaf (Bernhard Schütz). Er ist ein alter Hase, der schon 40 Jahre den Job macht. Das macht ihn so erfahren wie abgebrüht. Sie ist die Idealistin, die allen helfen will.
Die beiden geraten sich regelmässig in die Haare. Wenn Olivia etwa einen vollgeschissenen Junkie aus einer Toilette holt, den Olaf nicht mitnehmen will, weil er den ganzen Wagen verpestet und man den Gestank nicht mehr loswird.

Im «Krank» gibt es keine Held:innen
Nach einer Brandkatastrophe in einem Nachtklub, die das «Krank» und das Personal an den Rand des Zusammenbruchs treibt, taucht die Gesundheitssenatorin von Berlin auf. Sie verkündet vor der Presse, dass viele Opfer nur dank den Held:innen im «Krank» überlebt hätten.
«Heldin» heisst nicht zufällig der aktuelle Film von Petra Volpe, der hochgelobt wird. Er schildert die Nachtschicht einer Pflegerin. Der Titel ist Programm, die Pflegerin eine Kämpferin, die allen Mängeln des Systems trotzt, und unsere Bewunderung verdient.

In «Krank Berlin» sehen wir keine Held:innen, sondern Menschen am Anschlag, die unter Druck viele Fehler machen. Das stimmt weniger hoffnungsvoll als der Film und insgesamt ist die Serie wohl auch einiges trashiger.
Die Botschaft bleibt aber dieselbe. Das Gesundheitssystem kollabiert, wenn nicht endlich etwas passiert. Die Lösung, die die Gesundheitssenatorin in der Serie vorschlägt, scheint eher dazu angetan, das «Krank» vom Regen in die Traufe zu führen. Ob es noch schlimmer kommt, erfahren wir vielleicht in einer zweiten Staffel. Die hätte die Serie verdient.
Besetzung: Haley Louise Jones | Slavko Popadic | Safak Sengül | Aram Tafreshian | Samirah Breuer | Bernhard Schütz | Peter Lohmeyer | Berit Künnecke | Simona Theoharova | Benjamin Radjaipour
Serie entwickelt von: Samuel Jefferson | Viktor Jakovleski
Genre: Drama
D, 2025
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