Ripley
Mini-Serie, Netflix
«Ripley» ist eigentlich eine Zumutung. Über siebeneinhalb Stunden erstreckt sich die Geschichte über einen Hochstapler und Mörder. Dabei liesse sich das gut in zwei Stunden erzählen, wie der Film «The Talented Mr. Ripley» (1999) beweist. Dazu ist die Serie erst noch in hartem Schwarzweiss gedreht, was die Netzhaut strapaziert.
Aber genau, weil sich «Ripley» so viel Zeit nimmt für seine Geschichte und sie in einer fantastischen Optik erzählt, ist die Serie eine Wucht. Man muss zwar die Aufmerksamkeitsspanne neu kalibrieren, wird dafür aber reichlich belohnt.
Das beginnt bei Andrew Scott, der diesen Ripley mit einer maximaler Gefühlslosigkeit und minimaler Mimik spielt. Ihm schaut man gebannt jede Minute zu, wie er vom kleinen Gauner zum Mörder wird, der in die Identität eines reichen Amerikaners schlüpft und über Monate ein Versteckspiel treibt mit Freund:innen seines Opfers und der Polizei.
Autor und Regisseur Steven Zaillian erzählt diese Geschichte gemächlich und mit deiner Detailversessenheit, die manchmal fast masslos wirkt. Dazu kommen die gewaltigen Aufnahmen, die Kameramann Robert Elswit in der Tradition des Film noir mit Licht- und Schattenspielen auf den Bildschirm zaubert. Deshalb ist «Ripley» keine Zumutung, sondern purer Genuss.
Charité
Staffel 4, ARD
«Charité» hatte über drei Staffeln eine Erfolgsformel: ein weltbekanntes Krankenhaus, ein bisschen Medizingeschichte, fiktive Figuren für die Emotionen und ein packendes historisches Umfeld. Das hat sehr gut funktioniert.
Mit der vierten Staffel wagt die Serie den Sprung in die Science-Fiction, denn sie spielt in der Zukunft, im Jahr 2049. Damit entfällt ein Teil der Erfolgsformel, weshalb die Staffel nicht an die Vorläufer heranreicht.
Es ist zwar durchaus spannend, in welche Welt uns die vierte Staffel führt. Der Klimawandel setzt ein gefährliches Bakterium aus dem ewigen Eis frei. Die Spitzenforscherin Maral Safadi versucht, dem tödlichen Erreger Herrin zu werden und greift dazu zu radikalen Methoden. Dabei vernachlässigt sie aber ihre Familie, was zur Ehekrise mit ihrer Frau führt.
Auch mit ihrer Mutter, die als Chirurgin in der Charité arbeitet, liegt sie im Zwist, weil Maral bei einer umstrittenen Gesundheitsreform als Beraterin mitgewirkt hat. Die Reform führt zu einer Zweiklassenmedizin, die die Mutter nicht hinnehmen will.
Es gibt noch weitere Figuren und Geschichten, die ein Bild entstehen lassen, wie Medizin und Gesundheitspolitik in der Zukunft aussehen könnten. Das ist nicht schlecht gelungen. Aber weil es reine Fiktion ist, vermag die Staffel einen nicht so reinzuziehen, wie es die Vorgängerinnen getan haben.
The Regime
Mini-Serie, Sky Show
Autokraten haben wir einige in Europa: Putin, Orbán oder Erdoğan. Frauen findet man (noch) keine, aber Marine Le Pen und Georgia Meloni sind auf gutem Weg in den Zirkel der Feinde von Freiheit und Demokratie.
Da trifft «The Regime» eigentlich den Nerv der Zeit, wenn Kate Winslet als rücksichtslose, selbstverliebte und paranoide Despotin durch einen Palast irgendwo in Mitteleuropa stapft.
Weil die Serie als Satire daherkommt, hofft man darauf, über die realen politischen Entwicklungen wenigstens beim Streamingabend mal herzhaft lachen zu können. Und wird leider enttäuscht.
Die Satire funktioniert nicht, weil «The Regime» seine weibliche Hauptfigur viel zu lächerlich inszeniert. Dazu kommt ein sexistischer Unterton, der ebenfalls sehr irritiert.
Es ist nicht alles misslungen in der Serie. Ein paar nette Anspielungen auf Putins Paranoia und eigentümliche Innenausstattung sind durchaus gelungen. Wie auch die Inszenierung der Amis als unmoralische Machtpolitiker:innen.
Aber das reicht nicht, um aus «The Regime» eine gelungene Satire zu machen. Ebenso wenig wie das Können von Kate Winslet. Sie verleiht der schrecklichen Kanzlerin zwar Strahlkraft, aber sie hätte sich weigern sollen, mit schrägem Mundwinkel und leichtem Lispeln zu spielen.
Auf der Watchlist
Fallout (Staffel 1, Prime Video)
Anthracite (Mini-Serie, Netflix)
Sugar (Staffel 1, Apple TV+)
Serien-Top-Ten
1 | Ripley (Thriller, Netflix) | |
2 | Kafka (Biografie, Drama, ARD/Play SRF) | |
3 | Renegade Nell (Staffel 1, Abenteuerkomödie, Disney+) | |
4 | Constellation (Staffel 1, Sci-Fi-Mystery, Apple TV+) | |
5 | Masters of the Air (Historiendrama, Apple TV+) |
6 | The Gentlemen (Staffel 1, Actionkomödie, Netflix) | |
7 | Criminal Record (Staffel 1, Krimi, Apple TV+) | |
8 | True Detective: Night Country (Staffel 4, Mysterykrimi, Sky Show) | |
9 | Charité 4 (Staffel 4, Sci-Fi-Drama, ARD) | |
10 | Mary & George (Staffel 1, Historiendrama, Sky Show) |
Stand: 19.04.2024
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