Cien años de soledad (Staffel 1) – Ein Meisterwerk, das langweilt, bis es endlich seinem Ruf gerecht wird

📅

📝

Serienposter mit Schriftzug. Ein Mann mit Schnauz im Porträt.
3 von 5 Sternen

Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 8 Episoden à 60 Min.)

Selten fiel mir die Beurteilung einer Serie so schwer wie bei «Cien años de soledad». Die Adaption basiert auf Gabriel García Márquez’ Roman «Hundert Jahre Einsamkeit», einem Klassiker der Weltliteratur und Aushängeschild des magischen Realismus. Für dieses Werk erhielt Márquez 1982 den Literaturnobelpreis.

Vor Ehrfurcht im Sofa versinken?

Wie kann man also anders, als vor Ehrfurcht im Sofa zu versinken, wenn dieses ultimative Kunstwerk den heimischen Bildschirm verzaubert. Doch bei mir lösten die ersten paar Episoden keine Begeisterungsstürme aus. Das lag nicht etwa an der Enttäuschung, dass die Verfilmung der Genialität des Romans nicht gerecht wurde.

Ein Mann und eine Frau im Garten vor einem Haus, die Köpfe mit geschlossenen Augen aneinander gelehnt.
Mit den Stammeseltern beginnt die Geschichte der Buendías: José Arcadio (Marco Antonio González) und Úrsula Iguaran (Susana Morales) © Netflix

Ich habe das Buch nicht gelesen und reagiere grundsätzlich allergisch auf Vergleiche von Filmen/Serien mit ihren literarischen Vorlagen. Meist sind es Literaturkritiker:innen wie hier bei SRF Kultur, die dann zum Schluss kommen, das Buch sei sooo viel besser. Blödsinn, Filme und Bücher sind eigenständige Kunstformen. Jede muss für sich überzeugen.

Ein Keuschheitsgürtel und ein Geist

Genau das fehlte mir aber in der Serie und wäre wohl auch beim Buch der Fall. Über lange Zeit – jede der acht Episoden der ersten Staffel dauert rund 60 Minuten – konnte mich die Geschichte nicht überzeugen, mich für das Leben der Familie Buendía zu interessieren.

Die beginnt mit der Heirat von José Arcadio Buendía und Úrsula Iguarán. Die beiden sind Cousins. Úrsulas Mutter prophezeit ihnen deshalb, dass ihre Kinder mit Tierschwänzen geboren würden. Úrsula hängt sich aus Angst einen Keuschheitsgürtel um.

Eine Frau sitzt an einem Tisch und blickt ernst in die Kamera.
Úrsula (Marleyda Soto) ist von Beginn an die überzeugendste Figur. © Netflix

Das wird zum Problem, als José Arcadio einen Dorfbewohner tötet, der sich darüber lustig macht, dass José Arcadios Frau ihm den Sex verweigert. Juristisch hat das keine Folgen, aber der Geist des Toten verfolgt die beiden von da an.

Das Dorf im Dschungel

Um dem Spuk zu entkommen, verlassen sie ihr Dorf. Mit anderen Bewohner:innen ziehen sie los, um das Meer zu finden. Als sie nach zwei Jahren immer noch nicht am Ziel sind, gründen sie mitten im Dschungel das Dorf Macondo.

Hier werden ihre drei Kinder aufwachsen, von denen keines einen Tierschwanz hat. Hier entfaltet sich der Rest der Geschichte: José Arcadio verliert sich in der Alchemie und schliesslich im Wahnsinn, während Úrsula die Familie versorgt. Der älteste Sohn schwängert die Freundin seiner Mutter, der jüngere entdeckt seine Gabe, die Zukunft vorherzusehen.

Ein Mann an einen Baum festgebunden. Vor ihm kniet ein jüngerer Mann.
Während sein Vater (Diego Vásquez) im Wahnsinn versinkt, findet sein Sohn Aureliano (Claudio Cataño) seine Bestimmung im Freiheitskampf. © Netflix

Es passiert noch viel mehr, was ich hier nicht alles schildern kann. Aber magisch war das alles nicht, eher skurril. Was allerdings vom ersten Moment an überzeugt, ist die Inszenierung. Farben und opulente Sets überwältigen das Auge und lassen die oft zähe Handlung in den Hintergrund treten.

Zum Schluss wird es endlich interessant

Das ändert sich, als der Staat das Dorf im Urwald entdeckt und es mit dem friedlichen Miteinander in dieser utopischen Gemeinschaft vorbei ist. Mit der politischen Dimension gewinnt die Geschichte an Relevanz und Überzeugungskraft. Dadurch erhalten auch die Figuren mehr Gewicht, die zuvor – mit der Ausnahme von Úrsula – einzig dem Lustprinzip zu frönen schienen.

Eine weisshaarige Frau steht neben einem grossen Baum und blickt gegen den Himmel. Der Boden ist mit gelben Blüten übersät.
Tatsächlich ein magischer Moment, als bei einem grossen Ereignis gelbe Blüten vom Himmel herabregnen. © Netflix

Nach fünf zähen Stunden erreicht die Serie in den letzten drei Episoden endlich eine Stufe, die mich langsam zuversichtlich stimmte, dass aus der Geschichte doch noch was werden kann. Auch die magischen Momente, in denen Blumen von Himmel regnen und sich Blutspuren durchs Dorf schlängeln, wirken nun überzeugend.

Weil sich «Cien años de soledad» gegen Ende steigert, ist meine Neugier doch noch geweckt, wie es mit dem Dorf und den Buendías weitergeht. Die restlichen acht Episoden, die den Roman zu Ende erzählen, sind bereits abgedreht. Noch ist nicht klar, wann Netflix die zweite Staffel ins Programm setzt. Aber ich werde sie mir auf jeden Fall anschauen.

Wie viele Sterne gibst du «Cien Años de Soledad» (Staffel 1)?
1 Stimme

Besetzung: Diego Vásquez | Marleyda Soto | Claudio Cataño | Loren Sofía | Janer Villareal | Akima | Viña Machado | Susana Morales Cañas | Marco Antonio Gonzáles Ospina
Genre: Drama | Fantasy
COL, 2024

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung