Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 8 Episoden à 50 Min.)
«Kaos» zerstört gleich zu Beginn eine der schönsten Liebesgeschichten der griechischen Mythologie. Eurydike (Aurora Perrineau), die sich hier Riddy nennt, liebt Orpheus (Killian Scott) nicht mehr. Sie will ihn verlassen, schon lange, hat aber bislang den Mut nicht gefunden, ihm den Laufpass zu geben.
Orpheus in der Open-Air-Arena
Heute aber sei der Tag gekommen, verkündet ihr die Seherin Kassandra (Billie Piper), der sie zufällig begegnet. Und tatsächlich. Riddy verlässt Orpheus, nur etwas anders, als sie sich das vorgestellt hat. Sie wird von einem Auto überfahren.
Richtig, in dieser Version der griechischen Sagenwelt gibt es Autos, Telefone und Computer, alles auf dem technologischen Stand von Mitte der 80er-Jahre. Orpheus ist zwar immer noch ein Sänger. Er tritt aber nicht mit einer Lyra auf, sondern mit einer Rockband in einer riesigen Open-Air-Arena.
Griechische Mythologie 2.0
Auch die Götterwelt gibt sich moderner. Zeus (Jeff Goldblum) und seine Gattin Hera (Janet McTeer) geniessen das Leben in einer pompösen Villa. Poseidon (Cliff Curtis) schippert in einer Luxusjacht über sein Meeresreich. Und Hades, Gott der Unterwelt, regiert in einem Betonbau, der von Le Corbusier stammen könnte.
«Kaos» holt die griechische Mythologie in die Neuzeit. Damit lässt sich witzig spielen, wenn etwa Frühstücksflocken der Marke «Spartan Crunch» aufgetischt werden, Zeus den Anrufbeantworter seines Bruders mit Nachrichten bombardiert oder die Schicksalsgöttinnen ein Pub-Quiz veranstalten, bei dem Orpheus seine Reise in die Unterwelt gewinnt.
Für einmal ist Goldblum goldrichtig besetzt
Dass «Kaos» stark aufs Komödiantische setzt, lässt sich schon daran ablesen, dass sie den Posten des Götterbosses mit Jeff Goldblum besetzt hat. Ich habe zwar manchmal Mühe mit seinem Schauspiel, aber hier passt seine affektierte Art ziemlich perfekt.
Goldblum schafft es auch, nonchalant in eine düsterere Tonlage zu wechseln, wenn die Serie zu einer bissigen Satire über Macht wird. Weil er glaubt, seine Uhr sei geklaut worden, trommelt Zeus die Diener zusammen und knallt absolut empathielos einen nach dem andern ab wie beim Tontaubenschiessen.
Aber Zeus hat ein noch grösseres Problem. Die Prophezeiung, dass er und seine Mitgötter und -göttinen durch Menschen vom Olymp gestürzt respektive aus ihrer Villa gejagt werden. Verdient hätten sie es, denn sie ziehen die Menschen ganz schön über den Tisch, wie Riddy feststellt. Das Versprechen auf eine Wiedergeburt nach dem Tod entpuppt sich als grosse Lüge.
Ein paar spannende Götter und Göttinnen fehlen noch
«Kaos» vereint Drama, Satire. Komödie und Tragödie nicht immer ganz stimmig, aber sehr unterhaltsam. So wie es scheint, will Netflix noch mindestens eine weitere Staffel aus der neuzeitlichen Auflage der griechischen Mythologie rausholen.
Stoff genug gäbe es. In der ersten Staffeln kommen zwar Unmengen von Figuren vor (eine Übersicht gibt’s hier), doch geizt die Serie etwas mit Göttern. Von Zeus‘ zehn Kindern tauchen nur gerade zwei auf: mit Persephone und Dionysos nicht gerade die spannendsten Figuren. Ich würde gerne noch Ares, Hephaistos, Artemis, Apollo oder Athene sehen.
Besetzung: Jeff Goldblum | Janet McTeer | Stephen Dillane | Aurora Perrineau | Nabhaan Rizwan | Killian Scott | Misia Butler | David Thewlis | Cliff Curtis | Leila Farzad | Stanley Townsend | Debi Mazar | Billie Piper | Mat Fraser
Serie entwickelt von: Charlie Covell
Genre: Komödie | Fantasy | Drama
GB, 2024
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