Say Nothing (Mini-Serie) – Verstörender Einblick in die mörderische Geschichte der IRA

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Serienposter mit Schriftzug. Eine rothaarige Frau mit vermummtem Gesicht hält den Zeigefinger vor den Mund.
4 von 5 Sternen

Läuft bei: Disney+ (Mini-Serie, 9 Episoden à 45 Min.)

Die Geschichte der Schwestern Dolours Price (Lola Petticrew) und Marian Price (Hazel Doupe) beginnt friedlich. In den frühen 1970er-Jahren marschieren sie bei einem gewaltfreien Protest mit, der die britische Präsenz in Nordirland anprangert. Die Katholik:innen, die sich für die Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland einsetzen, sehen die britischen Truppen als Besatzer.

Zwei junge Frauen im Porträt.
Dolours Price (Lola Petticrew) und Marian Price (Hazel Doupe) wollen anfänglich nicht ihren Eltern nacheifern, sondern friedlich protestieren. © FX/Disney+
Hass und Wut beenden friedlichen Protest

Der Protestmarsch wird von Protestanten angegriffen, die die friedlichen Katholik:innen mit Steinen bewerfen und brutal verprügeln. Der Hass und die Wut, die Dolours und Marian hier entgegenschlagen, verändern ihre Haltung zum Kampf um die nordirische Unabhängigkeit grundlegend.

Sie werden Mitglieder der IRA, die sich als Befreiungsarmee versteht und mit Gewalt gegen die britischen Truppen und die protestantischen Unionisten vorgeht. Allerdings wollen Dolours und Marian nicht nur wie für Frauen üblich Tee kochen für die Kämpfer, sondern selber Banken ausrauben und Bomben legen.

Nur zögernd stimmt der Oberkommandierende zu. Das ist in der Serie Gerry Adams. Adams ist bekannt als langjähriger Führer der Sinn Féin, der politischen Partei, die die Anliegen der katholischen Nordir:innen vertritt. Er bestreitet bis heute, je Mitglied der IRA gewesen zu sein. Das wird auch im Abspann von «Say Nothing» nach jeder Episode festgehalten.

Zwei Frauen mit langen weissen Perücken und Waffen in den Händen.
Die erste grosse Bewährungsprobe für die neuen IRA-Kämpferinnen. Sie befreien ein verletztes IRA-Mitglied aus dem Krankenhaus. © FX/Disney+
Die historischen Hintergründe

Nicht alles, was wir in «Say Nothing» über die Geschichte des Nordirlandkonflikts, den sogenannten «The Troubles», zu sehen bekommen, sind also unbestrittene Fakten. Die Serie basiert auf dem Buch «Say Nothing: A True Story of Murder and Memory in Northern Ireland» des US-amerikanischen Autors und Journalisten Patrick Radden Keefe.

Keefe stützt sich auf eigene Recherchen und auf öffentlich zugängliche Informationen des «Belfast Project». Das war ein Projekt, bei dem zwischen 2000 und 2006 über 40 Personen über ihre Verwicklungen in die Gewalttaten des Nordirlandkonflikts Auskunft gaben. Die Interviews sollten bis nach dem Tod der Teilnehmer:innen unter Verschluss bleiben.

Dolours Price liess sich im Rahmen des Projekts befragen, ebenso wie Brendan Hughes, in jungen Jahren ein enger Vertrauter von Gerry Adams und Anführer einer berüchtigten Brigade der IRA. Er spielt auch eine grosse Rolle in «Say Nothing», wo gezeigt wird, wie er und Dolours sich in den Interviews an ihre Taten zurückerinnern.

Ein Mann mit Schnauz und einer Zigarette in der Hand.
Die beiden Schwestern arbeiten eng mit Brendan Hughes (Anthony Boyle) zusammen, der eine IRA-Brigade in Belfast kommandiert. © FX/Disney+
Keine Reue, nur ein wenig Zweifel

Beide reflektieren zwar ihre Taten. Hughes war massgeblich am Bombenanschlag am «Bloody Friday» beteiligt, bei dem neun Menschen starben. Dolours Price führte den ersten Bombenanschlag der IRA in London durch, bei dem 200 Menschen verletzt wurden. Reue zeigen sie jedoch kaum – bestenfalls blitzt hin und wieder ein Anflug von Zweifel auf.

Dahinter steht der normale Fanatismus, der das Leben von Brendan, Dolours, Marian und vielleicht auch Gerry Adams geprägt hat. «Say Nothing» zeigt das detailliert anhand von Dolours und Marian. Ihr kurzer Abstecher zu Beginn in den friedlichen Protest war offenbar nur ein kurzer Irrweg. Denn die Familie ist eng verbunden mit der IRA.

Gefolterte Häftlinge in britischen Gefängnissen

Vater Albert (Stuart Graham) ist ein langjähriges und überzeugtes Mitglied der IRA. Er sass deswegen auch im Gefängnis. Mutter Chrissie (Kerri Quinn) gehört der IRA-Frauenbewegung «Cumann na mBan» an. Beide sind stolz auf ihre Töchter, als sie den Bombenanschlag in London verüben, und damit ihre Hingabe für den Kampf beweisen.

Zwei junge Frauen in Handschellen umringt von einer Menschenmenge.
Nach dem Bombenanschlag in London werden Dolours und Marian verhaftet und verurteilt. Im Gefängnis werden sie misshandelt und gefoltert, als sie in den Hungerstreik treten. © FX/Disney+

Diese Episode zeigt eindrucksvoll, wie der Hass auf die Briten in Nordirland verwurzelt ist. Gleichzeitig enthüllt die Serie die brutalen Massnahmen der britischen Justiz, die mit der Zwangsernährung von hungerstreikenden Häftlingen Grenzen überschritt – ein Akt, der als Folter bezeichnet werden kann.

Das düstere Kapitel der «Verschwundenen»

«Say Nothing» behandelt auch das düstere Thema der «Verschwundenen». 15 Männer und eine Frau wurden von der IRA des Verrats beschuldigt und getötet. Ihre Leichen wurden an geheimen Orten vergraben.

Im Zentrum steht das Schicksal von Jean McConville. Die Witwe lebte mit ihren zehn Kindern in Belfast. 1972 wurde sie von der IRA entführt und wegen Verrats ermordet. Ihre Leiche wurde 2003 an einem Strand in Irland gefunden.

Ein hagerer junger Mann mit Bart und Brille.
In der Serie ist Gerry Adams (Josh Finan) der führende Kopf der IRA zu Beginn der 1970er-Jahre. Der echte Gerry Adams bestreitet bis heute, Mitglied der IRA gewesen zu sein. © FX/Disney+

Dolours war auch in diese Morde involviert. Sie war eine der Fahrer:innen, die die Opfer aus Nordirland über die Grenze in den Süden brachten und dort den Mordkommandos übergaben.

Zu viel Verständnis für den Fanatismus

«Say Nothing» erzählt diese Geschichten packend und gibt einen eindringlichen Einblick in die Hintergründe des Nordirlandkonflikts aus Sicht der katholischen Republikaner:innen. Mit jeder Episode werden die Ereignisse dramatischer und das Verhalten der Figuren zweifelhafter.

Aber genau da liegt eine Schwäche der Serie. Sie akzeptiert, dass der Fanatismus Alltag war. Zu wenig kommt zur Geltung, dass Bombenterror und Mord nicht zu rechtfertigen sind und unendliches Leid verursachen.

Zwei Frauen und ein Mann in einem Pub.
Dolours (Maxine Peake) und Marian (Helen Benham) in den 1990er-Jahren. Sie sind entsetzt über den Waffenstillstand, den Gerry Adams ausgehandelt hat. © FX/Disney+

Einzig die Kinder der ermordeten Jean McConville lassen einen diese schrecklichen Folgen der «Troubles» nachfühlen. Diese Tragödien hätten mehr Gewicht verdient im Vergleich zu den Erzählungen der Täter:innen.

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Besetzung: Lola Petticrew | Maxine Peake | Hazel Doupe | Helen Behan | Anthony Boyle | Tom Vaughan-Lawlor | Josh Finan | Michael Colgan | Kerri Quinn | Stuart Graham | Rory Kinnear | Damien Molony
Serie entwickelt von: Joshua Zetumer
Genre: Historie | Drama
IRL/USA, 2024

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