Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 8 Episoden à 30 Min.)
Achtsamkeit ist so ein Trend, mit dem ich nicht viel anfangen kann. Vieles, was da als grosse Weisheit gefeiert wird, ist so platt wie eine Yogamatte (habe ich irgendwo gelesen, gebe ich zu). Aber vielleicht muss ich meine Meinung überdenken.
Denn so erfolgreich wie der Anwalt Björn Diemel (Tom Schilling) dank Achtsamkeitstherapie gnadenlos Gegner aus dem Weg räumt, um seine Work-Life-Balance zu verbessern, muss vielleicht doch was dran sein an diesem tief Ein- und Ausatmendings.
Björn muss dringend sein Leben verändern
Dass Björn sein Leben auf eine neue Basis stellen muss, wird zu Beginn schnell klar. Sein Job frisst seine Freizeit und die Wochenenden weg. Er kostet extrem Nerven, denn Björn betreut für seine Anwaltskanzlei den lukrativen, aber paranoiden Kundenstamm der Mafiosi.
Seine Bosse kassieren zwar gerne die fetten Honorare, die Björn ihnen einbringt. Sonst halten sie aber Distanz. Geld stinkt nicht, aber Björn und seine Klienten irgendwie halt schon. Zu den Cüpliapéros wird er deshalb nie eingeladen, wie die Empfangsdame der Kanzlei jedes Mal genüsslich anmerkt.
Zu Hause läuft es auch nicht besser. Die Ehe kriselt, weil er seine Frau Katharina (Emily Cox, u.a. Brida in «The Last Kingdom») und seine Tochter Emily (Pamuk Pilavci) vernachlässigt. Da alles den Bach runterzugehen droht, lässt sich Björn von seiner Frau zu einer Achtsamkeitstherapie überreden.
Achtsamkeitsübungen zum Mitmachen
Björn überwindet seine anfängliche Skepsis, denn sein Achtsamkeitscoach Joschka Breitner (Peter Jordan) macht seine Sache sehr gut. Selbst vor dem Fernseher ist man versucht, Breitners Übungen mitzumachen.
Peter Jordan als Breitner ist umwerfend. Er verkauft seine Achtsamkeitstherapie tiefenentspannt und völlig überzeugend. Dabei wird man das Gefühl nicht los, dass er innerlich leise schmunzelt, wenn er Weisheiten von sich gibt wie: «Wenn Sie erkennen, dass Sie nichts tun müssen, was Sie nicht wollen, dann sind Sie frei.»
Papizeit ist mordslustig
Als erste Massnahme, die Björn aus Breitners Anleitungen umsetzt, schafft er Zeitinseln für seine Tochter. Doch gleich beim ersten Wochenende, das er mit ihr verbringen will, funkt ihm sein wichtigster Klient dazwischen.
Der Clanboss Dragan Sergowicz ( Sascha Alexander Gersak) muss untertauchen, weil die Polizei ihn wegen eines Mordes sucht. Björn muss Dragan aus der Stadt schmuggeln.
Er packt ihn in den Kofferraum seines Autos und fährt wie geplant mit seiner Tochter an den See. Doch anstatt Dragan rauszulassen, lässt er ihn im Kofferraum schmoren. Denn Björn beherzigt, was er von Breitner gelernt hat: Die Zeitinsel mit Emily gilt es um jeden Preis zu verteidigen.
Björn wie Dexter und Walter White, nur entspannter
Der Preis ist eine Leiche im Kofferraum. Dragan hat die zwei Tage im aufgeheizten Kofferraum nicht überlebt. Nachdem Björn Emily bei ihrer Mutter abgeliefert hat, fährt er in die Villa am See zurück und entsorgt Dragan in bester Dexter-Manier.
Von jetzt an hat er Dragans zweite Garde am Hals und die Polizei, die alle wissen wollen, wo der Mafiaboss steckt. Aber Björn jongliert all die Herausforderungen dank Achtsamkeit völlig entspannt und souverän. Meistens zumindest.
Björn erinnert nicht nur an den Serienmörder Dexter, sondern auch an Walter White aus «Breaking Bad». Der freundliche Familienvater, der zum skrupellosen Gangster wird. Aber während Walter wirklich auf die dunkle Seite wechselt, behilft sich Björn seiner neuen Lebensphilosophie, um die moralischen Bedenken wegzuatmen.
Es wird kaum das letzte Mal gewesen sein, dass wir Björn bei seinen Achtsamkeitsübungen in schwierigem Umfeld erleben dürfen. Die Serie basiert auf den Bestsellern von Karsten Dusse und die Buchreihe umfasst bis jetzt fünf Romane.
Meine Bekehrung zur Achtsamkeit hat nicht geklappt
«Achtsam morden» hat es zudem auf Anhieb auf den ersten Platz geschafft in den Netflix-Top-Ten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Da dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis Netflix die nächste Staffel in Auftrag gibt.
Bis es so weit ist, werde ich eines sicher nicht tun: Achtsamkeit trainieren. So witzig das in der Serie ist, im realen Leben sehe ich wenig Sinn darin, Körper und Geist auf eine lebensfeindliche Umgebung einzustellen, um darin gut zu performen.
Da bevorzuge ich es daran zu arbeiten, dass das Umfeld menschenfreundlicher wird. Politisch tätig zu sein, scheint mir nachhaltiger und breitenwirksamer als eine egozentrische Selbstoptimierung.
Besetzung: Tom Schilling | Emily Cox | Britta Hammelstein | Murathan Muslu | Peter Jordan | Pamuk Pilavci | Johannes Allmayer | Sascha Geršak | Marc Hosemann | Luca Maric
Genre: Komödie | Krimi
D, 2024
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