

Prime Video (3 Staffeln, 30 Episoden à 45 Min.)
«The sun is setting on the epic saga» lautet das Motto der dritten Staffel von «Bosch: Legacy». Wäre dies wirklich der letzte Auftritt von Harry Bosch (Titus Welliver), wäre das Ende enttäuschend.
Harry schlendert auf dem breiten Gehweg vor dem Rathaus von Los Angeles, während die Kamera nach oben schwebt und auf das Gebäude schwenkt. Ein wenig wie der Cowboy, der in den Sonnenuntergang reitet. Doch das wäre ein zu banaler Abschied.
Der Anfang einer wundervollen Freundschaft
Zum Glück ist es nicht vorbei. Die Sonne wird wieder aufgehen für Harry, aber vor allem für eine neue Figur: Renée Ballard (Maggie Q). Die LAPD-Detektivin steht im Mittelpunkt des zweiten Spin-offs der Bosch-Saga. Harry wird sie unterstützen, wenn sie diesen Sommer ihr Debüt gibt.

Wir lernen Ballard bereits jetzt kennen. In der letzten Episode lösen Bosch und Ballard gemeinsam den Fall eines Serienkillers, der nach Jahren wieder auftaucht.
In Sachen Staffeldramaturgie ist diese Episode ein Anhängsel, das eben nur der Einführung von Ballard dient. Das sei verziehen, denn zuvor gibt es reichlich spannende Geschichten.
Das Serienleben von Hieronymus «Harry» Bosch
Bosch hat bereits eine lange Serienvergangenheit. Von 2014 bis 2021 produzierte Amazon sieben Staffeln mit Bosch als LAPD-Cop in der Mordkommission der Hollywood Division.
In jeder Staffel steht ein Fall im Vordergrund. Parallel dazu werden Bruchstücke aus Boschs Leben aufgedeckt: Vietnamveteran, geschiedener Vater, Sohn einer ermordeten Prostituierten u.a.m.
Seine Vergangenheit erklärt, weshalb er von gewissen Aspekten seiner Arbeit regelrecht besessen ist und sich nicht immer an die Regeln hält. Das führt am Ende der siebten Staffel dazu, dass Harry Bosch den Dienst quittiert.
Ein Jahr nach dem Ende von «Bosch» führte Amazon die Serie weiter unter dem Titel «Bosch: Legacy». Neben Bosch, der jetzt als Privatdetektiv arbeitet, stehen seine Tochter Maddie im Zentrum, die sich zum Cop ausbilden lässt, und die Anwältin Honey Chandler.
Beide Serien basieren auf den Harry-Bosch-Romanen von Michael Connelly, der auch als Produzent und Drehbuchautor mitwirkt.
Connelly ist auch der Autor der «Ballard»-Reihe. Ursprünglich habe er nur ein Buch über Renée Ballard schreiben wollen, sagt Connelly. Die Figur sei aber so spannend gewesen, dass er ihr Raum geben wollte in der Welt von Harry Bosch (und dessen Halbbruder Mickey Haller, ebenfalls eine Serienfigur, allerdings bei Netflix).
Mittlerweile sind sechs Bände mit Ballard als Protagonistin erschienen. Im ersten Band arbeitet sie noch alleine. In den Folgebänden taucht Harry Bosch regelmässig auf.
Alle Staffeln von «Bosch» und «Bosch: Legacy» sind online bei Prime Video.
Der Staatsanwalt nimmt Bosch ins Visier
Da ist vorab die ungeklärte Frage, mit der die letzte Staffel endete: Welche Rolle spielte Bosch beim Tod von Kurt Dockweiler? Dockweiler, der Harrys Tochter Maddie (Madison Lintz) entführt hatte, wurde im Gefängnis ermordet. Maddie nahm einen Anruf aus dem Gefängnis von einem Insassen entgegen, der Bosch ausrichten liess, «die Sache» sei erledigt.

Der Staatsanwalt setzt die Beamten Jimmy Robertson (Paul Calderon) und Perry Lopez (Miles Gaston Villanueva) auf Bosch an. Nicht ohne Hintergedanken, denn er befindet sich im Wahlkampf. Seine Gegnerin ist Honey Chandler (Mimi Rogers). Es käme ihm sehr gelegen, wenn Chandlers Freund Harry Bosch in den Mord verwickelt wäre.
Robertson und Lopez finden ein Video, in dem Bosch im Polizeirevier auf Dockweiler losgeht und ihm mit einem Kugelschreiber die Augen auszustechen droht. Zudem hatte Bosch Kontakt zu einem anderen Gefängnisinsassen. Die beiden Beamten vermuten, dass Bosch über ihn den Mord in Auftrag gab.

Einer neuer Fall lenkt Bosch von seinen Problemen ab
Es sieht schlecht aus für Bosch. Auch Maddie zweifelt an seinen Beteuerungen, er habe nichts mit Dockweilers Tod zu tun. Die Stimmung zwischen Vater und Tochter ist angespannt.

Bosch ist daher nicht unglücklich, als er einen Auftrag erhält, der ihn davon ablenkt. Eine Familie ist nach einem Ausflug verschwunden. Ihr Auto wurde an der mexikanischen Grenze gefunden. Geschäftliche Probleme des Vaters lassen vermuten, er sei mit seiner Familie in Mexiko untergetaucht. Aber für Bosch ist bald klar, dass das Verschwinden einen viel dramatischeren Grund hat.
Auch Maddie und ihre Partnerin Reina Vasquez (Denise G. Sanchez) sind an einem Fall dran. Sie jagen ein Trio, das in Restaurants nach Opfern sucht, die es dann nach Hause verfolgt und ausraubt. Als sie der Lösung des Falls näher kommen, wird es persönlich für Vasquez, was letztlich auch ihre Beziehung zu ihrer Partnerin belastet.
Bosch am Rande der Selbstjustiz
Die Serie jongliert die verschiedenen Handlungsstränge erneut perfekt und sorgt mit einer überraschenden Wendung mitten in der Staffel für Hochspannung. Wie immer wird Boschs zweifelhaftes Verständnis von Gerechtigkeit irgendwann auf die Probe gestellt. In der entscheidenden Szene bleibt bis zur letzten Sekunde unklar, ob er das Recht selbst in die Hand nimmt.

Diese Art, Figuren mehrdeutig zu zeichnen, ist der grosse Unterschied zu einem anderen Krimiautor, von dem viel auf Netflix zu sehen ist: Harlan Coben. Seine Thriller sind ebenfalls sehr ausgefeilt, aber bevölkert von seelenlosen Hüllen, die darin agieren.
Michael Connolly präsentiert uns dagegen Menschen aus Fleisch und Blut. Einiges an ihnen ist oft sehr amerikanisch. Aber sie ziehen einen in ihre Geschichten hinein und man kommt nicht von ihnen los. Von daher keine Frage: Ich sitze auch beim nächsten Bosch-Spin-off gespannt vor dem Fernseher.
Besetzung: Titus Welliver | Madison Lintz | Mimi Rogers | Stephen A. Chang | Denise G. Sanchez | Scott Klace | Paul Calderon | David Denman | Miles Gaston Villanueva | Jessica Camacho | Orla Brady | Maggie Q
Serie entwickelt von: Tom Bernardo | Michael Connelly | Eric Ellis Overmyer
Genre: Krimi
USA, 2025
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