

Sky Show (1 Staffel, 6 Episoden à 45 Min.)
«Leute, die ich gerne umbringen würde.» Mit diesem Satz stellt sich Rhiannon Lewis (Ella Purnell, «Fallout») vor. Dann beginnt sie aufzuzählen: Manspreader im Bus, die unfreundliche Donna vom Mini-Market, ihren Chef Norman (Jeremy Swift, «Ted Lasso»), der sie nur als Kleiderständer sieht, Craig (Jon Pointing), der nach dem Sex ihre SMS ignoriert. Die Liste geht weiter.
Die unsichtbare Frau
Der Grund für Rhiannons Mordgelüste: Alle ignorieren sie. Ausser ihr Vater, der stirbt allerdings gleich zu Beginn. Da sie auch ihrer Schwester ziemlich egal ist, ist Rhiannon jetzt völlig allein.
Dass Rhiannon für ihre Umgebung Luft ist, liegt an ihr. Sie macht sich selber unsichtbar, weil ihr Selbstwertgefühl gleich null ist. Das verdankt sie Julia Blenkingsopp (Nicôle Lecky). Jahrelang wurde sie von ihr in der Schule gemobbt, gedemütigt, erniedrigt. Deshalb steht Julia ganz oben auf Rhiannons Liste der Leute, die sie gerne umbringen würde.

Morden fühlt sich gut an
Nur, wer glaubt schon, dass diese zierliche junge Frau das Zeug zur Massenmörderin hat? Am wenigstens Rhiannon selber. Bis sie eines Abends auf dem Heimweg vom Pub einen Mann mit 14 Messerstichen tötet.
Der Typ war ein widerlicher Bully. Niemand wird ihm eine Träne nachweinen. Rhiannon hat ihn im Pub beobachtet und zum ersten Mal ihre Wut nicht in sich hineingefressen, sondern ihr freien Lauf gelassen. Und sie fühlt sich gut, nachdem sie ihn abgestochen hat. Sie fühlt sich gesehen.

Rhiannon findet bald darauf ein zweites Opfer. Wobei Opfer das falsche Wort ist. Auch dieser Typ hat sein Schicksal verdient. Die Zeit ist gekommen, sich an der Person zu rächen, die an allem Elend in Rhiannons Leben Schuld ist: Julia Blenkingsopp.
Die verpasste Chance
«Sweetpea» könnte ein witziger Psychothriller sein über eine Frau, die aus dem Käfig ausbricht, in den sie ihre Umgebung gesteckt hat, und sich grausam an denen rächt, die ihr Leben zerstört haben. Eine Frau, die erkennt, dass sie in Wahrheit nicht scheu und unsicher ist, sondern eine gewalttätige Psychopathin.
Genau davor schreckt die Serie zurück. Rhiannon plant ihre Morde nicht, sie geschehen mehr zufällig. Nach einem kurzen Hochgefühl fällt sie zurück in ihre Rolle als Mauerblümchen, das sich nichts sehnlicher wünscht, als gesehen zu werden, dazuzugehören.
Dass Rhiannon nach dem ersten Mord schockiert ist über ihre Tat, kann man noch gelten lassen. Danach wirkt es immer unglaubwürdiger. Vor allem ist es eine verpasste Chance. Ihre Figur wäre stärker und packender als eine weibliche Dr. Jekyll, die ihren inneren Mr. Hyde immer mehr umarmt.

Fortsetzung folgt vielleicht, aber ohne mich
So bleibt man nur dabei, weil man sehen will, ob und wie Rhiannon dem Netz entkommen kann, das sich immer enger um sie zuzieht. Allerdings leidet die Polizistin Marina (Leah Harvey), die Rhiannon als Hauptverdächtige sieht, unter demselben Phänomen wie Rhiannon. Ihre Vorgesetzte und ihre Kollegen ignorieren sie und ihre Hinweise auf die wahre Täterin. Trotzdem lässt sie nicht locker.
«Sweetpea» basiert auf einer fünfteiligen Romanreihe der englischen Autorin CJ Skuse. Darin ist Rhiannon, wie ich nachgelesen habe, eine kompromisslose Rächerin. Warum die Serie ihre Hauptfigur weichspült, bleibt unklar und bedauerlich. Trotz dramatischem Cliffhanger bin ich in der zweiten Staffel, falls die kommt, wohl nicht mehr dabei.
Besetzung: Ella Purnell | Calam Lynch | Jon Pointing | Nicôle Lecky | Jeremy Swift | Leah Harvey | Dustin Demri-Burns | Nitin Ganatra
Serie entwickelt von: Kirstie Swain
Genre: Komödie | Drama | Thriller
GB, 2024
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