

Netflix (Mini-Serie, 6 Episoden à 60 Min.)
Luchino Visconti, Alain Delon, Claudia Cardinale, Burt Lancaster – wer bei diesen Namen nicht vor Ehrfurcht in die Knie geht, hat wenig Ahnung von Filmgeschichte. Andererseits ist es halt wirklich verdammt lang her, seit Viscontis «Il Gattopardo» mit den drei Stars 1963 ins Kino kam.
Nur eine kleine Minderheit des Streamingpublikums war damals überhaupt schon auf der Welt und wohl kaum jemand alt genug fürs Kino. Da ist es legitim, die Geschichte des sizilianischen Fürsten Don Fabrizio und seiner Familie in der bewegten Zeit des «Risorgimento» neu zu erzählen.
Italienisches Flair für Kostümdramen
Kommt dazu, dass die italienischen Netflix-Produktionen ein Faible für historische Stoffe haben. Sowohl «Briganti» (2024) als auch «La legge di Lidia Poët» (2023) spielen ebenfalls im ausgehenden 19. Jahrhundert. Ein Markenzeichen dieser Serien, das sich in «Il Gattopardo» wiederfindet: Sie schwelgen in zeitgenössischen Kostümen und Schauplätzen.

Das ist der grösste Pluspunkt der Serie. «Il Gattopardo» ist ein Fest fürs Auge. Der Adel trägt schon zum Frühstück festliche Kleidung. Die Palazzi sind imposant, die Interieurs üppig ausgestattet. Die Landschaftsaufnahmen vermitteln die drückende Hitze.
Emotional kaum packend
Aber damit hat es sich schon ziemlich. Weder der grosse gesellschaftliche Wandel, der sich anbahnt, noch die Liebesgeschichten packen einen wirklich. Dabei böten beide Erzählstränge Stoff für emotionales Drama.
Don Fabrizio (Kim Rossi Stuart), genannt «Il Gattopardo» nach dem Familienwappen, ist nicht begeistert, als Giuseppe Garibaldi im Mai 1860 mit seinen Rothemden auf Sizilien landet, um die Insel zu erobern. Der Prinz von Salina hat unter der Bourbonen-Herrschaft gut gelebt.

Der hitzköpfige Neffe und die schwer verliebte Tochter
Ein Anschluss an das geeinte Italien, den Garibaldi anstrebt, würde für ihn den Verlust seiner Macht und seines Ansehens bedeuten. Anders sieht das sein Neffe Tancredi (Saul Nanni). Er ist Feuer und Flamme für Garibaldis Ideen und schliesst sich den Invasoren an.
Das missfällt nicht nur Don Fabrizio, dem Tancredi mehr bedeutet als sein eigener Sohn und Erbfolger, sondern auch Concetta (Benedetta Porcaroli). Don Fabrizios Tochter hat sich in ihren Cousin verliebt und fürchtet um sein Leben.

Die Liebesgeschichte endet abrupt, als die Familie Sedara auftaucht. Die Sedaras stammen aus armen Verhältnissen. Papa Calogero (Francesco Colella) hat es zum Bürgermeister der Kleinstadt Donnafugate geschafft, in der Don Fabrizio mit seiner Familie die Sommerfrische geniesst.
Der Aufstieg der skrupellosen Opportunisten
Calogero ist zudem ein gewiefter Geschäftsmann, der keine Gelegenheit verpasst, sich auf Kosten anderer zu bereichern. Damit hat er es zu einem beachtlichen Vermögen gebracht. Was ihm noch fehlt, ist die Allianz mit einer angesehenen Familie.
Dafür ist seine Tochter Angelica (Deva Cassel, die Tochter von Vincent Cassel und Monica Bellucci) besorgt. Sie verdreht Tancredi den Kopf, heiratet ihn und stürzt Concetta ins Elend. So sehr, dass sie ins Kloster geht.

Diese beiden Geschichten reissen einen einfach nicht mit. Der Aufstieg des skrupellosen Calogero, stellvertretend für das Bürgertum, das den Adel entmachten wird, schleppt sich dahin, ohne wirklich bedrohlich zu wirken. Und die Liebesgeschichte zwischen Concetta und Tancredi erscheint mehr als Geplänkel denn als existenzielles Drama.
Zu zahme Kritik an der untergehenden Aristokratie?
Vor allem aber fällt es schwer, mit dem «Gattopardo» mitzufühlen. Er soll den Zerfall einer Dynastie und einer Ära symbolisieren, an deren Niedergang er mitschuldig ist. Doch seine Figur wirkt so aus der Zeit gefallen, dass man das zwar intellektuell nachvollziehen kann, aber emotional unberührt bleibt.

Vielleicht liegt es auch an der Vorlage. Der Roman von Giuseppe Tomasi di Lampedusa gilt als eines der grössten Werke der italienischen Literatur, wurde aber kritisiert, weil der Autor, selbst Adliger, zu zurückhaltend mit seiner Kritik am aristokratischen System war.
Auch wenn «Il Gattopardo» mehr visuell, denn inhaltlich überzeugt, die Serie ist sicher nicht langweilig. Und mit rund sechs Stunden Laufzeit ist sie nur etwa doppelt so lang wie Viscontis «Gattopardo», dessen epische Umsetzung damals sehr gewagt war.
Besetzung: Kim Rossi Stuart | Benedetta Porcaroli | Saul Nanni | Astrid Meloni | Deva Cassel | Francesco Colella | Paolo Calabresi | Greta Esposito | Dalila Ricotta
Serie entwickelt von: Richard Warlow
Genre: Historie | Drama
ITA/GB, 2025
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