Läuft bei: Prime Video (Mini-Serie, 10 Episoden à 45 Min.)
Die Welt der Rockmusik in den 1970er-Jahren mit viel Glamour und noch mehr Drogen, als harte Riffs von Gitarren in der Musik den Ton angaben. Die Bands schwitzten auf der Bühne wie Schwerstarbeiter:innen und die Charts waren ein Gradmesser für Können und Erfolg. Nostalgie pur (für meine Generation).
Songs, die es kaum in die Top Ten geschafft hätten
Vieles davon ist in «Daisy Jones & The Six» zu sehen und bringt das Lebensgefühl – den Groove 😉– der Musikwelt in den 70ern gut rüber. Aber es ist eine Geschichte, wie sie schon oft zu sehen war: der kometenhafte Aufstieg von Musiker:innen und ihr tiefer Fall.
Bedauerlich vor allem, dass der Soundtrack nicht wirklich mitreisst. Ich behaupte, damit hätte es eine Band damals nicht in die Top Ten geschafft.
Auch die Originalsongs aus der Zeit, die die Serie verwendet, werden lieblos in 15-Sekunden-Schnipseln ziemlich beliebig eingestreut. Das alles schmälert das musikalische Vergnügen, das ebenso zentral sein müsste wie die Story.
Das grosse Drama beginnt im Kleinen
Was «Daisy Jones & The Six» dafür bietet, ist grosses Drama. Es beginnt zwar alles im Kleinen. Zwei Brüder, Billy (Sam Claflin) und Graham Dunne (Will Harrison) gründen in Pittsburgh eine Band, um den Stahlhütten der Stadt zu entgehen. Sie spielen auf Hochzeiten, Schulfesten und in Bars, bis sie den Sprung nach Kalifornien wagen.
In Los Angeles lebt Daisy Jones (Riley Keough), die von einer Karriere als Singer/Songwriter träumt. Sie heisst eigentlich Margaret. Weil sie aber ihre Eltern, insbesondere ihre Mutter, hasst, legt sie sich einen neuen Namen zu.
Rückblick in dokumentarischen Interviews
Die Wege von Daisy und der Band aus Pittsburgh werden sich kreuzen. Als «Daisy Jones & The Six» werden sie mit ihrem Album «Aurora»zu Superstars, die 1977 auf dem Höhepunkt des Erfolgs in Chicago vor 50’000 Fans spielen. Es wird ihr letztes Konzert.
Vom Ende erfahren wir gleich am Anfang. Die Geschichte ist als dokumentarischer Rückblick aufgebaut. 20 Jahre später erzählen Daisy und die Mitglieder der Band «The Six» in separaten Interviews, wie die Band aufstieg und über Nacht auseinanderbrach.
Für den Erfolg sind zwei Faktoren verantwortlich. Zum einen der Produzent Teddy Price (Tom Wright), der Daisy mit der Band zusammenbringt. Zum andern die Chemie zwischen Daisy und Billy, die sich gegenseitig zu musikalischen Höchstleistungen antreiben.
Die Funken sprühen zwischen Daisy und Billy
Das verläuft zu Beginn alles andere als harmonisch. Billy hat einen Song geschrieben, den die Plattenfirma nicht will. Teddy gibt ihn Daisy, um ihn zu einem Duett umzuschreiben. Als Daisy mit ihrer Version im Studio auftaucht, wird Billy fuchsteufelswild. Aber der Song «Look at Us Now (Honeycomb)» wird zum Hit (und ist auch der beste Song, den wir von der Band zu hören bekommen).
Der Song wird zum Erfolg, weil zwischen Daisy und Billy nicht nur musikalisch die Funken sprühen. Aber diese Beziehung, die durch die beiden Fleetwood Mac-Stars Stevie Nicks und Lindsey Buckingham inspiriert sein soll, ist nicht nur kompliziert, sondern zerstörerisch.
Da begegnen sich zwei, die zusammen viel mehr sind, als nur zwei Hälften. Es sind aber auch zwei kaputte Figuren aus einem gestörten Elternhaus, selbstsüchtig und mit massiven Drogenproblemen.
Die Band spielt nicht nur zweite Geige
Wobei Billy seine Sucht bekämpft. Er hat einen Entzug hinter sich, als Daisy zur Band stösst. Dann ist da noch das Problem, dass Billy mit Camila (Camila Morrone) verheiratet ist und eine kleine Tochter hat.
Nicht nur diese Dreiecksbeziehung von Daisy, Billy und Camila liefert intensives Drama. Graham und Keyboarderin Karen (Suki Waterhouse) sind heimlich ein Paar, das sich einer schwierigen Entscheidung stellen muss. Bassist Eddie (Josh Whitehouse) ist in Camila verliebt und fühlt sich nicht nur deshalb dauernd in die zweite Reihe verbannt.
Einzig Schlagzeuger Warren (Sebstian Chacon) scheint die ganze Zeit zufrieden. Er erinnert an Ringo Starr, der selbst im grössten Beatles-Trubel unbekümmert seine Beats trommelte, wie vor kurzem im Dokumentarfilm «The Beatles: Get Back» zu sehen war. Dass Warren am Schluss eine Schauspielerin heiratet, ist ein weiterer Wink in diese Richtung.
Der Kniff am Schluss, den man lieben oder hassen wird
Obwohl wie gesagt der Handlungsbogen vertraut ist und etwas zu breit ausgewalzt wird, schafft es «Daisy Jones & The Six», dass man für die Figuren Empathie entwickelt.
Dann ist da noch dieser Kniff in der letzten Episode, der wahrscheinlich nicht bei jedem:r gleich wirkt. Entweder wischt man ihn als billiges Pathos beiseite oder man wird zu Tränen gerührt sein. Emotionen weckt dieser Storytwist auf jeden Fall.
Besetzung: Riley Keough | Sam Claflin | Camila Morrone | Suki Waterhouse | Will Harrison | Josh Whitehouse | Sebastian Chagon | Nabiyah Be | Tom Wright | Timothy Olyphant | Gavin Drea
Serie entwickelt von: Scott Neustadter | Michael H. Weber
Genre: Musik | Drama
USA, 2023
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