Läuft bei: Play Suisse (1 Staffel, 6 Episoden à 30 Min.)
Fangen wir mit dem an, was ganz schlimm ist in der neuen SRF-Serie «Mindblow»: Mäge. Wie zur Hölle kann sich jemand einen solchen Spitznamen ausdenken, geschweige denn gefallen lassen? Tiefstes helvetisches Mittelland halt, was aber nur in Sachen Namensgebung voll schräg einfährt.
Denn sonst passt die Doppeleinfamilienhaus-Atmosphäre irgendwo im Umland von Zürich perfekt zu den drei Nichtmehrganz-Teenies Markus aka Mäge (Dimitri Stapfer), Eva (Helen Wills), Mäges Schwester, und Robin (Kay Kysela). Das Trio hat eine Band und träumt von der grossen Musikkarriere. Aber daraus wird nichts.
Der MusicStar-Auftritt versaut sein Leben
Mäge versagt bei seinem Auftritt in der Castingshow «MusicStar». «Du hast’s mega verkackt», stellt Sandra (Sylvie Marinković) trocken fest. Sie ist als Evas Schulfreundin die Vierte im Bunde. Aber Sandra aka Sandy lächelt dabei, weil sie Mäge mag. Er lächelt zurück.
20 Jahre später sind die beiden ein Paar. Nur lächeln sie nicht mehr. Mäges MusicStar-Auftritt hat ihm das Leben versaut. Sein mega verkackter Auftritt wurde zum Internet-Meme und er zum Inbegriff der Loser, über die man sich zu Beginn der Castingshow unter dem Motto «Leider Nein» jeweils lustig gemacht hat.
Kund:innen im Elektronikladen, wo Mäge arbeitet, erkennen ihn heute noch. Auch Evas neuer Freund gerät aus dem Häuschen, als er an Mäges 40. Geburtstag die Fail-Legende kennenlernt. Hätte Mäge damals doch nur nicht diese Pille genommen, die ihm ein MusicStar-Mitstreiter namens Baschi angeboten hat und die ihn völlig ausgeknockt hat.
Ein SMS stellt die Welt auf den Kopf
Es braucht keine 1,21 Gigawatt und keinen Flux capacitor, sondern nur einen Kurzschluss am Synthi damit Mäge diese zweite Chance bekommt. Der 20-jährige und der 40-jährige Mäge können deshalb über die Jahrzehnte hinweg kommunizieren. Ein SMS genügt und Mäges Fluch ist aus der Welt geschafft.
Doch wie das halt so ist, wenn man in die Vergangenheit reinpfuscht, kommt die Zukunft auch ganz anders raus. Mal landet Eva im Knast, Robin auf der Strasse oder Mäge in der Psychi, wenn die drei in der Zeitachse rumpfuschen.
Mit KI verjüngt und eine seltsame Infotafel dazu
Es war kaum zu überlesen, dass bei «Mindblow» erstmals in einer SRF-Produktion mit Künstlicher Intelligenz gearbeitet wurde. Per KI wurden die Gesichter der Schauspieler:innen verjüngt. Das ist technisch gut gelungen.
Beim jungen Baschi wurde sogar Deepfake-Technologie eingesetzt. Das merkt man und es erzeugt einen leichten Touch von «Uncanny Valley».
So weit, so normal für eine Produktion heutzutage. Was mich aber völlig irritiert hat, war der Einblender zu Beginn der Serie, der wie eine Triggerwarnung daherkommt.
In weisser Schrift auf rotem Grund wird verkündet, dass sich alle Schauspieler mit der Verwendung von KI einverstanden erklärt hätten. Davon gehe ich selbstverständlich aus. So wie ich auch annehme, dass der Darsteller, der sich vom Dach gestürzt hat, nicht wirklich zu Schaden kam.
«Mindblow» spielt sehr ansprechend mit Zeitachsenverschiebungen und Paralleluniversen. Das funktioniert, weil man die drei resp. vier Vorstadtbünzlis, die sie eigentlich alle sind, zu mögen beginnt. Es muss ja nicht gleich Weltruhm sein, aber ein bisschen Glück würde man ihnen gönnen.
Hübsche Nullerjahre-Nostalgie
Fast ein bisschen überheblich könnte es anmuten, wie SRF in der Serie die eigene Castingshow aus den Nullerjahren abfeiert, die gerade zum 20-Jahre-Jubiläum als Revivalshow über den Bildschirm flimmerte.
Tatsächlich ist es ein cleverer Twist, damit die Nostalgie unter den Millennials (jüngere Zielgruppe!) zu befeuern. Viele werden sich gerne an diese Zeit zurückerinnern, als sie mit Carmen Fenk, Fabienne Louves und den vielen anderen MusicStars mitfieberten.
Baschi (falls ihn jemand nicht kennt: ein echter MusicStar von damals) als Running Gag in der Serie einzusetzen, bringt einen ebenfalls regelmässig zum Schmunzeln. Man verzeiht der Serie sogar, dass sie Chris von Rohr einen Kurzauftritt gewährt. Wie immer brabbelt der irgendwas, was annähernd Sinn machen könnte. Auch das ist lustig.
Trägt das Konzept eine zweite Staffel? Hm …
«Mindblow» unterhält sehr gefällig als witzige Feelgood-Serie mit einem hübschen Sci-Fi-Twist und einer Moral von der Geschicht‘, die zwar etwas banal ist, aber damit wieder gut in den leicht bünzligen Unterton der Story passt.
SRF würde die Serie gerne weiterziehen, wie die letzte Szene andeutet. Ich bezweifle allerdings, dass sich die Idee mit den Nachrichten in die Vergangenheit, die die Gegenwart verändern, nochmal zu einer ganzen Staffel auswalzen lässt.
Bei aller Sympathie für die Figuren: Dieselbe Geschichte in Grün wird nicht funktionieren. Aber vielleicht haben die Macher:innen schon einen extrem cleveren neuen Twist im Hinterkopf? Dann könnte sich das lohnen.
Besetzung: Dimitri Stapfer | Kay Kysela | Silvie Marinković | Helen Wills | Sebastian Bürgin aka Baschi | Leo Bürgi | Adrian Kübler | Chris von Rohr | Palma Ada | Aischa Hänggi | Eric Lüthi
Serie entwickelt von: Eric Andreae
Genre: Komödie | Drama | Science-Fiction
CH, 2024
Schreibe einen Kommentar