Läuft bei: Apple TV+ (Mini-Serie, 10 Episoden à 45 Min.)
Diese Besprechung enthält Spoiler
Es ist ein ungewöhnlicher Ritt, auf den uns «The Crowded Room» mitnimmt. Die Mini-Serie beginnt als Krimi, geht über in eine Therapiesitzung mit viel Dialog und Rückblenden und endet als Gerichtsdrama.
Dabei erschliesst sich lange nicht, was eigentlich den Kern der Geschichte ausmacht. Das könnte dazu führen, dass man die Geduld verliert mit dem Plot. Wer aber ein bisschen aufmerksam zuschaut, wird in den ersten fünf Episoden Ungereimtheiten in der Handlung bemerken. Die lassen einen erahnen, worauf die Geschichte hinausläuft.
Ein ganz normales Verbrechen
Wer sich diesen Twist nicht verderben will, muss jetzt aufhören zu lesen. Ebenso sollte man es sich verkneifen, nachzuschauen, worum es in der Buchvorlage geht (für alle anderen hier der Link).
Anfänglich sie es so aus, als ginge es um die Aufklärung ein ganz normales Verbrechen. Danny Sullivan (Tom Holland) wird verhaftet, nachdem er beim Rockefeller Center mit einer Waffe einen Mann bedroht hat. Später fallen Schüsse. Dannys Freundin Ariana (Sasha Lane) hat ihm die Waffe entrissen und auf den Mann geschossen.
Als die Polizei Danny festnimmt, finden sie Blutspuren im Haus, in dem er wohnt. Die beiden anderen Bewohner, Ariana und der Hausbesitzer Yitzhak (Lior Raz) sind verschwunden. Das lässt den Verdacht aufkommen, Danny habe sie getötet und die Leichen verschwinden lassen.
Das schreckliche Geheimnis
Matty Dunne (Thomas Sadoski) holt deshalb seine Ex-Freundin Rya Goodwin (Amanda Seyfried). Sie ist Psychiaterin und soll Danny begutachten, ob er allenfalls Züge eines Massenmörders aufweist.
Danny erzählt Rya in den Gesprächen mit ihr, die folgen, seine ganze Lebensgeschichte. Von der Mutter, die wieder geheiratet hat. Seine Mühe mit dem Stiefvater. Von der Schule, wo er eher ein Aussenseiter war, der nur wenige Freunde hatte. Von seiner ersten Liebe. Von Ariana und Yitzhak, bei denen er einzog, nachdem er es zu Hause nicht mehr ausgehalten hatte.
Nach vielen Stunden hat Danny so viel Vertrauen zu Rya gefasst, dass er ihr sein schreckliches Geheimnis anvertraut. Sein Stiefvater hat über Jahre seinen Zwillingsbruder Adam missbraucht, als sie noch Kinder waren.
Die Geschichte bekommt Risse
Und hier bekommt die Story Risse. Adam sei tot, erzählt Danny. Will aber nicht sagen, wie er gestorben ist. In den Rückblenden, die zeigen, wie es zum Missbrauch kam, spricht der Stiefvater nie mit Adam, der im Auto immer auf dem Rücksitz sitzt.
In der sechsten Episode beginnt die Auflösung des Rätsels. Das ist tatsächlich etwas spät und es hätte der Serie gutgetan, Dannys Erzählungen etwas zu straffen. Mittlerweile ist einem aber wohl klar geworden, dass Danny das Trauma des Missbrauchs an seinen imaginären Bruder ausgelagert hat.
Die Krankheit, die es noch nicht gab
Doch dabei bleibt es nicht. Immer mehr Figuren in Dannys Lebensgeschichte erweisen sich als Erfindungen seines Gehirns. Danny leidet an einer multiplen Persönlichkeitsstörung oder dissoziative Identitätsstörung, wie sie heute genannt wird.
Diese Erkrankung war Ende der 1970er-Jahre, in denen die Serie spielt, in der Psychiatrie aber noch nicht anerkannt. Sie wird auch heute noch kontrovers diskutiert.
Wie visualisiert man eine psychische Erkrankung?
Rya will unbedingt verhindern, dass Danny im Gefängnis landet, wo er ohne Behandlung früher oder später wohl Suizid begehen würde. Doch weder Fachkollegen noch Justizbehörden glauben an ihre Diagnose. Sie und Dannys Anwalt müssen die Geschworenen im Prozess davon überzeugen, dass Danny nicht hinter Gitter gehört, sondern in eine psychiatrische Behandlung.
Wie in den letzten Episoden Dannys geistige Innenwelt dargestellt wird, stösst bei vielen Kritiker:innen auf Ablehnung. Sie sei unangemessen. Tatsächlich ist die Visualisierung seiner Persönlichkeitsstörung etwas banal. In einer Scheune öffnet sich ein Abgrund, in dem eine Holztreppe in scheinbar endlose Tiefen führt.
Hier leben all die Charaktere, die sich Danny ausgedacht hat. Und sie kämpfen ums Überleben. Denn wenn Danny geheilt wird, würden sie ja verschwinden, also sterben. Deshalb gibt plötzlich nicht mehr Danny die Antworten, wenn der Richter in der Voruntersuchung Fragen stellt, sondern Jack (Jason Isaacs), der eine Art Anführer der erfundenen Figuren ist.
Holland und Seyfried sind hervorragend
Auch wenn diese Bilder eine sehr simple Umsetzung der Krankheit darstellen, funktioniert das und schafft eine Spannung, die zum Gerichtsdrama passt, das sich in den letzten Episoden abspielt.
Unbestritten ist aber sich eines: Die schauspielerische Leistung von Holland und Seyfried ist hervorragend. Bei ihr erstaunt das wenig. Sie hat schon mit «The Dropout» bewiesen, dass sie mehr kann, als nur zu Abba-Liedern zu schmachten.
Tom Holland hingegen war bis jetzt für mich nur der pubertäre Spider-Man in den Marvel Filmen. Hier zeigt er, dass er doch noch einiges mehr drauf hat.
Besetzung: Tom Holland | Amanda Seyfried | Sasha Lane | Jason Isaacs | Will Chase | Lior Raz | Emmy Rossum | Thomas Sadoski | Levon Hawke | Sam Vartholomeos | Christopher Abbott | Emma Laird
Serie entwickelt von: Akiva Goldsman | Todd Graff
Genre: Krimi | Drama | Historie
USA, 2023
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