Slow Horses (Staffel 1) – Der Spion, der aus der Abstellkammer kam

Läuft bei: Apple TV+ (1 Staffel, 6 Episoden à 45 Min.)

MI5-Agent River Cartwright (Jack Lowden) versagt monumental bei einem Anti-Terroreinsatz. Es war zwar nur eine Übung, aber er wird trotzdem strafversetzt. Cartwright landet im «Slough House», eine Abstellkammer für ausgemusterte Agent:innen.

Sein neuer Chef ist Jackson Lamb (Gary Oldman). Er gibt seinem Team regelmässig zu verstehen, was für Nieten sie sind und zu Recht in den heruntergekommenen Büros des Slough House sitzen statt im mondänen Hauptquartier am Regent’s Park.

Die verdeckte Operation läuft schief

Obwohl Lamb es ihm deutlich untersagt, entwickelt Cartwright Ambitionen, echte Agentenarbeit zu leisten. Dabei verwickelt er das Team des Slough House – die so genannten Slow Horses – in einen Entführungsfall. Vier Nationalisten haben einen jungen Engländer pakistanischer Abstammung entführt und drohen, ihn hinzurichten.

Was als rechter Terrorakt erscheint, ist in Tat und Wahrheit ein verdeckte Operation der MI5-Chefin Diana Taverner (Kristin Scott Thomas). Die Operation läuft aber völlig aus dem Ruder und die Slow Horses kommen zu einem unverhofften Feldeinsatz.

Ich finde

«Slow Horses» ist ein ganz solider Thriller im britischen Geheimdienstmilieu. Nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint, und niemandem kann man trauen.

Mit Gary Oldman, Kristin Scott Thomas und Jonathan Pryce in einer Nebenrolle ist die Serie prominent besetzt. Die drei und auch der weitere Cast leisten gute Arbeit.

Jackson Lamb vs George Smiley

Dennoch fehlt der Serie schon noch etwas, um an die Spionagereihe heranzukommen, mit der man sie unweigerlich vergleicht: John Le Carrés Romane mit George Smiley (Fun Fact: Oldman spielte Smiley in der 2011er-Verfilmung von «Tinker Tailor Soldier Spy»).

Da ist zum einen die Hauptfigur Jackson Lamb. Der kratzbürstige Chef, der den Titel als demotivierendster Vorgesetzter mit Bravour verdient und schon zur Kaffeepause das Whiskyglas füllt, ist zu Beginn noch einigermassen witzig. Das verflüchtigt sich aber schneller als seine Blähungen nach dem Mittagessen.

Die Slow Horses kommen wieder

Zum andern lässt der Plot doch etwas an Raffinesse und Subtilität vermissen im Vergleich zu den Geschichten, die sich in Smileys Circus abspielten.

«Slow Horses» basiert auf den Romanen von Mick Herron, von denen bereits acht erschienen sind. Die zweite Staffel der Serie wird auch schon am Ende der ersten geteast. Man darf also wahrscheinlich mit noch mehr rechnen. Das ist durchaus ok, denn Zeitverschwendung ist die Serie sicher nicht.

=> «Slow Horses» Staffel 2: Die Versager wachsen einem immer mehr ans Herz

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Wie viele Sterne gibst du «Slow Horses» Staffel 1?

Besetzung: Gary Oldman | Kristin Scott Thomas | Jonathan Pryce | Jack Lowden
Genre: Thriller
GB, 2022

Our Great National Parks (Staffel 1) – Wie Obama jetzt sein Geld verdient

Ohne Bewertung

Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 5 Episoden à 50 Minuten)

Aus Neugier habe ich mir eine Episode dieser Tierdoku angeschaut, um zu sehen, wie der ehemalige US-Präsident Barack Obama jetzt sein Geld verdient.

Es beginnt an einem Strand auf Hawaii. Obama erzählt, wie er hier dank seiner Grossmutter seine Verbundenheit mit der Natur entdeckte. Dann folgt die Reise in die verschiedensten Nationalparks dieser Welt mit schönen Tier- und Landschaftsaufnahmen. Dazu die sanfte Stimme Obamas aus dem Off, die mit leichtem Pathos erklärt, wie aussergewöhnlich die Fauna und Flora auf dieser Welt ist.

Ich hab irgendwo gelesen, dass die Doku unter den Top 3 bei Netflix für Kinder steht. Finde ich passend. Kinder haben sicher viel Freude an putzigen Äffchen oder beeindruckenden Nilpferden und stören sich weniger am einschläfernden Off-Kommentar.

Wenn ich an den Urvater der deutschen Tierdoku zurückdenke, an den oft lehrmeisterlichen Bernhard Grzimek, macht es Obama auch nicht schlechter.

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Wie viele Sterne gibst du «Our Great National Parks» Staffel 1?

Erzähler: Barack Obama
Genre: Doku
USA, 2022

Reacher (Staffel 1) – Der Rächer mit Herz und Kleiderproblemen

Läuft bei: Amazon ( 1 Staffel, 8 Episoden à 45 Min.)

Jack Reacher (Alan Ritchson, spielte Hawk in «Titans»), der nur Reacher genannt werden möchte, weil ihn seine Mutter schon so nannte, verschlägt’s in ein Kaff in Georgia. Im Diner will er sich einen Pfirsichkuchen zu Gemüte führen, da wird er wegen Mordverdachts verhaftet. Verdächtig macht ihn, dass er der einzige Fremde ist und als muskulöser Hüne ziemlich auffällt.

Der Tatverdacht verflüchtigt sich zwar ziemlich schnell. Nicht aber ohne dass Reacher im Gefängnis seine Qualitäten als erbarmungsloser Nahkämpfer ein erstes Mal unter Beweis stellen kann. Und mit seiner scharfsinnigen Beobachtungsgabe in bester Sherlock Holmes-Manier beeindruckt er die örtliche Polizei.

Für Reacher wird’s persönlich

Nach diesem unfreundlichen Empfang in Margrave will Reacher weiterziehen. Allerdings stellt sich heraus, dass das Mordopfer sein Bruder Joe war. Deshalb verbündet sich Reacher mit zwei lokalen Cops, Finlay (Malcolm Goodwin, «iZombie») und Roscoe (Willa Fitzgerald).

Weitere Leichen tauchen auf. Das Trio kommt bei den Ermittlungen korrupten Politikern, Polizisten und dem Grossunternehmer der Stadt mit seinen dubiosen Geschäften auf die Spur.

Ich finde

«Reacher» ist nichts für zarte Gemüter. Obwohl ehemaliger Militärpolizist, macht Reacher schnell klar, dass er nicht Gerechtigkeit will für den Mord an seinem Bruder, sondern Rache.

Schlägt er zu Beginn seine Gegner nur zusammen, greift er schnell danach zur Waffe und tötet gezielt mit Kopfschuss. Damit drei Leichen in einen Kofferraum passen, bricht er auch mal ein paar Beine.

Hulk trifft auf Rambo, Sherlock Holmes und Shrek

Trotzdem kommt Reacher nicht nur als Brutalo rüber. Er ist ein scharfsinniger Ermittler, zeigt menschliche Regungen wie Zuneigung für die Polizistin, mit der er zusammenarbeitet.

Dann ist Reacher auch dieser fast bemitleidenswerte Aussenseiter durch seine Statur, der regelmässig Probleme hat, passende Kleidung zu finden – alles in allem eine nicht unsympathische Mischung aus Hulk, Rambo, Sherlock Holmes und Shrek.

«Reacher» wird uns erhalten bleiben

Dazu fügt die Serie zwischendurch einen humoristischen Unterton. Dieser Mix macht aus «Reacher» eine Serie, mit der sich Action- und Krimifreund:innen gerne die Zeit vertreiben werden. So erfolgreich, wie die erste Staffel beim Publikum ankam, überrascht es nicht, dass die zweite bereits angekündigt ist und weitere werden wohl folgen.

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Wie viele Sterne gibst du «Reacher» Staffel 1?

Besetzung: Alan Ritchson | Malcolm Goodwin | Willa Fitzgerald | Currie Graham | Bruce McGill
Showrunner: Nick Santora
Genre: Krimi | Action
USA, 2022

Dirty Lines (Staffel 1) – Als Sex-Hotlines das neue heisse Ding waren

Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 6 Episoden à 45 Min.)

Amsterdam Mitte der 80er-Jahre. Marly ist eine Psychologiestudentin. Als zukünftige Therapeutin gehört auch Sexualität zu ihrem Studiengebiet.

Etwas profaner ist der Zugang der Brüder Frank und Ramon zum Thema. Sie wollen Geld verdienen mit Sex und zwar mit den neuen Möglichkeiten von Bezahlnummern. Sie lassen Frauen auf Band stöhnen und hoffen auf Männer, die anrufen und dafür 50 Cents pro Minute bezahlen.

Marly versucht sich erfolglos als erotische Sprecherin. Sie bekommt trotzdem einen Job, weil sich ihr akademisches Sex-Know How als wertvoll für die Firma erweist.

Es beginnt eine rasante Erfolgsgeschichte, die mit viel Party, Sex und Drogen durch die zweite Hälfte der 80er andauert.

Ich finde

«Dirty Lines» zelebriert den 80er-Groove. Mann trug dünne Oberlippenbehaarung, Frau trug Schulterpolster. House-Musik war erst gerade im Kommen und Ecstasy so neu, dass es für eine Weile nicht mal verboten war. Und überall war Aufbruch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, sportlich (die Niederlande gewann die Fussball-EM 1988).

Bestückt wird dieses Setting mit Hauptfiguren, die einem durchaus ans Herz wachsen. Allen voran Marly, die aus dem Elternhaus fliegt, und vorerst Geldsorgen hat, bevor sie langsam die Vorzüge ihrer neuen Freiheiten entdeckt.

«Sex Education» trifft auf «Masters of Sex»

Frank war bisher erfolglos mit seinen Geschäftsideen, unter anderem setzte er auf das Video-2000-System 😀. Jetzt verdient er richtig Geld, das er aber gleich wieder zum Fenster rauswirft. Sein Bruder Ramon ist verheiratet, zweifacher Vater – und versteckt schwul.

«Dirty Lines» fühlt sich etwas an wie «Sex Education» gemischt mit «Masters of Sex» (leider momentan bei keinem Streaminganbieter) und mit einem Schuss Amsterdamer Lokalkolorit, der wohl wenigen vertraut und ziemlich originell ist. Alles in allem: Eine Geschichte, die überaus gefällig ist und amüsante Unterhaltung bietet.

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Wie viele Sterne gibst du «Dirty Lines» Staffel 1?

Besetzung: Joy Delima | Minne Koole | Chris Peters | Janna van Raalte
Showrunner: Pieter Bart Korthuis
Genre: Komödie
NL, 2022

The Dropout (Mini-Series) – Mit Lug und Trug zur Milliardärin im Silicon Valley

Läuft bei: Disney+ (Mini-Series, 8 Episoden à 45 Min.)

Wer die wahre Geschichte von Elizabeth Holmes und ihrer Firma Theranos nicht kennt und sich die Spannung erhalten will, sollte jetzt nicht weiterlesen, sondern einfach die Serie schauen.

Elizabeth (Amanda Seyfried) weiss, was sie will. Kurz bevor sie in Stanford ihr Studium beginnt, verkündet sie: «Ich will Milliardärin werden.» Und das wird sie.

Nach zwei Jahren bricht sie ihr Studium ab und gründet die Firma Theranos. Ihre revolutionäre Idee: ein Gerät zu entwickeln, das mit nur einem Tropfen Blut Dutzende Diagnosen erstellt. Das Gerät soll zudem so klein sein, dass man es bei sich zuhause aufstellen kann.

Es folgt ein kometenhafter Aufstieg. Nach einigen Jahren ist Theranos mit neun Milliarden Dollar bewertet, Elizabeth als die jüngste Selfmade-Milliardärin auf den Titelblättern von Forbes und Fortune und bestens vernetzt unter Amerikas Reichen und Mächtigen.

Es gibt allerdings ein Problem. Das Gerät funktioniert nicht. Mit Tricks, Betrug und Drohungen verheimlicht Elizabeth über Jahre, dass ihre Firma auf einer Lüge basiert. Nur langsam gelingt es einem Reporter des Wall Street Journals, diesen Betrug zu enthüllen.

Ich finde

Die Geschichte vom Aufstieg und Fall von Elizabeth Holmes ist unglaublich faszinierend und abstossend zugleich. Das bringt «The Dropout» auch gut rüber.

Zu Beginn könnte man Sympathien entwickeln für diese junge Frau. Sie ist intelligent, ehrgeizig und fokussiert. Sie will die Welt besser machen und damit auch Geld verdienen, was soll daran schlecht sein? Sie lässt sich nicht beirren, durch Hürden, die man ihr – speziell als Frau in einer Tech-Welt – in den Weg stellt. Sie könnte dieses Vorbild sein für junge Frauen, für das man sie jahrelang hielt.

Wenn da nicht dieses Problem wäre, dass sich ihre Idee, die sie vollmundig überall verkauft, nicht realisieren lässt. Das Gerät funktioniert nicht. Jetzt wandelt sich Elizabeth.

Pullover, Baritonstimme und ein gruseliges Lächeln

Amanda Seyfried spielt das hervorragend. Mit dem typischen Holmes-Outfit – schwarzer Rollkragenpullover in Anlehnung an Steve Jobs – übt sie vor dem Spiegel mantramässig einen Motivationssatz mit einer tieferen Stimme (dass die echte Elizabeth ihre Stimme auf Bariton trainierte, bestreitet ihre Familie).

Dazu dieses Lächeln mit dem leicht vorgeschobenen Unterkiefer – schon fast gruselig. Das ist der Moment, in dem Elizabeth zur skrupellosen Geschäftsfrau wird, die ihren Erfolg, das Geld und ihr Ansehen mit allen Mitteln verteidigt.

Wenn man «The Dropout» etwas ankreiden kann, dann am ehesten, dass hier die Frage im Vordergrund steht: Wer ist Elizabeth Holmes? Das ist legitim, aber interessanter ist die Frage: Wie konnte es Elizabeth Holmes so weit bringen?

Wie erklärt sich der Erfolg?

Wie konnte eine ganze Armada der Polit- und Wirtschaftsprominenz auf sie hereinfallen: Bill Clinton, Joe Biden, George Shultz, Henry Kissinger, Rupert Murdoch, Larry Ellison und noch einige andere. Einfach nur alte weisse Männer, bei denen der Verstand aussetzt, wenn sie eine junge blonde Frau sehen?

Das greift wohl etwas zu kurz. Denn – das zeigt die Serie – Elizabeth spielte nicht nur hinterhältig mit der Angst der eingesessenen Wirtschaftsbosse, den Anschluss an die Start-up-Ära zu verpassen. Sie investierte auch viel, man kann wohl sagen, kriminelle Energie, um ihre Geschäftspartner über den Tisch zu ziehen und Gegner zum Schweigen zu bringen. Und dabei, das kommt in der Serie fast etwas zu kurz, gefährdete sie mit ihrer Firma über Jahre die Gesundheit von Patient:innen mit falschen Diagnosen.

«You hurt people»

Die Serie endet 2018, als Theranos dicht machen muss. Elizabeth packt im Büro ein paar Sachen zusammen, als sie von ihrer ehemaligen Anwältin mit unangenehmen Fragen konfrontiert wird. Sie läuft davon. «You hurt people, you must know that, right?» ruft ihr die Anwältin nach. Man darf’s bezweifeln.

Im selben Jahr wurden Elizabeth Holmes und ihr Freund und Geschäftspartner Ramesh «Sunny» Balwani angeklagt wegen Betrugs an Patientinnen und Investoren. Die Deliktsumme beläuft sich auf über 700 Millionen Dollar.

Im Januar 2022 wurde sie schuldig gesprochen wegen Betrugs an Investoren. Vom Vorwurf des Betrugs an Patient:innen wurde sie freigesprochen. Das Strafmass, maximal 20 Jahre, soll im September verkündet werden. Bis jetzt sass Elizabeth Holmes noch keinen Tag im Gefängnis.

Wer sich noch mehr vertiefen will:
  • «Bad Blood: Secrets and Lies in a Silicon Valley Startup» (2018). Das Sachbuch von John Carreyrou, der darin seine Recherche beim Wall Street Journal schildert.
  • «The Inventor: Out for Blood in Silicon Valley» (2019) Dokumentarfilm von Alex Gibney (Trailer). Gibney hat auch den hervorragenden Dok «Enron: The Smartest Guys in the Room» gedreht. Darin geht es ebenfalls um einen massiven Wirtschaftsbetrug. Fun Fact: Elizabeths Vater arbeitete bei Enron und wurde bei der Firmenpleite arbeitslos.
  • Podcast «The Dropout» (2019) von ABC News. Der ursprünglich sechsteilige Podcast diente in grossen Teilen als Vorlage für die Mini-Series.
    Der Podcast wurde 2021 weitergeführt mit dem Prozess gegen Elizabeth Holmes.
  • Podcast «Bad Blood: The Final Chapter» (2021). John Carreyrou über den Prozess gegen Holmes und Hintergründe zu Theranos aus seinen Recherchen.
  • Zum Schluss – die richtige Elizabeth vs Seyfrieds Elizabeth

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Wie viele Sterne gibst du «The Dropout»?

Besetzung: Amanda Seyfried | Naveen Andrews | Anne Archer | William H. Macy | Stephen Fry | Sam Waterston
Showrunner: Elizabeth Meriwether
Genre: Drama | Biografie
USA, 2022

Anatomy of a Scandal (Mini-Series) – Very british, fairly boring

Läuft bei: Netflix (Mini-Series, 6 Episoden à 45 Min.)

James Whitehouse (Rupert Friend, Peter Quinn aus «Homeland») ist ein Tory-Politiker mit glänzenden Karriereaussichten. Ein typischer Vertreter der britischen Upperclass, der an der Uni die Beziehungen knüpfte, die ihm den Weg zur Macht ebneten. Unter anderen gehört der amtierende Premierminister zu seinen besten Freunden aus Oxford-Zeiten.

James‘ Karriere droht ein Rückschlag, als eine Affäre mit einer jungen Frau aus seinem Büro publik wird. Natürlich muss er das zuhause seiner Frau (Sienna Miller, «The Girl» als Tippi Hedren) beichten. Sophie, ebenfalls Oxford-Absolventin und seit dieser Zeit mit James zusammen, ist am Boden zerstört. Sie entschliesst sich aber, dem reumütigen Ehemann zur Seite zu stehen.

Allerdings bleibt es nicht beim Seitensprung: Die ehemalige Geliebte wirft James Vergewaltigung vor und es kommt zum Prozess. Die Anklage vertritt Kate Woodcraft (Michelle Dockery, «Downton Abbey», bei Amazon/«Godless», bei Netflix), eine erfolgsgewohnte Anwältin, die bekannt ist für ihr seriöses, aber unbarmherziges Vorgehen.

Ich finde

«Anatomy of a Scandal» könnte ein gelungenes Gerichtsdrama sein, das sich in die Psyche seiner Hauptfiguren vertieft. Ist es aber nicht. Stattdessen operiert die Serie mit ziemlich flachen Charakterzeichnungen.

James gibt sich als moderner Mann, der seine Privilegiertheit reflektiert. Die Rückblenden in seine Studienzeit lassen daran aber Zweifel aufkommen.

Konstruiert und abstrus

Sophie kommt aus derselben privilegierten Ecke. Als Frau heisst das für sie, dass ihr Weg an der Seite des erfolgreichen Mannes ist. Ein Konzept, das sie kaum hinterfragt, bis sie dann einigermassen unvermittelt ihre Solidarität für Frauen entdeckt.

Kate hegt ein Geheimnis, das sehr konstruiert ist und letztlich zu einem abstrusen Plottwist führt.

Zu «british»?

Vielleicht bin ich trotz aller Anglophilie zu wenig «british», als dass ich genügend mitfiebern könnte, ob privilegierte Mistkerle ihre gerechte Strafe bekommen. Oder es liegt daran, dass hier eine Geschichte erzählt wird, die zwischen Klischee und Unglaubwürdigkeit schwankt, mit Figuren, die einem ziemlich egal bleiben.

Die Umfrage ist beendet

Wie viele Sterne gibst du «Anatomy of a Scandal»?

Besetzung: Sienna Miller | Rupert Friend | Michelle Dockery | Joshua McGuire | Naomi Scott
Showrunner: Melissa James Gibson | David E. Kelley
Genre: Drama
GB, 2022

Drôle / Standing Up (Staffel 1) – Witzig zu sein, ist auch nicht immer lustig

Läuft bei: Netflix (1 Staffel, 6 Episoden à 45 Min.)

Aïssatou und Nezir träumen von der grossen Karriere als Stand-up-Comedians. Vorerst treten sie aber noch in einem kleinen Club auf. Bling, der Besitzer des Clubs, war mal eine grosse Nummer. Er hat aber seit Jahren keinen neuen Witz geschrieben. Apolline sollte eigentlich ihr Studium abschliessen, entdeckt aber ihre Liebe zur Stand-up-Comedy und macht die ersten Gehversuche auf der Bühne.

Während Aïssatous Karriere durchstartet und Nezir sich einigermassen durchwurstelt, stürzt Bling bei einem Comebackversuch komplett ab.

Daneben schleppen alle vier ihre Beziehungskisten mit. Sei’s mit dem Ehemann, der mit Intimitäten aus seinem Eheleben als Stand-up-Gag auf YouTube konfrontiert wird. Oder mit dem arbeitsunfähigen Vater, den es zu versorgen gilt. Oder mit der überkandidelten Mutter, die unter einer Karriere sicher nicht Stand-up-Comedy versteht.

Ich finde

Paris, Comedy, Liebe und Beziehungsknatsch – das passt. Es passt nicht zuletzt deshalb, weil Aïssatou, Nezir und Bling keine Weissen sind. Und weil Apolline als Weisse in der Runde aus einem schon fast klischiert überprivilegierten Pariser Haushalt kommt. Das gibt Stoff für einige bittersüsse Gags.

Allzu sozialkritisch wirds dann doch nicht. Denn, so sagt einmal ihr Agent zu Aïssatou, die Leute wollen lachen und im Publikum sitzen ja auch Weisse. Daran hält sich die Serie: Charaktere, mit denen man mitfühlt, unterhaltsame Comedy und alles mit einem Touch Paris, der Reisesehnsucht hervorruft.

Showrunner der Serie ist Fanny Herrero, die schon für «Dix pour cent / Call My Agent» verantwortlich zeichnete, sehr empfehlenswert und ebenfalls auf Netflix zu finden.

Die Umfrage ist beendet

Wie viele Sterne gibst du «Drôle / Standing Up» Staffel 1?

Besetzung: Mariama Gueye | Younès Boucif | Elsa Guedj | Jean Siuen
Showrunner: Fanny Herrero
Genre: Komödie
FRA, 2022

Severance (Staffel 1) – Kafka und Scientology lassen grüssen

Läuft bei: Apple TV+ (1 Staffel, 9 Episoden à 45 Min.)

Mark (Adam Scott, u.a. «Parks and Recreation» und «The Good Place») arbeitet bei Lumon Industries in einer Abteilung, die sich «Macrodata Refinement» nennt. Zwei Besonderheiten: Weder Mark noch seine Kolleg:innen haben eine Ahnung, was sie eigentlich genau arbeiten.

Aber vor allem: Alle, die in diesem unterirdischen Stockwerk der Firma arbeiten, haben sich einer Trennungsprozedur («severance procedure») unterzogen. Ein Mikrochip im Hirn verhindert, dass sie sich bei der Arbeit an ihr Privatleben erinnern – und umgekehrt. Obwohl diese Prozedur in seinem Umfeld durchaus umstritten ist, stimmt für Mark sein Leben so.

Bis eines Tages ein Mann auftaucht, der sich als ehemaliger Arbeitskollege zu erkennen gibt. Pitey liess die Prozedur rückgängig machen und will mit Marks Hilfe öffentlich zu machen, was Lumon mit seinen «severed» Angestellten treibt. Mark sträubt sich, rutscht aber immer mehr in die Sache hinein, bis diese streng getrennten Welten miteinander kollidieren.

Ich finde

«Severance» passt nicht so einfach in eine Schublade. Es ist ein dystopisches Drama über Ausbeutung am Arbeitsplatz, allerdings durchsetzt mit komödiantischen Elementen. Es ist ein Thriller, denn es geht um Revolte gegen diese Arbeitswelt, allerdings in einem ungewohnt gemächlichen Tempo. Und es ist ein Science Fiction, allerdings mit Technologie, die teilweise aus den frühen 90er-Jahren zu stammen scheint.

Apple, Kafka, Scientology und die Bibel

Mit der Zeit erschliesst sich auch, wovon sich Autor Dan Erickson und Regisseur Ben Stiller inhaltlich inspirieren liessen.

Das Hauptgebäude von Lumon Industries hat Anklänge an den Apple Park in Cupertino. Die sinnentleerte Tätigkeit der Angestellten erinnert an Kafka. Und dann gibt es diesen Firmengründer, der verehrt wird wie Ron L. Hubbard und Bücher geschrieben hat, die wie die Bibel konsultiert werden.

Der Cliffhanger sei verziehen

Dieser Mix fasziniert und packt über die ganzen neun Episoden der ersten Staffel. Zu verdanken auch einem hervorragenden Cast, zu dem Patricia Arquette und in Nebenrollen John Turturro und Christopher Walken gehören.

Ich nehme es der Serie für einmal nicht übel, dass sie mit einem Cliffhanger endet, sondern freue mich ungemein auf die zweite Staffel, die Ben Stiller bereits bestätigt hat.

Fun Fact: Ben Stiller hat einen Cameo-Auftritt, allerdings nur als Stimme des Firmengründers von Lumon Industries.

Die Umfrage ist beendet

Wie viele Sterne gibst du «Severance» – Staffel 1?

Besetzung: Adam Scott | Zach Cherry | Britt Lower | Patricia Arquette | John Turturro | Christopher Walken | Jen Tullock
Showrunner: Dan Erickson
Regisseur: Ben Stiller (6 Episoden)
Genre: Drama | Thriller
USA, 2022

Killing Eve (Staffel 4) – Die letzte Mission für Eve und Villanelle

Läuft bei: Netflix Sky (4 Staffeln, 32 Episoden à 45 Min.)

Am Ende der dritten Staffel gingen Eve und Villanelle getrennte Wege. Eve zieht das in der vierten Staffel auch durch. Sie ist fokussiert auf die Jagd nach den «Twelve», der Gruppe, für die Villanelle Mordaufträge ausführte. Auch Carolyn, mittlerweile ehemalige MI6-Agentin, ist hinter den «Twelve» her. Sie will jene Person der «Twelve» eliminieren, die den Auftrag für den Mord an ihrem Sohn gab.

Villanelle hingegen will dem Morden abschwören. Sie hat sich der Religion zugewandt und lebt bei einem Pastor und dessen Tochter. Zu ihrer Taufe lädt sie Eve ein, um ihre Abkehr vom Bösen zu beweisen. Als Eve nicht erscheint, erweist sich der Villanelles Glaube als nicht besonders nachhaltig. Leichen pflastern ihren weiteren Weg.

Auch Konstantin taucht wieder auf. Er trainiert für Hélène (Camille Cottin – auch zu sehen in der empfehlenswerten französischen Serie «Dix pour cent», auf Netflix unter dem Titel «Call My Agent») eine neue Killerin.

Ich finde

Die vierte ist auch die letzte Staffel von «Killing Eve». Wir können noch einmal eintauchen, in die komplizierte Welt der psychopathischen Killerin Villanelle und ihre nicht minder komplizierte Beziehung zu Eve, die mittlerweile selber nicht mehr vom Morden zurückschreckt.

Dieses Konstrukt kostet die Serie auch in der letzten Staffel aus. Auch wenn wir Zuschauenden das eigentlich schon in den früheren Staffeln gesehen haben, bleibt der Kern dieser Geschichte faszinierend und trägt eine weitere Staffel.

Wer wird überleben am Schluss?

Dazu tragen auch die Nebenplots bei: Für die eher komische Note sind Konstantin und seine Killer-Azubi Pam besorgt. Sie ist eine etwas verstockte Bestatterin, die nicht mehr Tote einbalsamieren will, sondern ihre Berufung beim Befördern ins Jenseits sieht.

Oder Eve und Hélène, die sich eigentümlich anziehend finden, aber bis aufs Blut bekämpfen. Und Carolyn, die mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird, als sie den:die Mörder:in ihres Sohnes sucht.

Weil es die finale Staffel ist, wird es wenig überraschen, dass alle Handlungsstränge auf einen Showdown in der letzten Episode hinauslaufen. Die grosse Frage ist: Wer wird überleben? Denn dass «Killing Eve» mit einem Happy End aufhört, glauben wohl nicht einmal die unverbesserlichsten Optimist:innen.

Die Umfrage ist beendet

Wie viele Sterne gibst du «Killing Eve» – Staffel 4?

Besetzung: Jodie Comer, Sandra Oh, Fiona Shaw, Kim Bodnia
Showrunner: Phoebe Waller-Bridge
Genre: Thriller
GB, 2022

US Streamingcharts von Nielsen

Der Marktforscher Nielsen veröffentlicht regelmässig Charts zur Streamingnutzung in den USA. Für die zweite Märzwoche sehen die Top Ten bei den Originalserien (Eigenproduktionen der Streamingdienste) so aus:

SerieAnbieterEpisodenMinuten (in Mio.)
The Last KingdomNetflix461423
Pieces of HerNetflix81415
Inventing AnnaNetflix9812
The Marvelous Mrs. MaiselAmazon34702
Love Is BlindNetflix25689
Worst Roommate EverNetflix5556
OzarkNetflix37464
UploadAmazon17441
Vikings: ValhallaNetflix8412
ReacherAmazon8337
Quelle: Nielsen Streaming Content Ratings (Amazon Prime, Disney+, Hulu, Netflix and Apple TV+), Nielsen National TV Panel, U.S.

Es gibt noch weitere Charts zu übernommenen Serien (Spitzenplatz «Good Girls») und Filmen (Spitzenplatz «Turning Red»). Die Details finden sich hier.

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